HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 1207
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 334/17, Beschluss v. 26.10.2017, HRRS 2017 Nr. 1207
1. Auf die Revision des Angeklagten P. C. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 3. Februar 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit hinsichtlich dieses Angeklagten von einer Strafaussetzung zur Bewährung abgesehen wurde.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und zur tateinheitlich begangenen Zuhälterei unter Einbeziehung der Strafe aus einem früher ergangenen Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, sechs Monaten und zwei Wochen verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel ist unbegründet, soweit es sich gegen den Schuldspruch und die Strafzumessung richtet (§ 349 Abs. 2 StPO); es führt aber zur Aufhebung des Urteils, soweit das Landgericht von eine Strafaussetzung zur Bewährung abgesehen hat.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Vollstreckung der Strafe könne nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, weil bei einer Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten keine besonderen Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vorlägen. Dafür genüge nicht, dass er nunmehr eine Anstellung im Sicherheitsgewerbe gefunden und nur Beihilfe zur Tat seines Bruders geleistet habe. Auch eine Gesamtschau aller Strafmilderungsgründe ergebe keine besonderen Umstände; denn der Angeklagte habe „in der Hauptverhandlung nicht ansatzweise den Eindruck erweckt, dass er das Unrecht seines strafbaren Verhaltens einsehe und dieses bereue oder dass er auch nur geringes Mitgefühl mit der Geschädigten Zeugin M. entwickelt“ habe.
2. Diese Begründung weist Rechtsfehler auf.
a) § 56 Abs. 1 und 2 StGB ermöglicht es dem Gericht, bei Vorliegen einer günstigen Legalprognose und besonderer, in der Tat oder der Persönlichkeit des Angeklagten liegender Umstände auch die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zur Bewährung auszusetzen. Dabei sind die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB vorrangig zu prüfen (vgl. Senat, Beschluss vom 9. April 2015 - 2 StR 424/14, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Sozialprognose 6). Daran fehlt es hier.
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet ferner die Bewertung des Eindrucks des Angeklagten in der Hauptverhandlung, obwohl dieser keine Angaben zur Sache gemacht hat. Es steht dem Angeklagten frei, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Macht er von seinem Schweigerecht Gebrauch, darf dies nicht zu seinem Nachteil gewertet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2015 - 3 StR 344/15, NStZ 2016, 220 f. mwN). Der unbefangene Gebrauch des Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der Angeklagte die Prüfung der Gründe hierfür befürchten müsste. Deshalb dürfen aus der Aussageverweigerung keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass das Landgericht dies verkannt hat.
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Ablehnung einer Strafaussetzung zur Bewährung auf den Rechtsfehlern beruht.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 1207
Externe Fundstellen: NStZ 2018, 229; StV 2018, 221
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner