HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 103
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 345/17, Urteil v. 13.12.2017, HRRS 2018 Nr. 103
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 9. Mai 2017 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Herstellung einer kinderpornographischen Schrift und wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der eine Wohnung neben der Zeugin R. bewohnte, mit dieser und ihren Kindern ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis. Der Angeklagte entwickelte ein sexuelles Interesse an der am 25. Februar 2005 geborenen Tochter Re. Am 11. April 2016 hielt sich das Kind nachmittags beim Angeklagten auf. Der Angeklagte und Re. saßen auf einer aus gezogenen Schlafcouch, während das Kind ein Fernsehprogramm verfolgte oder die X-Box nutzte. Die Geschädigte hatte sich in eine Bettdecke gehüllt; Hose und Unterhose waren heruntergeschoben oder heruntergerutscht. Als das Mädchen seine Position änderte und sich „auf alle Viere hockte“, fühlte sich der Angeklagte von der vor ihm knienden Geschädigten sexuell erregt und hob die Decke an, um ihr unbedecktes Gesäß und den Genitalbereich sehen zu können. Er begann damit, sie an der Scheide zu berühren und spreizte ihre Schamlippen. Er drang mit einem Finger zwischen die Schamlippen in den Scheidenvorhof ein. Dies verursachte dem Kind Schmerzen. Im weiteren Verlauf des Geschehens fertigte der Angeklagte mit seinem Mobiltelefon eine 1,08 Minuten dauernde Videoaufnahme an, während er die Schamlippen der Geschädigten mit zwei Fingern spreizte und zusammendrückte, sowie den Daumen zwischen die Schamlippen führte, wobei er kreisende Bewegungen ausführte. Nach der Aufnahme berührte er das Mädchen mit der Hand „weiter in und an der Scheide“. Nach einigen Minuten durfte sich die Nebenklägerin anziehen.
Die Videoaufnahme wollte der Angeklagte dazu nutzen, um das Geschehen später nacherleben und sich sexuell erregen zu können. Bei einer Wohnungsdurchsuchung am 31. Mai 2016 wurde sein Laptop sichergestellt, auf dem die dort kurz zuvor gelöschte Videoaufnahme wiederhergestellt werden konnte.
2. Der Angeklagte hatte jahrelang kinder- und jugendpornographische Bilder und Filme auf dem Laptop und einem USB-Stick gespeichert. Bis zur Löschung im Januar und Februar 2016 verfügte er über 216 kinderpornographische Bilddateien, 40 kinderpornographische Videodateien, 50 jugendpornographische Bilddateien und vier jugendpornographische Videodateien, die weibliche Kinder beziehungsweise Jugendliche bei verschiedenen Praktiken des Geschlechtsverkehrs, bei der Masturbation oder beim Präsentieren der Genitalien zeigten.
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
1. Der Schuldspruch ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Dies gilt auch für die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes. Das Eindringen mit dem Finger in den Scheidenvorhof ist eine dem Beischlaf ähnliche sexuelle Handlung im Sinne von § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2004 - 4 StR 119/04, NStZ 2005, 90; LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 176a Rn. 26 f.; BeckOK StGB/Ziegler, 36. Ed., § 176a Rn. 12; a.A. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 176a Rn. 7a; Folkers, JR 2007, 11, 15).
2. Der Strafausspruch ist entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ebenfalls rechtsfehlerfrei.
Das Landgericht hat die Annahme eines minder schweren Falls des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes aufgrund einer Gesamtabwägung aller strafmildernden und strafschärfenden Umstände verneint. Im Anschluss hieran hat es angemerkt: „Unter Berücksichtigung dieser für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände war die Anwendung eines Ausnahmestrafrahmens nicht geboten. Der gewichtigen Bedeutung der Strafmilderungsgründe konnte innerhalb des Regelstrafrahmens hinreichend Rechnung getragen werden.“
Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Mit dem Hinweis auf das Ausreichen des Regelstrafrahmens ist nur zum Ausdruck gebracht, dass die angemessene Strafe innerhalb dieses Rahmens verhängt werden könne und deshalb keine Notwendigkeit bestehe, den Ausnahmestrafrahmen zur Anwendung zu bringen. Es ist nicht zu befürchten, dass das Landgericht die - vorher ausführlich erläuterte - Gesamtwürdigung nicht vorgenommen hätte oder die Bedeutung der Strafmilderungsmöglichkeit für die Strafrahmenwahl verkannt haben könnte.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 103
Externe Fundstellen: StV 2018, 231
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner