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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 925

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, StB 12/16, Beschluss v. 11.08.2016, HRRS 2016 Nr. 925


BGH StB 12/16 - Beschluss vom 11. August 2016 (KG Berlin)

Anforderungen an den Tatverdacht bei der Telekommunikationsüberwachung (Verdachtsgrad; Katalogtat; tatsachengestützte Annahme; kriminalistische Erfahrung; Konkretisierung und Verdichtung; Ermittlungs- und Erkenntnisstand; Beurteilungsspielraum der anordnenden Stelle; Beweiswert von Textvergleichen; „Personenraster“ für Mitglieder einer bestimmten Gruppe; terroristische oder kriminelle Vereinigung).

§ 100a StPO; § 129 StGB; § 129a StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. § 100a StPO erfordert einen einfachen Tatverdacht, der allerdings auf bestimmten Tatsachen beruhen muss. Dabei sind mit Blick auf das Gewicht des in Rede stehenden Grundrechtseingriffs Verdachtsgründe notwendig, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Der Verdacht muss vielmehr durch schlüssiges Tatsachenmaterial bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht haben, so dass nach der Lebenserfahrung bzw. der kriminalistischen Erfahrung erhebliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Katalogtat - hier: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung („militante gruppe“) - begangen hat (vgl. zum Ganzen bereits BGH HRRS 2010 Nr. 496).

2. Dass eine Person unter ein „Personenraster“ fällt, das für Mitglieder einer bestimmten (potenziell) terroristischen oder kriminellen Vereinigung erstellt wurde, hat regelmäßig jedenfalls dann keine tragfähige Aussagekraft für den Tatverdacht, wenn die aufgezeigten Kriterien zu einem Großteil allgemein gehalten und folglich auf eine nicht unerhebliche Zahl von Personen anwendbar sind.

Entscheidungstenor

Auf die sofortige Beschwerde des früheren Beschuldigten wird der Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 13. November 2015 aufgehoben, soweit der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung sowie der Art und Weise ihres Vollzugs folgender verdeckter Ermittlungsmaßnahmen als unbegründet zurückgewiesen worden ist:

Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen:

Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom

- 9. Oktober 2006 (1 BGs 134/2006) und 5. Januar 2007 (1 BGs 2/2007), soweit sie die Überwachung der Telefonanschlüsse Nr., , (ISDNFolgenummern , ), und (HomeZoneNr.: ) sowie der E-Mail-Adresse zum Gegenstand haben;

- 25. Oktober 2006 (1 BGs 151/2006);

- 5. Januar 2007 (1 BGs 3/2007);

- 15. Februar 2007 (1 BGs 41/2007);

- 2. März 2007 (1 BGs 67/2007);

- 7. März 2007 (1 BGs 74/2007) und 5. Juni 2007 (1 BGs 261/2007), soweit sie die Überwachung der Telefonanschlüsse Nr., (ISDNFolgenummern , ) und zum Gegenstand haben;

Observationsmaßnahmen (zum Teil unter Einsatz technischer Mittel):

- Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 19. Januar 2007 (1 BGs 21/2007), 11. April 2007 (1 BGs 123/2007) und 17. Juli 2007 (1 BGs 335/2007), soweit sich diese gegen den Beschwerdeführer richteten;

- Verfügungen des Generalbundesanwalts vom 24. November 2006, 22. Januar 2007, 19. April 2007 und 18. Juli 2007, soweit sich diese gegen den Beschwerdeführer richteten.

Es wird festgestellt, dass die genannten Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs und Verfügungen des Generalbundesanwalts in dem vorbezeichneten Umfang rechtswidrig waren.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird verworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Verfahrens zu 1/4, die Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird um 3/4 reduziert; die dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen fallen zu 3/4 der Staatskasse zur Last; im Übrigen trägt der Beschwerdeführer seine Auslagen selbst.

Gründe

I.

Der Generalbundesanwalt führte gegen den Beschwerdeführer sowie die Mitbeschuldigten Dr. B., Dr. H. und M. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der als terroristische Vereinigung bewerteten linksextremistischen Organisation „militante gruppe (mg)", die sich zu zahlreichen Brandanschlägen seit dem Jahr 2001 bekannt hatte. In der Zeit vom 9. Oktober 2006 bis zum 24. September 2007 wurden gegen den Beschwerdeführer und die früheren Mitbeschuldigten zahlreiche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen angeordnet und durchgeführt; von den gegen die früheren Mitbeschuldigten gerichteten Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung war der Beschwerdeführer teilweise mittelbar betroffen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die dem Schreiben des Generalbundesanwalts vom 16. Dezember 2008 beigefügte Aufstellung Bezug genommen. Nachdem der Senat in seinem Beschluss vom 28. November 2007 (StB 43/07, BGHSt 52, 98) ausgeführt hatte, eine Strafbarkeit der Mitglieder der „militante gruppe“ nach § 129a StGB komme nach der Umgestaltung der Norm durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und zur Änderung anderer Gesetze vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2836) nicht in Betracht, änderte der Generalbundesanwalt mit Verfügung vom 29. November 2007 (SA Band 1 Ordner 1, Bl. 99) das Verfahrensrubrum dahin, dass gegen die früheren Beschuldigten und unbekannt wegen Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung „militante gruppe“ gemäß § 129 StGB u. a. ermittelt werde.

Mit Verfügungen vom 23. Juni 2009 (Band 2 Ordner 3, Bl. 186) stellte der Generalbundesanwalt das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer und die damaligen Mitbeschuldigten Dr. B. und M. nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO ein; die Einstellung des gegen den früheren Mitbeschuldigten Dr. H. gerichteten Ermittlungsverfahrens verfügte er am 5. Juli 2010 (Band 2 Ordner 5, Bl. 514). Zur Begründung der Einstellungen führte er näher aus, dass die verdeckten Ermittlungsmaßnahmen den Anfangsverdacht gegen die früheren Beschuldigten nicht erhärtet hätten; sie hätten keine belastbaren Hinweise dafür erbracht, dass diese an konkreten Straftaten oder der Abfassung bestimmter Texte der Vereinigung unmittelbar beteiligt gewesen seien.

Der Generalbundesanwalt hat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 16. Dezember 2008 über die gegen ihn angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen unterrichtet und auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes hingewiesen. Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 5. Januar 2009 hat der Beschwerdeführer beantragt, die Rechtswidrigkeit der ihm mitgeteilten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen sowie der Art und Weise ihres Vollzugs festzustellen.

Das Kammergericht Berlin hat diesen Antrag mit Beschluss vom 13. November 2015 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, der Ermittlungsrichter habe auf Grundlage des damaligen Ermittlungs- und Erkenntnisstandes bei der zeitlich ersten Anordnung der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen seinen Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Vorliegens eines gegen den Beschwerdeführer bestehenden Anfangsverdachts nicht überschritten. Ausgangspunkt sei dabei der Auswertungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 14. August 2006, der sich insbesondere mit einem von dem früheren Mitbeschuldigten Dr. B. im Jahr 1998 veröffentlichten Artikel “ " befasse. Bei einem Vergleich dieses Artikels mit Texten der „militante gruppe“ fielen sprachliche Übereinstimmungen - die für sich allerdings nur ein schwaches Indiz für eine Verbindung zu der Vereinigung begründeten - und deutliche inhaltliche Parallelen bei der Ausrichtung auf spezifische militärische Themen auf. Zudem habe der frühere Mitbeschuldigte Dr. B. auch das vom Bundeskriminalamt entwickelte Profil eines potentiellen Mitglieds der „militante gruppe“ erfüllt. Diese Umstände begründeten einen Anfangsverdacht gegen den früheren Mitbeschuldigten Dr. B. jedenfalls im Hinblick auf dessen Unterstützung der „militante gruppe“. Insbesondere aufgrund der im Auswertungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 14. August 2006 dargelegten engen persönlichen und politischen Beziehungen des früheren Mitbeschuldigten Dr. B. zu dem Beschwerdeführer sowie den früheren Mitbeschuldigten Dr. H. und M. ließen die weiteren im Auswertungsbericht zusammengetragenen Umstände auch den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer die „militante gruppe“ unterstützt habe und möglicherweise Mitglied der Vereinigung gewesen sei. Die weiteren Verdachtsmomente hat das Kammergericht Berlin darin gesehen, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit dem früheren Mitbeschuldigten Dr. B. in der „nolympia"-Bewegung aktiv gewesen sei, von ihm konspirativ gehaltene Telefongespräche mit den mutmaßlichen Mitbegründern der „militante gruppe“ F. und Ha. bekannt seien und er im Juni 2005 in der Zeitschrift „j.“ über einen im Jahr 1972 fehlgegangenen Anschlag der terroristischen Vereinigung „RZ“ berichtet habe, wobei dieser Anschlag auch in einem Text der „militante gruppe“ vom Frühjahr 2005 thematisiert worden sei.

Gegen diesen, dem Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 23. November 2015 zugestellten Beschluss des Kammergerichts richtet sich die am 30. November 2015 eingelegte sofortige Beschwerde. Diese macht geltend, es habe zu keinem Zeitpunkt während des Ermittlungsverfahrens ein Tatverdacht bestanden, der über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausgereicht habe.

II.

Das gemäß § 101 Abs. 7 Satz 3, § 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend Erfolg. Soweit sich die angeordneten und durchgeführten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen unmittelbar gegen den Beschwerdeführer richteten, waren sie rechtswidrig, weil zum Zeitpunkt ihrer Anordnung ein ausreichender Tatverdacht gegen diesen nicht bestand. Mangels eines tragfähigen gegen den Mitbeschuldigten Dr. B. gerichteten Tatverdachts gilt dies entsprechend, soweit der Beschwerdeführer von der gegen diesen gerichteten Überwachung der Telekommunikation mittelbar betroffen war. Hingegen sind die Maßnahmen - auch wegen der Art und Weise ihres Vollzugs - nicht zu beanstanden, soweit die Anordnungen gegen die früheren Mitbeschuldigten M. und - insoweit allerdings erst seit dem 7. März 2007 - Dr. H. ergangen waren. Im Einzelnen:

1. Die Anordnung der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gegen den Beschwerdeführer war rechtswidrig. Es bedarf daher keiner weiteren Entscheidung, ob auch die Art und Weise des Vollzugs rechtswidrig war (BGH, Beschluss vom 11. März 2010 - StB 16/09, NStZ 2010, 711).

a) Hinsichtlich der Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation (§ 100a StPO aF) gilt:

Die Maßnahmen setzten nach § 100a StPO in der damals geltenden Fassung - soweit hier von Relevanz - voraus, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, der Beschuldigte habe als Täter oder Teilnehmer eine Straftat nach §§ 129, 129a StGB oder eine sonstige Katalogtat begangen. Die Norm verlangt danach - insoweit in Übereinstimmung mit der heute geltenden Fassung - keinen bestimmten Verdachtsgrad; der Tatverdacht muss daher insbesondere weder hinreichend im Sinne des § 203 StPO noch gar dringend im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO sein. Vielmehr erfordert § 100a StPO nur einen einfachen Tatverdacht, der allerdings auf bestimmten Tatsachen beruhen muss. Dabei sind mit Blick auf das Gewicht des in Rede stehenden Grundrechtseingriffs Verdachtsgründe notwendig, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen; der Verdacht muss sich auf eine hinreichende Tatsachenbasis gründen und mehr als nur unerheblich sein. Es müssen solche Umstände vorliegen, die nach der Lebenserfahrung, auch der kriminalistischen Erfahrung, in erheblichem Maße darauf hindeuten, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine Katalogtat begangen hat; erforderlich ist, dass der Verdacht durch schlüssiges Tatsachenmaterial bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht hat. Den die Maßnahme anordnenden Stellen steht bei der Prüfung des Tatverdachts ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Maßstab für die auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit beschränkte Prüfung nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO ist insoweit, ob die genannten Stellen diesen Beurteilungsspielraum gewahrt oder überschritten haben. Die Tatsachengrundlage hierfür bietet der jeweilige damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand (vgl. zu alledem BGH, Beschluss vom 11. März 2010 - StB 16/09, NStZ 2010, 711 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

aa) Bei der ersten Anordnung der Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs einschließlich der damit verbundenen Übermittlung der Verbindungsdaten durch den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. Oktober 2006 (1 BGs 134/2006) lag ein nach dem dargelegten Maßstab ausreichender Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer nicht vor.

(1) Der damalige Ermittlungs- und Erkenntnisstand stellte sich im Wesentlichen wie folgt dar:

Am 14., 20. und 21. Juni 2001 gingen bei dem Regierungsbeauftragten für die Entschädigung der Zwangsarbeiter und den Repräsentanten der „Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft“ drei gleichlautende Schreiben mit der Überschrift „Auch Kugeln markieren einen Schlussstrich …" ein, denen jeweils eine scharfe Kleinkaliberpatrone beigelegt war. Die einseitige Erklärung war unterzeichnet mit „militante gruppe (mg), 12.6.01". Am 22. Juni 2001 verübten unbekannte Täter einen Brandanschlag auf ein Kraftfahrzeug der Daimler Benz-Niederlassung in Berlin-Marienfelde. In anschließend bei verschiedenen Presseorganen eingegangenen Schreiben bekannten sich Mitglieder der „militante gruppe“ zu der Tat und begründeten sie mit der Rolle des Daimler-Chrysler-Konzerns bei der Entschädigung von Zwangsarbeitern. Daneben bezogen sich die Verfasser auf die dargelegten Drohschreiben.

Es folgten zahlreiche Brandanschläge, mit denen die „militante gruppe“ ein politisches und gesellschaftliches Klima schaffen wollte, das zur Abschaffung der gegenwärtigen Verhältnisse und der Errichtung einer neuen Gesellschaftsordnung führen sollte. Die Gruppierung verübte ihre Anschläge überwiegend im Großraum Berlin. Diese betrafen aus Sicht der Vereinigung die Themenkreise „Sozialproblematik“, „Antiimperialismus“ und „Repression“. Anschlagsziele waren zumeist Gebäude oder Kraftfahrzeuge von Arbeits-, Sozial-, Ordnungs- und Finanzämtern, von Polizei-, Bundeswehr- oder Justizeinrichtungen sowie von Wirtschaftsunternehmen und -verbänden. Die „militanten Aktionen“ ereigneten sich in der Regel zwischen 0:00 Uhr und 3:00 Uhr nachts. Zu allen ihren Anschlägen bekannte sich die „militante gruppe“ in Selbstbezichtigungsschreiben und begründete diese eingehend. Die Bekennerschreiben wurden in der linksextremistischen Szenezeitschrift „I.“ veröffentlicht und in der Regel auch an verschiedene Tageszeitungen versandt; teilweise wurden sie am Tatort hinterlassen. Auch in weiteren Texten, die unter anderem in dem Szeneblatt „r.“ veröffentlich wurden, äußerte sich die „militante gruppe“.

Im August 2006 verfasste das Bundeskriminalamt einen Bericht über die mögliche Einbindung des früheren Mitbeschuldigten Dr. B. in die „militante gruppe“. Ausgangspunkt des Auswertungsberichtes vom 14. August 2006 war der von Dr. B. verfasste und im Jahr 1998 veröffentlichte Artikel “ ". Das Bundeskriminalamt kam zum Ergebnis, dass der Text in auffallender Häufigkeit Schlagwörter und Phrasen verwende, die auch in den Schriften der „militante gruppe“ zu finden seien. Auffällig sei zudem die kritiklose und glorifizierende Übernahme militärischer Argumentationsmuster, was stark an deren Texte erinnere. Nach Auffassung des Bundeskriminalamtes gab es in der linken Szene nur wenige Autoren, die in dieser Art und Weise solch spezielle Themen behandelten und argumentativ ausstatteten. Zudem hatte das Bundeskriminalamt aus den Texten der „militante gruppe“ ein Personenraster entwickelt, dessen Voraussetzungen der frühere Mitbeschuldigte Dr. B. vollständig erfüllte. Hiervon ausgehend hatte das Bundeskriminalamt Ermittlungen im Umfeld des früheren Mitbeschuldigten Dr. B. angestellt; als bedeutsam sah es die personelle Verflechtung zwischen Dr. B., dem Beschwerdeführer, den früheren Mitbeschuldigten Dr. H. und M. sowie Herrn W. an.

So hatten die früheren Mitbeschuldigten Dr. B. und Dr. H. im Jahr 2004 einen Artikel über die „Gentrification“ in Ostdeutschland veröffentlicht. Dr. H. hatte zudem nach dem Bundeskriminalamt vorliegenden, im Auswertungsbericht vom 14. August 2006 indes nicht näher erörterten Erkenntnissen unter anderem Kontakt zu zahlreichen Führungspersonen in der linksextremistischen Szene und beteiligte sich an den Vorbereitungen zu den Protesten gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. Ermittlungsergebnisse aus einem gegen M. gesondert geführten Ermittlungsverfahren belegten, dass Dr. H. auch mit diesem in Verbindung stand. Ebenso bestand eine anhand eines Zeitungsartikels nachzuvollziehende Bekanntschaft zu dem Beschwerdeführer. Dieser hatte seinerseits zudem im Juni 2005 in der Zeitschrift „j.“ den Artikel “ " veröffentlicht, in dem er über den kurze Zeit zuvor in Berlin stattgefundenen Kongress „In Bewegung bleiben“ und in diesem Zusammenhang über ein im Jahre 1972 fehlgegangenes Attentat berichtet hatte; dieser Anschlag war bereits in einem Ende Februar 2005 veröffentlichten Text der „militante gruppe“ thematisiert worden. Dem Bundeskriminalamt war weiter bekannt, dass gegen den Beschwerdeführer und den früheren Mitbeschuldigten Dr. B. schon im Juli 1992 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, weil diese Plakate mit der Aufschrift „nolympia“ an Litfaßsäulen geklebt hatten. Aus dem seit dem Jahre 2001 gegen F. und Ha. wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der „militante gruppe“ geführten Ermittlungsverfahren waren ferner Telefonate des Beschwerdeführers mit diesen Personen bekannt, deren Gegenstand gemeinsame Treffen waren. Auch gegen den früheren Mitbeschuldigten M. war bereits im Jahre 2005 ein gesondertes Ermittlungsverfahren geführt worden. Im Rahmen einer Durchsuchung seiner Gartenlaube hatten Ermittlungsbeamte am 3. März 2005 ca. 600 versandfertige Exemplare der „r.“ Nr. 157 und daneben eine Vielzahl elektronischer Bauteile aufgefunden, mit denen Zündvorrichtungen für Brandsätze hergestellt werden konnten. Am 7. März 2005 wurde die Wohnung von M. durchsucht. Hierbei stellten die Ermittlungsbeamten einen PC sicher, welcher in früheren Jahren offensichtlich bei der P. F. der H. Universität im Einsatz gewesen war und unter anderem frühere Dateien von Dr. H. enthielt. Auf dem Rechner gespeichert war zudem ein E-Mail-Verkehr von M. mit dessen früherer Freundin. Aus diesem ergab sich, dass er in Bereichen agierte, von denen er seiner Freundin trotz laufender Beziehung keine Einzelheiten mitteilen wollte („ominöse Freunde“, „klandestine Bereiche"; vgl. Sachstandsbericht vom 16. April 2007, Bd. 2, Ordner 6, Bl. 101, 121 f.). Schließlich fanden sich Disketten, deren Inhalt darauf schließen ließ, dass er bei der „r.“ mitwirkte, und ein Text, der seinem Inhalt nach mit hoher Wahrscheinlichkeit der „mg“ zuzurechnen war (Sachstandsbericht vom 16. April 2007, Bd. 2.4, Ordner 6, Bl. 101, 127).

Weitere Ermittlungen ergaben im Februar 2007, dass der frühere Mitbeschuldigte Dr. H. vermehrt von einem Internet-Café aus mit dem gesondert verfolgten - und später wegen Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung „militante gruppe“ rechtskräftig verurteilten - L. kommunizierte. Hierbei nutzten beide den E-Mail-Account “ ", der auf Falschpersonalien angemeldet war. Die Kommunikation geschah ausschließlich dergestalt, dass die inhaltlich verschlüsselten Nachrichten als E-Mail-Entwürfe abgespeichert wurden, die der Empfänger las, nachdem er sich in den Account eingeloggt hatte, und auf die dieser seinerseits mit im Entwurfsordner abgespeicherten E-Mail-Entwürfen antwortete.

(2) Bei der zum Zeitpunkt des Beschlusses am 9. Oktober 2006 bestehenden Beweislage hätten die Überwachungsmaßnahmen auch unter Berücksichtigung des den anordnenden Stellen zustehenden Beurteilungsspielraums nicht gestattet werden dürfen. Die den Ermittlungsakten zu entnehmenden Erkenntnisse des Bundeskriminalamtes begründeten nicht den für eine Maßnahme nach § 100a StPO erforderlichen Verdacht, dass sich der Beschwerdeführer wegen einer Tat nach den §§ 129 ff. StGB oder einer sonstigen Katalogtat strafbar gemacht hatte. Zwar war genügend wahrscheinlich, dass es sich bei der „militante gruppe“ um eine Vereinigung im Sinne des § 129 StGB handelte. Jedoch boten die Ermittlungsergebnisse keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer sich an ihr als Mitglied beteiligt, sie unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer geworben hätte, mithin eine nach den § 129 StGB strafbare Handlung begangen haben könnte.

(a) Es bestanden keine Verdachtsmomente, die losgelöst von den Verbindungen des Beschwerdeführers zu den früheren Mitbeschuldigten Dr. B., Dr. H. und M. auf eine Verbindung zur „militante gruppe“ hindeuteten. Dass gegen den Beschwerdeführer im Jahr 1992 wegen des Vorwurfs der Sachbeschädigung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, weil dieser Plakate der „nolympia"-Bewegung an Litfaßsäulen geklebt hatte, ließ nicht einmal Spekulationen hinsichtlich seiner Bereitschaft zum „militanten“ Widerstand zu. Dies gilt umso mehr, als sich der Akte keinerlei Einzelheiten zu dem damaligen Ermittlungsverfahren und dessen Ausgang entnehmen lassen.

Auch die Erkenntnisse zu den in den Jahren 2001 bis 2003 zwischen dem Beschwerdeführer und den früheren Beschuldigten F. und Ha. geführten Telefonaten waren nicht geeignet, auf dessen Mitgliedschaft in der „militante gruppe“ oder eine sonstige nach § 129 StGB strafbare Handlung zu schließen. Der Senat hat bereits mit Beschlüssen vom 11. März 2010 (StB 15/09; StB 16/09 = NStZ 2010, 711) mangels seinerzeit bestehenden Anfangsverdachts die Rechtswidrigkeit der gegen die früheren Beschuldigten F. und Ha. gerichteten verdeckten Ermittlungsmaßnahmen festgestellt. Der bei Erlass des Beschlusses des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. Oktober 2006 bestehende Ermittlungsstand gibt keinen Anlass, die Verdachtslage bezogen auf diesen Zeitpunkt anders zu beurteilen.

Eine Verbindung zwischen dem Beschwerdeführer und der „militante gruppe“ ergab sich schließlich auch nicht aus dem vom Beschwerdeführer am 7. Juni 2005 veröffentlichten Artikel “ ". Soweit der Beschwerdeführer dort über einen Anschlag aus dem Jahr 1972 berichtet hatte, geschah dies ausschließlich vor dem Hintergrund, dass das Attentat auf dem Berliner Kongress, den der Text zum eigentlichen Gegenstand hatte, thematisiert worden war. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer auf die dort diskutierten Inhalte Einfluss gehabt hatte. Dass die „militante gruppe“ einige Monate zuvor den Anschlag ebenfalls in einem Text erwähnt hatte, lässt vor diesem Hintergrund keine Rückschlüsse auf das Verhältnis von dem Beschwerdeführer zur „militante gruppe“ zu.

(b) Die Bekanntschaft des Beschwerdeführers zu dem früheren Mitbeschuldigten Dr. B. ist nicht geeignet, die Annahme zu stützen, der Beschwerdeführer sei Mitglied der „militante gruppe“ gewesen oder habe diese zumindest unterstützt. Denn ein gegen Dr. B. gerichteter Anfangsverdacht ist ebenfalls nicht durch Tatsachen belegt.

Der Senat vermag nicht der Einschätzung zu folgen, die Analyse des Artikels “ " anhand zahlreicher der Vereinigung zuzuordnender Texte sei - wenn auch nur in Zusammenschau mit weiteren Beweismitteln - geeignet, eine strafrechtlich relevante Verbindung zwischen Dr. B. und der „militante gruppe“ zu belegen. Die im Auswertungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 14. August 2006 dargestellten sprachlichen Übereinstimmungen beziehen sich zum Teil auf allgemeingebräuchliche Begriffe (etwa „drakonisch“, „Bezugsrahmen“, „politische Praxis“) und sind insoweit ohne jegliche Aussagekraft. Daneben handelt es sich zu einem erheblichen Teil um sozial- und politikwissenschaftliches Fachvokabular (etwa „Diffusität“, „Reproduktion“, „marxistisch-leninistisch“). Auch beschränkt auf das Gebiet Berlin und den Kreis politisch linkseingestellter Personen ergab sich ein derart großer in Betracht kommender Personenkreis, dem die durch das Bundeskriminalamt herauskristallisierten Begriffe bekannt gewesen sein dürfte, dass ein Bezug der „militante gruppe“ zu Dr. B. höchst spekulativ war. Dies gilt auch hinsichtlich des Begriffs der „Propaganda der Tat“, der ein anarchistisches Konzept des Widerstands beschreibt und dessen Kenntnis in der linksextremen Szene schon deshalb nicht ungewöhnlich erscheint. Vor dem Hintergrund, dass der Artikel von Dr. B. zeitlich vor den Texten der „militante gruppe“ veröffentlicht wurde und sich diese Schreiben ebenso an seinen Artikel bewusst angelehnt haben könnten, folgt aus den vom Bundeskriminalamt herangezogenen Übereinstimmungen allenfalls ein schwaches Indiz. Die Annahme, dem Artikel von Dr. B. sei ein ungewöhnlich militärischer Sprachstil zu eigen, ist nicht nachvollziehbar. Daher sieht der Senat insgesamt keinen Anlass, für die vorliegende Textanalyse von seinen in der Vergangenheit wiederholt geäußerten Bedenken gegen den Beweiswert entsprechender Textvergleiche abzurücken (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2007 - StB 12, 13 und 47/07, juris Rn. 33; vom 11. März 22 2010 - StB 16/09 = NStZ 2010, 711, 712). Dabei sieht er sich auch durch das Behördengutachten des Bundeskriminalamtes vom 26. April 2007 (Band 6 Ordner 19, Bl. 18 ff.) bestätigt, welches auf der Grundlage einer linguistischen Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt ist, zwischen dem Artikel des früheren Mitbeschuldigten Dr. B. und dem Vergleichstext der „militante gruppe“ ließen sich zwar keine unvereinbaren Befunde entnehmen, ebenso wenig aber auch aussagekräftige Übereinstimmungen und damit insgesamt keine Autorenidentität feststellen; der Senat verkennt dabei nicht, dass sich die Untersuchung insoweit auf die Auswertung eines einzigen Textes der „militante gruppe“ beschränkte.

Dass Dr. B. vollständig unter das Personenraster eines Mitglieds der „militante gruppe“ fiel, welches das Bundeskriminalamt unter Auswertung der der Vereinigung zuzurechnenden Texte erstellt hatte, war ebenfalls ohne tragfähige Aussagekraft für den Tatverdacht. Die im Auswertungsbericht aufgezeigten Kriterien sind zu einem Großteil allgemein gehalten (etwa „Zugriffsmöglichkeiten auf umfangreiche politische/kommunistische und historische Literatur/Archive“, „Zugriffsmöglichkeit auf umfangreiche Tagespresse“, „Möglichkeit, verdeckt ohne großen Aufwand an diesen Texten zu arbeiten“, „ohne/bzw. nahezu keine polizeilichen Erkenntnisse aus den letzten zehn Jahren“, „starke Berlin-Fixierung“) und auf einen nicht unerheblichen Teil Berliner Bürger anwendbar. Die im Auswertungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 14. August 2006 vorgenommene Negativabgrenzung, wonach es sich bei Dr. B. dem ermittelten Personenprofil entsprechend in Abgrenzung zu anderen linksextremen Gruppen weder um einen „klassischen Autonomen“ noch um einen „klassischen Antiimp“ handele, ist zudem nicht durch Tatsachen ausgefüllt.

Schließlich bot aus den bereits oben zum Beschwerdeführer unter Punkt (a) dargestellten Gründen auch der Umstand, dass gegen Dr. B. im Jahr 1992 ein Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung geführt worden war, kein aussagekräftiges Indiz für die Annahme, dass dieser Mitglied der „militante gruppe“ war oder sich in anderer Weise gemäß § 129 StGB strafbar gemacht hatte.

(c) Auch gegen den früheren Mitbeschuldigten Dr. H. war zunächst kein tatsachengestützter Verdacht dahin begründbar, dass dieser sich in der „militante gruppe“ mitgliedschaftlich beteiligte, diese unterstützte, für diese um Mitglieder oder Unterstützer warb oder eine sonstige Katalogtat des § 100a StPO aF verwirklicht hatte. Die im Auswertungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 14. August 2006 zusammengetragenen Erkenntnisse beschränkten sich darauf, dass Dr. H. in die linke Szene eingebunden war, er in der Vergangenheit mit Dr. B. gemeinsam einen Text zum Thema „Gentrification“ veröffentlicht hatte und Kontakt zu dem Beschwerdeführer sowie dem früheren Mitbeschuldigten M. besaß. Dass die Bekanntschaft zu dem Beschwerdeführer und dem früheren Mitbeschuldigten Dr. B. dabei nicht geeignet war, eine tragfähige Verbindung zu der „militante gruppe“ herzustellen, folgt aus den vorstehenden Ausführungen. Soweit Erkenntnisse bestanden, dass der frühere Mitbeschuldigte Dr. H. „persönlichen Kontakt zu zahlreichen Führungspersonen in der linksextremistischen Szene“ hatte und sich an den Vorbereitungen zu den Protesten gegen den im Jahr 2007 geplanten G8-Gipfel beteiligte, ließ sich hieraus ein strafbares Verhalten weder allgemein noch - auch vor dem Hintergrund, dass sich die „militante gruppe“ zur Begründung ihrer Anschläge zeitweise verstärkt auf den Weltwirtschaftsgipfel bezog (vgl. Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts vom 7. September 2006, Band 1 Ordner 1, Bl. 57, 59) - in Bezug auf die Tätigkeiten der „militante gruppe“ ableiten. Schließlich folgte entgegen der in der Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts dargelegten Auffassung auch kein belastbares Verdachtsmoment aus der Bekanntschaft von Dr. H. zu den dort als Gründungsmitgliedern der „militante gruppe“ eingestuften Ha., F. und U. (vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. März 2010 - StB 15/09, StB 16/09 = NStZ 2010, 711; StB 17/09). Bei dieser Ausgangslage waren allein die Erkenntnisse über die Bekanntschaft des früheren Mitbeschuldigten Dr. H. zu dem früheren Mitbeschuldigten M. - ungeachtet des gegen diesen bestehenden Anfangsverdachts (s.u.) - nicht geeignet, einen Tatverdacht auch gegen Dr. H. zu begründen.

Allerdings änderte sich die Verdachtslage, nachdem die weiteren Ermittlungen belegbare Hinweise hinsichtlich der konspirativen Kommunikation mit dem inzwischen rechtskräftig verurteilten L. über den E-Mail-Account“ " erbracht hatten (vgl. etwa Vermerk des BKA vom 23. Februar 2007, Band 8 Ordner 22, Bl. 259 ff.; Sachstandsbericht vom 20. September 2007, Band 2 Ordner 5, Bl. 238, 260 ff.). Der Senat kann offenlassen, ob das Verhalten von Dr. H. zu diesem Zeitpunkt bereits ausreichend auf eine Mitgliedschaft in der „militante gruppe“ hindeutete. Im Hinblick auf die - gegenüber den in § 112 Abs. 1, § 203 StPO vorausgesetzten Verdachtsstufen - geringeren Anforderungen an den Anfangsverdacht trug das Verhalten von Dr. H. jedenfalls die Annahme, dass er durch eine mögliche Mitarbeit an der Zeitschrift „r.“ und deren Veröffentlichungen von Texten der „militante gruppe“ diese Vereinigung im Sinne von § 129 Abs. 1 StGB unterstützt haben könnte (vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2007 - StB 34/07, StV 2008, 84) und insoweit die Voraussetzungen der Katalogtat des § 100a Satz 1 Nr. 1 Buchst. c StPO aF erfüllt waren. Der Schluss auf eine mögliche Mitarbeit bei der Zeitschrift „r.“ wurde dabei durch die Erkenntnisse zur Verbindung zwischen dem früheren Mitbeschuldigten Dr. H. und dem früheren Mitbeschuldigten M. getragen (zu dem gegen diesen bestehenden Tatverdacht s.u.; zu den Treffen zwischen M. und Dr. H. in dem hier relevanten Zeitraum vgl. etwa TKÜ-Auswertebericht vom 3. Januar 2007, Band 8 Ordner 21, Bl. 103, 109; Sachstandsbericht vom 20. September 2007, Band 2 Ordner 5, Bl. 238, 258 ff.).

(d) Der frühere Mitbeschuldigte M. war auf Grundlage des im Sommer 2006 bestehenden Erkenntnisstands der Ermittlungsbehörden verdächtig, die „militante gruppe“ bei der Verfolgung ihrer Ziele im Sinne von § 129 Abs. 1 StGB zumindest unterstützt zu haben. Entgegen der in der Einleitungsverfügung des Generalbundesanwalts vom 7. September 2006 niedergelegten Auffassung waren die Kontakte von M. zu dem dort als Mitglied der „militante gruppe“ eingestuften Be. zwar ohne Beweiskraft. Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 11. März 2010 (StB 45/09) die Rechtswidrigkeit der gegen Be. ergriffenen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen festgestellt; die aus dem hiesigen Verfahren zusammengetragenen Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Indes begründeten die weiteren in der Einleitungsverfügung vom 7. September 2006 dargestellten Gründe, namentlich die Ergebnisse, welche die in einem gesonderten Verfahren durchgeführten Durchsuchungen am 3. und 7. März 2005 erbracht hatten (vgl. hierzu Sachstandsbericht vom 16. April 2007, Band 2 Ordner 6, Bl. 101, 121 f., 125 ff.), den Verdacht, dass der frühere Mitbeschuldigte M. die „militante gruppe“ jedenfalls durch Veröffentlichung von deren Texten in der Zeitschrift „r.“ unterstützt hatte.

(e) Auch in einer Gesamtschau vermögen die dargestellten Umstände einen konkreten Tatverdacht der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers in der „militante gruppe“ oder deren Unterstützung gegen diesen nicht zu begründen. Entsprechendes gilt für die früheren Mitbeschuldigten Dr. B. und - bezogen auf den Zeitpunkt der ersten richterlichen Anordnung der Telekommunikationsüberwachung - Dr. H. Deren Bekanntschaft zu dem früheren Mitbeschuldigten M. rechtfertigt keine andere Beurteilung, da besondere Auffälligkeiten insoweit nicht bestanden. Soweit in dem Auswertungsbericht des Bundeskriminalamts vom 14. August 2006 auch W. dem „Personengeflecht“ um die früheren Mitbeschuldigten zugeordnet wurde, sind schon im Hinblick darauf, dass der Generalbundesanwalt gegen diesen kein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, weitere Ausführungen nicht veranlasst.

bb) Die im Laufe der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse, wie sie etwa in den Sachstandsberichten des Bundeskriminalamts niedergelegt sind, sind mit Blick auf eine mögliche Begehung von Straftaten nicht von derart erheblichem Belang, dass sie einen ausreichenden Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer begründen könnten; deshalb sind auch alle späteren Anordnungen der Telekommunikationsüberwachung rechtswidrig, soweit sie sich gegen den Beschwerdeführer (Beschlüsse vom 5. Januar 2007, vom 15. Februar 2007, vom 7. März 2007 sowie vom 5. Juni 2007) bzw. auf den ihm zugeordneten Anschluss bezogen (Beschluss vom 2. März 2007). Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

(1) Die hinsichtlich des früheren Mitbeschuldigten Dr. H. ab Februar 2007 gewonnenen Erkenntnisse vermögen auch in einer Gesamtschau mit den oben dargestellten Umständen keine ausreichende Verdachtslage gegen den Beschwerdeführer ab diesem Zeitpunkt begründen. Allein der Umstand, dass sich beide kannten, besagte nichts über die Einbindung des Beschwerdeführers in die „militante gruppe“ oder deren Unterstützung durch ihn. Insbesondere hatten die Ermittlungen insoweit keine sonstigen Auffälligkeiten erbracht, die eine andere Beurteilung stützten. Dies gilt auch trotz des Umstandes, dass im November 2006 ein Treffen zwischen dem Beschwerdeführer und Dr. H. beobachtet worden war, bei dem beide mutmaßlich in dem Bestreben, ein Abhören des Gesprächs über ihre Mobiltelefone zu unterbinden, diese ausgeschaltet hatten (vgl. etwa TKÜ-Auswertungsbericht des Bundeskriminalamts vom 3. Januar 2007, Band 8 Ordner 21, Bl. 135, 144).

(2) Der Senat muss nicht darüber entscheiden, ob die aufgrund der Durchsuchung der Wohnräume des Beschwerdeführers vom 31. Juli 2007 gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere hinsichtlich seiner Einbindung in die sogenannte „Dienstagsgruppe“ (vgl. Vermerk des Bundeskriminalamts vom 19. Juni 2008, Band 5 Ordner 18.15 (II), Bl. 551.23 ff., sowie die Einstellungsverfügung des Generalbundesanwalts vom 23. Juni 2009, Band 2 Ordner 3, Bl. 186, 192), die Anordnung nach § 100a StPO und die Annahme der Mitgliedschaft in der „militante Gruppe“ hätten stützen können. Diese Erkenntnisse lagen den Ermittlungsbehörden erst nach Erlass der hier angegriffenen Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vor; den in der rechtswidrigen Anordnung liegenden Eingriff konnten sie nicht nachträglich rechtfertigen.

b) Die obigen Ausführungen gelten für die Anordnungen der längerfristigen Observation (§ 163f StPO) des Beschwerdeführers und dessen Überwachung mittels technischer Mittel (§ 100f StPO aF) entsprechend. Auch insoweit fehlte es an einem die Maßnahmen rechtfertigenden Verdacht; denn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass er eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hatte, lagen nicht vor.

2. Soweit der Beschwerdeführer von der gegen die früheren Mitbeschuldigten Dr. B., Dr. H. und M. gerichteten Überwachung der Telekommunikation mittelbar betroffen war, gilt auf Grundlage der Ausführungen unter 1. a) aa):

a) Die gegen den früheren Mitbeschuldigten Dr. B. angeordneten Maßnahmen erweisen sich mangels eines gegen diesen tatsachengestützten Anfangsverdachts als rechtswidrig. Ebenso wie hinsichtlich des Beschwerdeführers trat in der gegen Dr. B. bestehenden Verdachtslage keine Änderung dadurch ein, dass sich im Zuge der Ermittlungen - gemessen an dem von § 100a Abs. 1 StPO vorausgesetzten Anfangsverdacht - ausreichende Hinweise auf ein gemäß § 129 Abs. 1 StGB strafbares Verhalten des früheren Mitbeschuldigten Dr. H. ergeben hatten. Das hat auf den Antrag des von diesen Maßnahmen nur mittelbar betroffenen Beschwerdeführers die Feststellung von deren Rechtswidrigkeit zur Folge (§ 101 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, Abs. 7 Satz 2 StPO).

b) Soweit sich die Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs auf die Überwachung der Telekommunikation des früheren Mitbeschuldigten M. bezogen, erweisen sie sich als rechtmäßig. Da bereits der konkrete Verdacht des Unterstützens der kriminellen Vereinigung „militante gruppe“ (§ 129 Abs. 1 StGB) die Telekommunikationsüberwachung rechtfertigte (§ 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d StPO), kann der Senat offen lassen, ob ein Anfangsverdacht auch im Hinblick auf eine Mitgliedschaft in der Vereinigung begründet war.

Dies gilt auch für die ab dem 7. März 2007 gegen den früheren Mitbeschuldigten Dr. H. ergangenen Anordnungen. Die vor diesem Zeitpunkt liegenden Beschlüsse waren hingegen mangels ausreichenden Tatverdachts rechtswidrig. Dass sich dieser im Februar 2007 ergeben hatte, lässt die Rechtswidrigkeit der zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Überwachungen der Telekommunikation unberührt, weil diese nach wie vor ihre Grundlage in der rechtswidrigen Anordnung vom 5. Januar 2007 hatten.

c) Soweit der Beschwerdeführer mittelbar von den rechtmäßig gegen die früheren Beschuldigten M. und Dr. H. angeordneten Telekommunikationsmaßnahmen betroffen war, ist auch die Art und Weise ihres Vollzugs nicht zu beanstanden. Die auf den Antrag des Beschwerdeführers nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO veranlasste Überprüfung der Maßnahmen hat kein fehlerhaftes Verhalten der Ermittlungsbehörden erbracht. Auch der Beschwerdeführer hat insoweit - insbesondere auch im Hinblick auf einen Verstoß gegen die Löschungspflicht nach § 100a Abs. 4 Satz 3 StPO - keine Tatsachen vorgebracht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4, § 473a Satz 2 StPO. Angesichts des nicht vollständigen Erfolgs des Rechtsmittels ist die Kostenverteilung angemessen (vgl. hierzu BR-Drucks. 178/09, S. 65; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 473a Rn. 2).

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 925

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2016, 346 ; StV 2017, 434

Bearbeiter: Christian Becker