HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 183
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 371/18, Beschluss v. 31.10.2018, HRRS 2019 Nr. 183
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 11. Januar 2018, soweit es ihn betrifft, aufgehoben, im Ausspruch über
a) die Einzelstrafe bezüglich des Totschlags
b) sowie die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung und Totschlags zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Strafkammer hat, ausgehend von der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellung, dass der Angeklagte den Geschädigten mit bedingtem Tötungsvorsatz in den Hals stach, bei der Prüfung eines minder schweren Falles nach § 213 2. Alt. StGB zu Lasten des Angeklagten unter anderem berücksichtigt, „dass die Schwelle zum direkten Tötungsvorsatz angesichts der äußerst gefährlichen Handlung des Angeklagten, seiner medizinischen Vorkenntnisse und seines zielgerichteten Vorgehens sehr nahe lag“. Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB und erweist sich daher als rechtsfehlerhaft.
Der Senat hat mit Urteil vom 10. Januar 2018 (2 StR 150/15, juris Rn. 28) entschieden, dass eine Tatbestandsausführung mit Tötungsabsicht, unter Berücksichtigung der sonstigen Vorstellungen und Ziele des Angeklagten, ein taugliches Kriterium für eine Straferhöhung sein kann. Der festgestellte bedingte Tötungsvorsatz des Angeklagten wird indes vom Tatbestand der vorsätzlichen Tötung als notwendige Vorsatzform vorausgesetzt. Seine strafschärfende Berücksichtigung verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB. Die von der Strafkammer vorgenommene normative Aufspaltung der einheitlichen Handlungsform des bedingten Vorsatzes zum Zwecke einer strafzumessungsrelevanten Schuldabstufung ist nicht möglich.
Der Senat kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Würdigung zur Annahme eines minder schweren Falles gelangt und eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte. Dies führt zur Aufhebung der für den Totschlag verhängten Einzelstrafe. Ihr Wegfall entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage.
Da es sich um einen Wertungsfehler handelt, bedarf es der Aufhebung von Feststellungen nicht. Der Tatrichter ist nicht gehindert, neue Feststellungen zu treffen, die zum feststehenden Sachverhalt nicht in Widerspruch stehen.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 183
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 172 ; StV 2020, 90
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner