HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 910
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 14/17, Urteil v. 14.06.2017, HRRS 2017 Nr. 910
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2016 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen Wohnungseinbruchdiebstahls und versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt, den Angeklagten N. wegen Wohnungseinbruchdiebstahls und versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie den Angeklagten S. wegen Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung. Hiergegen richtet sich die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts begaben sich die Angeklagten D. und N. am 7. Dezember 2015 - möglicherweise zusammen mit unbekannten weiteren Mittätern - mit einem angemieteten Pkw Opel Adam nach No. zu dem freistehenden Wohnhaus der Familie St., die verreist war. Sie planten, dass zumindest ein Täter über den Gartenzaun auf das Grundstück gelangen und durch Aufhebeln der Eingangs- oder einer Terrassentür in das Haus eindringen sollte, um stehlenswerte Gegenstände wegzunehmen. Der Angeklagte N. sollte die Tat auf einem Weg hinter dem Grundstück absichern und bei Annäherung von Passanten durch Pfeifen ein Warnsignal geben. D. stieg über den Gartenzaun auf das Grundstück und begab sich zu dem Wohnhaus. Kurz darauf näherte sich der Zeuge Sc., der seinen Hund ausführte. Der Angeklagte N. versuchte den Eindruck eines harmlosen Passanten zu erwecken, lief an dem Zeugen Sc. vorbei, drehte sich kurz danach um und lief hinter dem Zeugen her. Dann pfiff er mehrfach, worauf D. vom Tatort floh. Dabei brach eine Holzstrebe des Lattenzauns der Grundstücksumfriedung heraus. Für den Zeugen Sc. war damit klar, dass Einbrecher am Werk waren. Er eilte nach Hause und verständigte die Polizei. Die Angeklagten D. und N. erkannten, dass die weitere Tatausführung sinnlos sei und verließen deshalb den Tatort (Fall II.1. der Urteilsgründe).
b) Am Morgen des 14. Dezember 2015 trafen der Angeklagte S. und seine Ehefrau mit einem Bus in F. ein. Dort trennte sich das Paar, weil der Angeklagte S. erklärte, dass er noch etwas zu erledigen habe. Während seine Ehefrau nach K. weiterfuhr, traf sich der S. mit den Angeklagten D. und N. Sie fuhren mit dem angemieteten Pkw Opel Adam nach Ob. zu dem Reihenhaus der Zeugin O. Dort hebelten sie mit einem Schraubendreher die Terrassentür auf, drangen in das Haus ein und nahmen mehrere hundert Euro Bargeld, ferner Devisen und Schmuck an sich. Dann entfernten sie sich vom Tatort. Später wurden sie von der Polizei gestellt und festgenommen, wobei der größte Teil der Beute sichergestellt werden konnte. An der Terrassentür des Hauses der Zeugin O. war ein Sachschaden von 1.000 Euro entstanden (Fall II.2. der Urteilsgründe).
2. Das Landgericht hat die Taten als versuchten Wohnungseinbruchdiebstahl durch die Angeklagten N. und D. im Fall II.1. und vollendeten Wohnungseinbruchdiebstahl gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB durch alle drei Angeklagten im Fall II.2. der Urteilsgründe bewertet. Eine bandenmäßige Tatbegehung (§ 244a Abs. 1 StGB) hat es nicht festgestellt. Dafür seien keine hinreichenden Anhaltspunkte vorhanden. Auch wenn die Benutzung desselben Fahrzeugs und eine teilweise Identität der Täter in beiden Fällen festzustellen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Angeklagten in wechselnden Besetzungen mit unterschiedlichen weiteren Beteiligten Zugriff auf den bei beiden Taten verwendeten Pkw Opel Adam gehabt hätten. Der Vermieter des Fahrzeugs habe keinen der Angeklagten als Mieter bezeichnen können. Auch die zweimalige Zusammenarbeit der Angeklagten N. und D., in einem Fall unter weiterer Mitwirkung des Angeklagten S., sei kein hinreichendes Indiz für eine Bandenabrede.
Die Revision ist unbegründet.
1. Der Schuldspruch ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Rügen der Staatsanwaltschaft dagegen, dass die Strafkammer keine bandenmäßige Tatbegehung feststellen konnte, greifen nicht durch.
aa) Mit der Verfahrensrüge macht sie geltend, das Landgericht habe sich entgegen § 261 StPO nicht mit dem Inhalt eines in der Hauptverhandlung verlesenen polizeilichen Berichts vom 14. Dezember 2015 auseinandergesetzt. Danach war bei den Angeklagten neben der Diebesbeute im Fall II.2. der Urteilsgründe auch Einbruchswerkzeug sichergestellt worden.
Die Rüge ist unbegründet. Das Landgericht war nicht dazu gedrängt, die Tatsache, dass die Angeklagten Einbruchswerkzeug mitgeführt hatten, im Zusammenhang mit der Frage einer bandenmäßigen Tatbegehung zu erörtern. Die Gegenstände wurden nicht einer bestimmten Person zugeordnet und gaben auch hinsichtlich ihrer Zusammensetzung keinen aussagekräftigen Hinweis darauf, dass sie bei mehr als nur einem Diebstahl eingesetzt werden und einer Mehrzahl von Personen zur gemeinsamen Begehung einer Mehrzahl von Diebstahlstaten dienen sollte.
bb) Auch sachlichrechtlich ist die Annahme des Landgerichts, eine bandenmäßige Tatbegehung sei nicht festzustellen, nicht zu beanstanden.
(1) Das Landgericht hat nur feststellen können, dass sich die Angeklagten aus ihrer Heimatstadt kannten. Ihre konkrete Beziehung und Verbundenheit zueinander blieb offen. Ebenfalls war nicht zu klären, ob die Angeklagten bereits in der Vergangenheit gemeinsam Diebstahlstaten begangen hatten. Der Mitangeklagte S. kam zu der Tat im Fall II.2. der Urteilsgründe kurzfristig hinzu und war an dem vorangegangenen Diebstahlsversuch nicht beteiligt. Schließlich blieb offen, wer den bei den Taten benutzten Pkw Opel Adam angemietet hatte. Bei dieser Sachlage ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht aus den festgestellten Umständen nicht auf eine bandenmäßige Tatbegehung durch die Angeklagten geschlossen hat.
(2) Das Landgericht hat nicht verkannt, dass sich das bei den abgeurteilten Taten verwendete Mietfahrzeug nach den Datenaufzeichnungen des Navigationsgeräts zeitnah in Tatortnähe zu einer Serie von Wohnungseinbrüchen in M. am 6. Dezember 2015 befunden hatte. Auch dies ergab kein aussagekräftiges Indiz für eine bandenmäßige Tatbegehung durch die Angeklagten. Die Täter jener Wohnungseinbrüche blieben unbekannt. Der Beweisschluss des Landgerichts, dass die Angeklagten in wechselnder Besetzung an verschiedenen Taten beteiligt und auch Dritte den angemieteten Pkw Opel Adam benutzt haben konnten, ist möglich und weist nicht auf überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Tatgerichts hin, zumal keiner der Angeklagten als Mieter des Fahrzeugs identifiziert werden konnte.
(3) Soweit die Beschwerdeführerin ergänzend darauf verwiesen hat, bei den abgeurteilten Taten habe sich eine „eingespielte Vorgehensweise“ der Angeklagten und ein planvolles Vorgehen gezeigt, ist dies ebenfalls kein Indiz, welches von Rechts wegen einen Schluss auf eine bandenmäßige Tatbegehung gebietet. Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2001 - GSSt 1/00, BGHSt 46, 321, 325). Bei der Tat am 7. Dezember 2015 waren zwei, bei der Tat am 14. Dezember 2015 alle drei Angeklagten beteiligt. Diese Feststellung und die Vorgehensweise bei der Tat zwingen nicht zu der Annahme, dass sich die drei Angeklagten zur wiederholten Begehung gleichartiger Taten zusammengeschlossen hatten. Der Schluss des Landgerichts darauf, dass die Angeklagten in wechselnder Beteiligung, möglicherweise im Zusammenwirken mit unbekannten Dritten, die Taten begangen haben, ist jedenfalls möglich.
b) Soweit das Landgericht nicht erörtert hat, ob tateinheitlich versuchte oder vollendete Sachbeschädigung vorgelegen hat, ist dies kein Rechtsfehler.
Gesetzeseinheit zwischen Diebstahl, der mit einem Einbruch begangen wird, und Sachbeschädigung scheidet zugunsten der Klarstellungsfunktion von Tateinheit aus, wenn die Sachbeschädigung bei konkreter Betrachtung von dem regelmäßigen Ablauf eines Einbruchdiebstahls oder Wohnungseinbruchdiebstahls abweicht, von einem eigenständigen Unrechtsgehalt geprägt ist und sich nicht als typische Begleittat erweist (vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2001 - 1 StR 470/00, NJW 2002, 150, 151). Dies wird insbesondere dann angenommen, wenn der Schaden durch Sachbeschädigung über denjenigen durch Diebstahl deutlich hinausgeht (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2013 - 1 StR 332/13, NStZ 2014, 40). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
2. Auch der Strafausspruch begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Allerdings hat das Landgericht die Frage nicht erörtert, ob die Angeklagten bei der Begehung der abgeurteilten Taten gewerbsmäßig gehandelt haben. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB tritt zwar hinter § 244 StGB zurück. Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung kann aber gegebenenfalls als Strafzumessungsaspekt berücksichtigt werden. Das Landgericht war jedoch nach den getroffenen Feststellungen und der Ablehnung des Vorliegens einer bandenmäßigen Tatbegehung nicht zur Erörterung der Frage der Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung als subjektivem Moment gedrängt.
Von Gewerbsmäßigkeit ist auszugehen, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Liegt diese Absicht vor, ist bereits die erste Tat als gewerbsmäßig begangen einzustufen, auch wenn es entgegen der ursprünglichen Absicht des Täters nicht zu weiteren Taten kommt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 181). Ob eine solche Absicht bei den Angeklagten zur Tatzeit vorhanden war, ließ sich den Feststellungen des Landgerichts aber nicht entnehmen. Es konnte die Motivlage der Angeklagten zur Zeit der beiden abgeurteilten Taten nicht klären. Zur Indiztatsache einer früheren gemeinsamen Begehung von Diebstahlstaten konnte es keine konkreten Feststellungen treffen. Der äußere Ablauf der abgeurteilten Taten allein ergibt keinen sicheren Nachweis dafür, dass die Angeklagten jeweils entschlossen waren, weitere Diebstähle zu begehen, um sich eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Der Diebstahlsversuch in No. war fehlgeschlagen, der vollendete Einbruchdiebstahl in Ob. ergab nur eine begrenzte Beute. Bei dieser Sachlage hat sich dem Landgericht die Erörterung der Gewerbsmäßigkeit der Diebstahlshandlungen nicht aufgedrängt.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 910
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2017, 340
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede