HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 195
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, StB 36/16, Beschluss v. 15.12.2016, HRRS 2017 Nr. 195
Die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. September 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschuldigten und weitere Mitbeschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Gründung einer, der Mitgliedschaft in einer und der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung und anderer Straftaten. Der Beschuldigte wird verdächtigt, sich spätestens seit dem 16. Juni 2012 zunächst mit zwei, später mit bis zu vier der Mitbeschuldigten zu einer Personenvereinigung zusammengeschlossen zu haben, um als Betreiberteam über das Internetportal „A.“ in Umsetzung ihrer rechtsextremistischen Überzeugung fortlaufend und in anonymer Form strafrechtlich relevante Inhalte, insbesondere volksverhetzende Äußerungen, zu verbreiten. Der Beschuldigte sei zunächst unter dem Benutzernamen „F. ", ab dem 30. August 2012 unter dem Benutzernamen „Fr.“ für das Portal als die Inhalte prüfender und bearbeitender Moderator tätig gewesen. Am 24. November 2013 sei er aus der Vereinigung ausgeschieden.
Auf den Antrag des Generalbundesanwalts hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 16. September 2016 (3 BGs 254/16) die Durchsuchung der Person des Beschuldigten, der von ihm genutzten Wohn- und Nebenräume sowie des auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeugs nach näher beschriebenen Beweis- und Tatmitteln angeordnet. Die Durchsuchung ist am 5. Oktober 2016 vollzogen worden; die Durchsicht aufgefundener Datenträger dauert noch an.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 7. Oktober 2016 hat der Beschuldigte Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegt, die er mit dessen Schriftsatz vom 2. November 2016 begründet hat. Er macht geltend, dass gegen ihn bei Anordnung der Durchsuchung kein diese Maßnahme rechtfertigender Verdacht bestanden habe; die Annahme, dass es sich bei ihm um den ehemals für das Internetportal „A.“ tätigen Moderator mit dem Benutzernamen „Fr.“ handele, beruhe vielmehr allein auf vagen Anhaltspunkten und bloßen Vermutungen.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 304 Abs. 5, § 306 Abs. 1 StPO) Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Voraussetzungen für den Erlass der Durchsuchungsanordnung (§§ 102, 105 StPO) lagen vor.
Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer an dieser Tat in Betracht kommt. Eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf es - unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit - nicht (st. Rspr.; vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05, NJW 2007, 1443; Senat, Beschlüsse vom 18. Dezember 2008 - StB 26/08, NStZ-RR 2009, 142, 143; vom 12. August 2015 - StB 8/15, NStZ 2016, 370).
Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Beweislage zunächst im Hinblick auf die Organisation und den Zweck des Zusammenschlusses der Personen, die das Internetportal „A.“ als Administratoren und Moderatoren betrieben, als ausreichend. Insoweit beruht der Verdacht insbesondere auf der Auswertung einer gesicherten Datenbank, daneben unter anderem auch auf den Angaben der beiden Mitbeschuldigten V. und K. .
Aber auch im Hinblick auf die mitgliedschaftliche Beteiligung des Beschuldigten war ein auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützter konkreter Verdacht gegeben, dass dieser zumindest vom 16. Juni 2012 bis zum 24. November 2013 derjenige für bestimmte Inhalte verantwortliche Moderator für das Portal war, der unter den Benutzernamen „F.“ und „Fr.“ auftrat. Das ergibt sich aus Folgendem:
Nach Aktenlage konnte als weitgehend gesichert gelten, dass der Beschuldigte unter dem Benutzernamen „Fr.“ in den rechtsextremistischen Internetforen „T.“ (seit dem Jahr 2007) und „N.“ (seit dem Jahr 2011) aktiv war. Neben den individualisierenden Angaben zur Person des Benutzers „Fr.“ in den dortigen Einträgen rechtfertigt diese Annahme insbesondere seine Registrierung mit der - sprechenden - E-Mail-Adresse „h. ", unter der bei den Internetdienstleistern Ebay und PayPal personalisierte Daten von ihm (Vor- und Zuname sowie damalige Adresse) hinterlegt waren. Die Verdachtslage hat der Ermittlungsrichter im Einzelnen dargelegt, ohne dass der Beschwerdeführer Einwendungen hiergegen erhoben hätte.
Ebenso bestand nach Aktenlage der Verdacht, dass es sich bei dem Benutzer „F.“ bzw. „Fr. ", der als Moderator für das Internetportal „A.“ tätig war, desgleichen um den Beschuldigten handelte. Darauf weist nicht nur die Ähnlichkeit bzw. Gleichheit des Benutzernamens hin, sondern auch die Angaben, mit denen sich der Benutzer dort am 21. Januar 2012 vorstellte, er „gehe langsam, aber sicher auf die 30 zu“ und stamme „gebürtig aus ... L. ". Auch die anderweitigen Aktivitäten in rechtsextremistischen Internetforen bieten einen Anhalt. Sie lassen den Schluss auf eine rechtsextremistische Gesinnung zu. So gab der Benutzer „Fr.“ beispielhaft auf dem Portal „N.“ kund: „NS Weltanschauung setze ich als vorraus“.
Dem Beschwerdeführer ist nicht darin zu folgen, dass dem Benutzernamen „Fr.“ kein Beweiswert zukomme, weil seine Wahl „naheliegend für Nutzer eines Internetangebots politischer Art“ sei. Auch wenn es originellere Namensschöpfungen geben mag, kommt diesem Umstand erhebliche Indizwirkung zu. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass die Angabe, der Benutzer „Fr.“ komme „gebürtig ... aus L. ", dafür spreche, dass er zum Zeitpunkt der Abfassung des Beitrages dort nicht mehr gewohnt habe, verfängt ebenso wenig. Der Benutzer „Fr.“ hatte schon im Forum „T. ", als der Beschuldigte gleichfalls in L. gemeldet war, angegeben, er stamme dorther. Dass der Benutzer „Fr.“ auf dem Internetportal „A.“ unter einem anderen Geburtsdatum ( 1983 statt 1985) registriert war, könnte indes zwanglos mit dem Zweck der Personenvereinigung erklärt werden, strafrechtlich relevante Inhalte zu verbreiten, so dass Vorkehrungen gegen seine Identifizierung nahe lagen. Auch dass der Benutzer „Fr.“ bei „A.“ nicht mit der E-Mail-Adresse „h. ", sondern mit zwei anderen E-Mail-Adressen registriert war, kann seine Ursache in einer derartigen Besorgnis haben. Darüber hinaus geht auch aus der Auskunft des Internetdienstleisters PayPal hervor, dass die dort mit den Personalien des Beschuldigten registrierte Person verschiedene E-Mail-Adressen verwendete.
Im Übrigen verweist der Senat auf die Stellungnahme des Generalbundesanwalts im Schreiben vom 11. November 2016 und auf den dort in Bezug genommenen Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 3. November 2016 über die Bestätigung der vorläufigen Sicherstellung von Datenträgern und -speichern sowie deren Spiegelungen, denen der Beschwerdeführer nicht mehr entgegengetreten ist und die sich der Senat zu Eigen macht.
Auch wenn unter Berücksichtigung sämtlicher benannter Umstände auch die Möglichkeit besteht, dass der Beschuldigte nicht tatbeteiligt war, lassen sie doch als tatsachenfundierte Indizien in der Gesamtschau - in Anbetracht ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung - den Tatverdacht zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung als genügend konkret erscheinen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Tatbeteiligung wird, wie dargelegt, von § 102 StPO gerade nicht vorausgesetzt.
2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war gewahrt. Die Anordnung der Durchsuchung war geeignet, zur Klärung des Tatverdachts beizutragen und Tatmittel aufzufinden. Gegenüber der Durchsuchung stand außerdem kein gleich wirksames milderes Mittel zur Verfügung. Schließlich stand die Durchsuchungsanordnung in einem angemessenen Verhältnis zur Stärke des bestehenden Tatverdachts.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 195
Bearbeiter: Christian Becker