HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 315
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, StB 3/16, Beschluss v. 10.03.2016, HRRS 2016 Nr. 315
Die Beschwerde des Angeklagten gegen die sitzungspolizeiliche Maßnahme der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf vom 12. Januar 2016 (III-7 StS 2/15) wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Der Angeklagte befindet sich wegen des dringenden Tatverdachts, er habe durch fünf Handlungen jeweils eine Vereinigung im außereuropäischen Ausland unterstützt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (strafbar gemäß § 129a Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB), auf Grund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 10. November 2014 (2 BGs 536/14) seit dem 12. November 2014 in Untersuchungshaft. Die Hauptverhandlung gegen ihn und sechs Mitangeklagte vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf hat am 10. Februar 2016 begonnen.
Bereits mit sitzungspolizeilicher Anordnung vom 12. Januar 2016 hatte die Vorsitzende des 7. Strafsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf angeordnet, dass die in den Sitzungssälen vorhandene, bauseits angebrachte und mit Sprechstellen versehene Trennscheibe, durch die die Angeklagten von den übrigen Verfahrensbeteiligten getrennt werden, auch im Verfahren gegen den Angeklagten Verwendung finden soll. Den Antrag des Verteidigers, stattdessen eine Trennscheibe am Tisch der Verteidigung zwischen dem Sitzplatz des Angeklagten und dem des Verteidigers einzurichten, hat die Vorsitzende durch Beschluss vom 2. Februar 2016 abgelehnt. Die nicht datierte, am ersten Hauptverhandlungstag in der Sitzung vom 10. Februar 2016 erhobene Beschwerde gegen die sitzungspolizeiliche Anordnung hat sie als Gegenvorstellung behandelt und diese zurückgewiesen; im Übrigen hat sie die Beschwerde dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Dabei kann der Senat (erneut) offen lassen, ob - entsprechend der herrschenden Auffassung (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 14. Oktober 2009 - 1 BvR 2436/09, AfP 2009, 581, 582; vom 17. April 2015 - 1 BvR 3276/08, NJW 2015, 2175, 2176 mwN) - sitzungspolizeiliche Maßnahmen im Sinne von § 176 GVG überhaupt der Anfechtung unterliegen oder ob sie nicht - in Übereinstimmung mit dem historischen Gesetzgeber (vgl. Hahn, Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 1, S. 883, 976) - der Beschwerde entzogen sind (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2015 - StB 10+11/15, NJW 2015, 3671 mwN).
Denn auch bei Annahme der grundsätzlichen Anfechtbarkeit sitzungspolizeilicher Maßnahmen würde sich diese nach den allgemeinen Vorschriften über die Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO richten, mit der alle richterlichen Entscheidungen angegriffen werden können, sofern sie nicht ausdrücklich von der Anfechtbarkeit ausgenommen sind. Eine solche generelle Ausnahme beinhaltet § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 StPO für Verfügungen und Beschlüsse der Oberlandesgerichte. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Oberlandesgerichte erstinstanzlich tätig werden, sieht § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO zwar wiederum einen Katalog von Rückausnahmen vor; diesem Katalog unterfällt die hier angegriffene sitzungspolizeiliche Anordnung der Vorsitzenden des 7. Strafsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf indes nicht.
Soweit der Beschwerdeführer meint, die Trennscheibenanordnung müsse hier der Beschwerde unterliegen, weil mit ihr eine „derart weitgehende Beschränkung der Verteidigung“ einhergehe, dass sie mit den anfechtbaren Maßnahmen im Sinne von § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO vergleichbar sei, ist dies nicht nachzuvollziehen:
Die von § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO erfassten Fälle betreffen mit der Verhaftung, der Durchsuchung oder bestimmten geheimen Ermittlungsmaßnahmen besonders eingriffsintensive Maßnahmen (Nr. 1), die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder die Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses (Nr. 2), die Verhandlung in Abwesenheit eines Angeklagten (Nr. 3), die Akteneinsicht (Nr. 4) und Entscheidungen, die den Widerruf einer Strafaussetzung oder des Straferlasses betreffen (Nr. 5). Eine allenfalls im engsten Rahmen in Betracht kommende analoge Anwendung der nach ständiger Rechtsprechung restriktiv auszulegenden Ausnahmeregelung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 304 Rn.12 mwN) kommt nur in Betracht, wenn die angegriffenen Entscheidungen -insbesondere im Hinblick auf die durch sie beeinträchtigten Rechtspositionen -mit den im Katalog dieser Vorschrift genannten vergleichbar sind (vgl. BGH aaO).
Für Anordnungen, die lediglich den Vollzug der Untersuchungshaft betreffen, wird eine solche Vergleichbarkeit abgelehnt (BGH, Beschluss vom 12.Januar 2012 -StB 19/11, BGHR StPO §304 Abs.5 Verhaftung 5; KK/Zabeck, StPO, 7. Aufl., § 304 Rn.7 mwN). Nichts anderes gilt hier hinsichtlich der Verfügung, mit der die Verwendung der bauseits angebrachten und mit Sprechstellen versehenen Trennscheibe, durch die die Angeklagten von den übrigen Verfahrensbeteiligten getrennt werden, auch im Verfahren gegen den Angeklagten angeordnet worden ist, betrifft sie doch nur die Ausgestaltung der räumlichen Anordnung der Sitzplätze des Angeklagten und seines Verteidigers während der Durchführung der Hauptverhandlung. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Verteidigung ist damit auch mit Blick auf die räumlichen Gegebenheiten in den Sitzungssälen des Oberlandesgerichts Düsseldorf, die dem Senat aus eigener Anschauung bekannt sind, nicht verbunden.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 315
Bearbeiter: Christian Becker