HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 107
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 532/17, Beschluss v. 19.12.2017, HRRS 2018 Nr. 107
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 14. Juli 2017 wird als unzulässig verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten mit Urteil vom 14. Juli 2017 wegen Diebstahls in sechs Fällen, davon in einem Fall wegen Versuchs, sowie wegen versuchten Computerbetruges sowie wegen „unerlaubten Überlassens von Betäubungsmittel an die Person unter 18 Jahren“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dem Angeklagten wurde mündlich und schriftlich durch Aushändigung eines entsprechenden Vordrucks eine Rechtsmittelbelehrung erteilt.
Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt D., wandte sich mit Schreiben vom 24. Juli 2017, eingegangen am 26. Juli 2017, an das Landgericht und wies darauf hin, dass der Angeklagte ihm mitgeteilt habe, gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt Revision eingelegt zu haben. Mit Schreiben vom 26. Juli 2017, ausgefertigt am 27. Juli 2017, teilte Richter am Landgericht Dr. S. dem Verteidiger des Angeklagten mit, dass eine Revision des Angeklagten bei Gericht nicht eingegangen sei.
Mit einem an Richter am Landgericht Dr. S. gerichteten Schreiben vom 4. August 2017, beim Landgericht eingegangen am 8. August 2017, teilte der Angeklagte diesem mit, dass er „am 15.07.2017 zu Protokoll schriftlich unter Angabe von Aktenzeichen und Datum Revision eingelegt“ und seine Post an das Landgericht geschickt habe; ihm sei bewusst gewesen, dass die Einlegungsfrist nur eine Woche betrage. Er sei nicht dafür verantwortlich, wenn „seine Post verschlampt“ werde. Darüber hinaus habe er seinem Verteidiger, Rechtsanwalt D., schriftlich und telefonisch mitgeteilt, dass auch er gegen das Urteil Revision einlegen solle.
Mit Schreiben vom 8. August 2017 teilte der Vorsitzende der Strafkammer, Vorsitzender am Landgericht Dr. T., dem Angeklagten mit, dass sein Schreiben vom 4. August 2017 als bloße Mitteilung und nicht als Revisionseinlegungsschrift angesehen werde; es könne nicht nachvollzogen werden, ob, wann und in welcher Form ein von ihm stammendes Schreiben vom 15. Juli 2017 auf den Weg gebracht worden sei.
Mit Schriftsatz vom 16. August 2017 teilte der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt D., unter Bezugnahme auf das an den Angeklagten gerichtete Schreiben des Landgerichts vom 8. August 2017 mit, dass der Angeklagte „unter dem 15.07.2017 in eigener Person“ Revision eingelegt und die Rechtsmittelschrift am gleichen Tag an den „Stationsbeamten“ zum Zwecke der Weiterleitung übergeben habe. Der Vortrag des Angeklagten sei „nachvollziehbar“; es dürfe dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen, dass die Revisionsschrift verloren gegangen sei, weshalb ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Revisionseinlegung zu gewähren sei. Gleichzeitig werde erneut namens und in Vollmacht des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 14. Juli 2017 Revision eingelegt.
Darüber hinaus gelangte am 17. August 2017 ein vom Angeklagten eigenhändig verfasstes an „Herrn Dr. T.“ gerichtetes Schreiben zu den Akten, das als Datum den „15.07.2017 Samstag um 12.30 Uhr“ auswies und mit dem der Angeklagte gegen das am 14. Juli 2017 verkündete Urteil „sofortige Revision“ einlegte und mitteilte, dass er die Gründe für die Rechtsmitteleinlegung „seinem Anwalt“ mitgeteilt habe.
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, den Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Revision und die eingelegte Revision als unzulässig zu verwerfen.
1. Der Wiedereinsetzungsantrag des Angeklagten ist unzulässig, weil weder dem Schriftsatz des Verteidigers vom 16. August 2017 noch dem Schreiben des Angeklagten vom 4. August 2017 entnommen werden kann, wann der Angeklagte Kenntnis von der Versäumung der Wochenfrist zur Einlegung der Revision gegen das am 14. Juli 2017 verkündete Urteil erlangt hat.
a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO). Innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen. Der Wiedereinsetzungsantrag ist nur zulässig, wenn er Angaben über die versäumte Frist und den Hinderungsgrund sowie Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses enthält (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 StR 573/14, NStZ-RR 2015, 145; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 45 Rn. 5 mwN).
b) Angaben dazu, wann der Angeklagte Kenntnis von der Versäumung der Revisionseinlegungsfrist erlangt hat, sind weder in dem Widereinsetzungsantrag des Verteidigers noch in dem vorangegangenen Schreiben des Angeklagten vom 4. August 2017, das erst am 8. August 2017 beim Landgericht eingegangen ist, enthalten; dieses Schreiben des Angeklagten legt zwar nahe, dass er zuvor von seinem Verteidiger darüber unterrichtet worden ist, dass die von ihm eigenhändig verfasste Rechtsmittelschrift nicht beim Landgericht eingegangen ist. Wann dies genau geschehen ist, lässt sich jedoch weder diesem Schreiben noch dem später förmlich durch den Verteidiger gestellten Wiedereinsetzungsantrag vom 16. August 2017 entnehmen.
Bei dieser Sachlage kann nicht geprüft und entschieden werden, ob der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig innerhalb der Wochenfrist nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden ist. Da Anhaltspunkte für eine unverschuldete Versäumung der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind, führt dies zur Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags. Darauf, dass der Angeklagte die unverschuldete Fristversäumnis nicht glaubhaft gemacht hat und sein Vorbringen eine unverschuldete Fristversäumnis nicht nahe legt, sondern Inhalt und Adressierung der eigenhändig durch den Angeklagten verfassten, an das Landgericht gerichteten Schreiben eher darauf hindeuten, dass der Angeklagte sich zu einem späteren Zeitpunkt entschieden hat, das Urteil anzufechten, kommt es danach nicht mehr an.
2. Die Revision des Angeklagten ist sonach kostenpflichtig als unzulässig zu verwerfen.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 107
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner