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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 193

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, AK 64/16, Beschluss v. 15.12.2016, HRRS 2017 Nr. 193


BGH AK 63-65/16 - Beschluss vom 15. Dezember 2016

Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate (dringender Tatverdacht; Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland; „IS“; Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat; Verabredung zum Verbrechen; Fluchtgefahr; Schwerkriminalität).

§ 112 StPO; § 116 StPO; § 121 StPO; § 30 StGB; § 89a StGB; § 129a StGB; § 129b StGB

Entscheidungstenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe

I.

Die Beschuldigten wurden am 2. Juni 2016 festgenommen und befinden sich seitdem aufgrund der Haftbefehle des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 1. Juni 2016 - 2 BGs 355/16 betreffend den Beschuldigten C., 2 BGs 354/16 betreffend den Beschuldigten B. und 2 BGs 353/16 betreffend den Beschuldigten K. - in Untersuchungshaft.

Gegenstand der Haftbefehle ist im Wesentlichen der Vorwurf, die Beschuldigten hätten sich als Mitglieder (C. und K.) an der Gruppierung „Islamischer Staat“ (im Folgenden: IS) und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) sowie gemeingefährliche Straftaten in den Fällen des § 308 Abs. 1 bis 4 StGB und Straftaten nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen zu begehen, bzw. diese Vereinigung unterstützt (B.) und sich zugleich mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen (Mord, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und vorsätzlicher unerlaubter Erwerb der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe) zu begehen, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 4 (im Hinblick auf B. außerdem Abs. 5 Satz 1), § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 211, 308 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 2, § 52 StGB, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2, § 22a Abs. 1 Nr. 2 KWKG i.V.m. Nr. 29c der Kriegswaffenliste. In tatsächlicher Hinsicht wird den Beschuldigten zur Last gelegt:

C. habe gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten A. seit April 2014 im Auftrag einer Führungsperson des IS in Rakka, Berlin und Düsseldorf einen Plan zur Ausführung eines Sprengstoffanschlags in Düsseldorf erarbeitet und spätestens im Januar 2016 mit B. vereinbart, dass dieser sich an dem Anschlag beteilige. K. sei im Oktober 2014 im Auftrag einer Führungsperson des IS als Angehöriger einer sog. Schläferzelle nach Deutschland gereist, um sich an dem in Düsseldorf geplanten terroristischen Anschlag zu beteiligen, und habe Ende Januar 2016 mit dem Mitbeschuldigten A. ein Treffen für den 10. Februar 2016 in Heidelberg vereinbart, um gemeinsam mit ihm weitere Einzelheiten der Tatausführung zu besprechen.

Dem Beschuldigten K. wird darüber hinaus vorgeworfen, sich seit dem Jahr 2013 in Rakka durch eine weitere selbständige Handlung als Mitglied an der Gruppierung „Jabhat al Nusra Li Ahli Sham“ (im Folgenden: Jabhat al Nusra) und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, beteiligt und zugleich durch die Herstellung von Sprengvorrichtungen, die zum Einsatz bei bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschlägen auf syrische Soldaten bestimmt gewesen seien, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben, strafbar gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, Abs. 4 Satz 1, § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 4, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 52, 53 StGB.

II.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Die Beschuldigten sind der ihnen in den Haftbefehlen zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.

a) Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Die Vereinigungen IS und Jabhat al Nusra

(1) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region „ash Sham“ - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden „Gottesstaat“ zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als „Feind des Islam“ begreift; die Tötung solcher „Feinde“ oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Organisation geht zurück auf die als „al Qaida im Irak (AQI)" bekannt gewordene, von Abu Musab al Zarqawi geführte Gruppierung „Tanzim Qa'idat al Jihad fi Bilad ar Rafidain“ („Organisation der Basis des Jihad im Zweistromland“) und deren Vorgängerorganisationen. Nach Leistung des Treueids auf Osama bin Laden und dessen „al Qaida“ ernannte bin Laden al Zarqawi im Dezember 2005 zu seinem Stellvertreter im Irak.

Im Jahr 2006 schloss sich die Vereinigung mit anderen Gruppierungen unter der Dachorganisation „Schura Rat der Mudschahedin im Irak“ zusammen, aus der nach dem Tod al Zarqawis im Juni 2006 der „Islamische Staat im Irak“ (ISI) unter der Führung von Abu Ayyub al Masri hervorging. Nachdem dieser im Frühjahr 2010 bei einer Operation der US-Armee getötet worden war, übernahm Abubakr al Baghdadi die Führung des ISI und griff ab dem Jahr 2012 - einem Aufruf des Anführers der al Qaida, al Zawahiri, folgend - in den syrischen Bürgerkrieg ein, indem er Kämpfer dorthin entsandte.

Ende 2011 hatten sich die in Syrien agierenden, überwiegend syrischen Kämpfer unter der Führung des im Irak kampferprobten Abu Muhammad al Jaulani zu der terroristischen Vereinigung Jabhat al Nusra zusammengeschlossen, die von al Baghdadi als dem ISI unterstehende Regionalorganisation vorgesehen war. Um seinen Führungsanspruch zu dokumentieren, verkündete er im April 2013 den Zusammenschluss von ISI und Jabhat al Nusra zur Organisation „Islamischer Staat Irak und Großsyrien“ (im Folgenden: ISIG). Al Jaulani lehnte diesen Zusammenschluss in der Folgezeit ab, betonte die Eigenständigkeit der Jabhat al Nusra und legte den Treueid auf den Emir der Kern al Qaida, al Zawahiri, ab. Seitdem fungiert die Jabhat al Nusra als Regionalorganisation von al Qaida in Syrien.

In der Folgezeit setzte sich der von al Baghdadi befehligte ISIG mit eigenen Kämpfern in Syrien fest und erhielt als radikalere Organisation vielfach Zulauf von Mudschahedin anderer Organisationen, auch der Jabhat al Nusra. Nachdem ein Schlichtungsversuch der al Qaida Führung erfolglos geblieben war, kam es Anfang des Jahres 2014 zum Bruch al Baghdadis sowohl mit al Qaida als auch mit der Jabhat al Nusra, der im April 2014 mit einer öffentlichen Lossagung des ISIG vom al Qaida Netzwerk bestätigt wurde.

Dem ISIG gelang es, sich in einigen Regionen Nordsyriens als Ordnungsmacht festzusetzen. Aus dem Kampf gegen das Assad-Regime zog sich die Organisation in der Folge weitgehend zurück und konzentrierte sich auf die Machterhaltung in den von ihr beherrschten Gebieten. Angehörige anderer Oppositionsgruppen sowie Teile der Zivilbevölkerung, die den Herrschaftsanspruch des ISIG in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Im August 2013 kam es bei Operationen mehrerer Gruppen in der Provinz Latakia unter der Führung des ISIG zu Massakern unter der regierungstreuen alawitischen Zivilbevölkerung, denen 190 Menschen zum Opfer fielen; weitere ca. 200 wurden entführt. Unter den syrischen Oppositionsgruppen ist die Organisation wegen des von ihr eingeschlagenen Weges zwischenzeitlich isoliert; teils im offenen Kampf gegen den ISIG haben andere Gruppierungen in einigen Regionen wieder die Oberhand gewonnen. Auch al Qaida distanzierte sich Mitte Mai 2014 ausdrücklich vom Vorgehen des ISIG.

Wegen der Parteinahme der libanesischen „Hizbollah“ für das Assad-Regime verübte der ISIG ferner am 2. Januar 2014 einen Bombenanschlag in einem schiitischen Wohngebiet von Beirut, der vier Menschen tötete und 77 verletzte. Daneben kam es zu weiteren Aktionen im Irak, so zu dem Überfall auf die Gefängnisse in Abu Ghuraib und Tadshi am 22. Juli 2013 sowie einem Selbstmordanschlag in Arbil am 29. September 2013 mit jeweils mehreren Todesopfern.

In der Folge verlagerte der ISIG seine Aktivitäten zunehmend in den Irak, wo es ihm Anfang Juni 2014 unter anderem gelang, die Stadt Mossul unter seine Gewalt zu bringen.

Die Führung des ISIG bestand aus dem „Emir“ Abu Bakr al Baghdadi, dem „Minister“ als Verantwortliche für einzelne Bereiche unterstellt waren, so ein „Kriegsminister“ und ein „Propagandaminister“. Der Führungsebene zugeordnet waren beratende „Shura Räte“ sowie „Gerichte“, die über die Einhaltung der Regeln der Sharia wachten. Veröffentlichungen wurden in der Medienabteilung „Al Furqan“ produziert und über die Medienstelle „al I'tisam“ verbreitet. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung bestand aus dem „Prophetensiegel“, einem weißen Oval mit der Inschrift: „Allah - Rasul - Muhammad“, auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die etwa 10.000 Kämpfer - im Kern sunnitische Teile der ehemaligen Streitkräfte des Regimes von Saddam Hussein - waren dem „Kriegsminister“ unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Im Juni 2014 rief der offizielle Sprecher des ISIG das „Kalifat“ aus und erklärte al Baghdadi zum „Kalifen“, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Zugleich wurde die Umbenennung des ISIG in „Islamischer Staat“ (IS) verkündet. Dadurch verdeutlichte die Vereinigung - bei Beibehaltung der bisherigen ideologischen Ausrichtung - eine Abkehr von der regionalen Selbstbeschränkung auf ein „Großsyrien“ und erhob einen Führungs- und Herrschaftsanspruch in Bezug auf das gesamte „Haus des Islam“. Zugleich eingeleitete organisatorische Veränderungen, so die Bildung von „Räten“ für Einzelressorts, die Einteilung der besetzten Gebiete in Gouvernements und die Einrichtung eines Geheimdienstapparates zielen auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen.

(2) Ziel der Jabhat al Nusra ist nach wie vor der Sturz des Assad-Regimes in Syrien, das sie durch einen islamischen Staat auf der Grundlage ihrer eigenen Interpretation der Sharia ersetzen will. Darüber hinaus erstrebt sie die „Befreiung“ des historischen Großsyrien, das heißt Syriens einschließlich von Teilen der südlichen Türkei, des Libanons, Jordaniens, Israels und der palästinensischen Gebiete. Diese Ziele verfolgt die Jabhat al Nusra mittels militärischer Operationen, aber auch durch Sprengstoffanschläge, Selbstmordattentate, Entführungen sowie gezielte Tötungen von Angehörigen des syrischen Militär- und Sicherheitsapparates. Insgesamt werden der Gruppierung allein bis Ende 2014 mehr als 1.500 Anschläge zugerechnet, bei denen mindestens 8.700 Menschen getötet wurden. So hat sich die Jabhat al Nusra auch zu mehreren Selbstmordanschlägen auf Angehörige der syrischen Armee am 14. April 2014 und am 25. Mai 2014 mittels mit Sprengstoff beladener Fahrzeuge bekannt.

Die Jabhat al Nusra ist militärisch-hierarchisch organisiert. Ihr Anführer ist weiterhin Abu Muhammad al Jaulani, dem ein aus fünf bis sechs Personen gebildeter Shura Rat zugeordnet ist. Unterhalb dieser Führungsebene stehen die Kommandeure der kämpfenden Einheiten, die ihrerseits untergliedert sind in die vor Ort agierenden Kampfgruppen. Die Zahl der Kämpfer der Jabhat al Nusra wird derzeit auf 4.000 bis 6.000 geschätzt. Ihre militärische Ausbildung erhalten diese in einem verzweigten Netz von Trainingslagern. Daneben gibt es Hinweise auf sogenannte „Scharia Komitees“ in den von der Jabhat al Nusra kontrollierten Gebieten, die religiöse Angelegenheiten regeln und den Aufbau eines eigenen Justiz- und Verwaltungssystems vorantreiben. Für ihre Öffentlichkeitsarbeit bedient sich die Jabhat al Nusra der eigenen Medienstelle „almanara albaida“ („Der weiße Leuchtturm“), über die sie im Internet Verlautbarungen, Operationsberichte und Anschlagsvideos verbreitet. Darüber hinaus unterhält sie ein Netzwerk von „Korrespondenten“ in Syrien, die ihre Berichte über Twitter-Kanäle veröffentlichen.

bb) Die Tathandlungen der Beschuldigten

Der Beschuldigte C. und der Mitbeschuldigte A. schlossen sich spätestens im April 2014 in Syrien dem ISIG an. A. wurde anschließend bei einem Treffen, das in Rakka stattfand und an dem verschiedene Führungspersonen des ISIG teilnahmen, unter anderem T., Y. und L., damit beauftragt, ein Sprengstoffattentat in der Altstadt von Düsseldorf durchzuführen. Er erhielt insoweit nähere Instruktionen anhand einer Karte, die ein deutscher Staatsangehöriger namens H. skizzierte. Dieser hatte früher in der Nähe des Düsseldorfer Hauptbahnhofs gelebt und fungierte mittlerweile als enger Mitarbeiter von T. Anhand der Skizze arbeiteten Y. und T. Grundzüge des geplanten Anschlags aus, die letzten Entscheidungen sollten jedoch A. überlassen bleiben. Er sollte insbesondere über den Tatzeitpunkt sowie die Details der Tatausführung befinden. Bei der Tat sollten Mitglieder einer sog. Schläferzelle mitwirken, die zu diesem Zweck nach Deutschland reisen sollten.

C. wurde A. unterstellt und angewiesen, dessen Befehlen zu gehorchen. Er erhielt den Auftrag, sich als ein Mitglied der Schläferzelle nach Deutschland zu begeben und sich dort nach näheren Anweisungen von A. an dem Anschlag zu beteiligen. Zu diesem Zweck erhielt er von Mitgliedern des IS einen verfälschten syrischen Ausweis. C. reiste anschließend zunächst im Mai 2014 in die Türkei, von dort im Juli 2015 nach Griechenland und schließlich weiter nach Berlin. Von dort aus nahm er telefonisch Kontakt mit A. auf, der sich schon seit März 2015 in Deutschland aufhielt, um diesem zu signalisieren, dass er in Deutschland eingetroffen sei und deshalb zur Ausführung des Anschlags bereit stehe.

A. hatte sich zwischenzeitlich ein Bild von den Örtlichkeiten in der Düsseldorfer Altstadt gemacht und die Einzelheiten des geplanten Anschlags festgelegt. Danach sollten sich zunächst zwei Personen auf der Bolkerstraße bzw. der Andreasstraße mittels Sprengwesten in die Luft sprengen. An den vier Ausgängen der Altstadt im Bereich der Flinger Straße, der Mühlenstraße, der Heinrich Heine-Allee und der Hunsrückenstraße sollten sich jeweils zwei mit Kalaschnikows bewaffnete Mitglieder der „Zelle“ positionieren. Sie sollten möglichst viele flüchtende Menschen erschießen und sich nach der Entleerung ihrer Magazine schließlich ebenfalls selbst in die Luft sprengen. Der Anschlag sollte an einem Freitag oder an einem Samstag verübt werden, weil die Düsseldorfer Altstadt an diesen Tagen regelmäßig besonders belebt ist.

Nachdem C. in Düsseldorf eingetroffen war, setzte A. ihn von den Einzelheiten des Tatplans in Kenntnis. In der Folgezeit rekrutierten beide den in Düsseldorf lebenden Beschuldigten B., indem sie ihn im Rahmen von persönlichen Gesprächen davon überzeugten, bei der Ausführung des Anschlags, dessen Einzelheiten sie ihm erläuterten, als Selbstmordattentäter mitzuwirken.

Der Beschuldigte K. beteiligte sich zumindest im Jahr 2013 als Anführer der zur Jabhat al Nusra gehörenden Gruppe „Katiba Mohamed Ibm Abd Allah“ an den Kämpfen gegen das Regime des Staatspräsidenten Bashar al Assad. Außerdem stellte er zu dieser Zeit in Rakka Sprenggürtel und Granaten her, die zum Einsatz bei bewaffneten Auseinandersetzungen und bei Anschlägen auf syrische Soldaten bestimmt waren.

Spätestens im Oktober 2014 schloss sich K. dem IS an. In der Folgezeit übernahm er von L. den Auftrag, sich als Angehöriger der Schläferzelle nach Deutschland zu begeben, deren Mitglieder sich an dem Anschlag in der Düsseldorfer Altstadt beteiligen sollten; er sollte insbesondere die für den Anschlag benötigten Sprengwesten herstellen.

Zu diesem Zweck reiste er im Oktober 2014 nach Deutschland. Hier nahm er über Facebook Kontakt zu A. auf. Im Rahmen des Chat-Verkehrs erörterten sie die Einzelheiten des geplanten Anschlags und A. forderte K. auf, die für die Ausführung der Tat benötigten Sprengstoffe bereit zu halten. Schließlich verabredeten sie sich Ende Januar 2016 für den 10. Februar 2016 zu einem persönlichen Treffen in Heidelberg, um dort insbesondere über die Lagerung der Sprengstoffe und deren Transport nach Düsseldorf zu beratschlagen. Das Treffen kam dann nicht mehr zustande, weil A. sich am 1. Februar 2016 in Paris den französischen Ermittlungsbehörden stellte.

b) Der dringende Tatverdacht beruht im Hinblick auf die terroristischen Vereinigungen IS und Jabhat al Nusra auf den diesbezüglichen Auswerteberichten des Bundeskriminalamtes und Gutachten des Sachverständigen Dr. S. Hinsichtlich der den Beschuldigten zur Last gelegten Handlungen ergibt er sich im Wesentlichen aus den Angaben des Mitbeschuldigten A., die durch die Auswertung von Telekommunikationsdaten, insbesondere diverser Facebook-Profile, weitgehend bestätigt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die eingehenden Ausführungen in den Haftbefehlen Bezug genommen. Ergänzend gilt Folgendes:

Die Glaubhaftigkeit der Angaben von A. wird auf der Grundlage des derzeitigen Ermittlungsstandes nicht dadurch in Frage gestellt, dass er seine ursprüngliche Darstellung gegenüber den französischen Behörden, wonach C. bereits in Syrien in die Tatplanung mit einbezogen worden war, im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung vom 11. November 2016 dahin korrigiert hat, dass C. erst in Deutschland von ihm über die Einzelheiten des Tatplans informiert worden sei. Denn seine Angaben stehen auch mit den Ermittlungsergebnissen in Einklang, die nach Erlass der Haftbefehle gewonnen worden sind, vor allem durch Auswertung von Datenträgern, die bei der Durchsuchung des dem Beschuldigten C. in der Asylbewerberunterkunft in Bl. zugewiesenen Zimmers und der Wohnung des Beschuldigten K. sichergestellt wurden. Daraus ergeben sich weitere Hinweise auf den engen Kontakt zwischen C., A. und B. sowie auf die mitgliedschaftliche Einbindung von C. in den IS und diejenige des Beschuldigten K. in die Jabhat al Nusra sowie den IS. Insbesondere hat die bisherige Auswertung der Telekommunikationsdaten bestätigt, dass K. als Angehöriger der Jabhat al Nusra an Kampfhandlungen beteiligt war; das steht auch in Einklang mit entsprechenden Zeugenaussagen. Danach besteht aufgrund des gegenwärtigen Ermittlungsstandes der dringende Verdacht, dass K. mit A und C. bei den Planungen für den Anschlag in der Düsseldorfer Altstadt zusammenwirkte.

c) Demgemäß haben sich die Beschuldigten C. und K. mit hoher Wahrscheinlichkeit als Mitglieder am IS und damit an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt und sich zugleich mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen (Mord, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und vorsätzlicher Erwerb der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe) zu begehen, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 4, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 211, 308 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 2, § 52 StGB, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2, § 22a Abs. 1 Nr. 2 KWKG i.V.m. Nr. 29c der Kriegswaffenliste. Ihre mitgliedschaftliche Beteiligung an dem IS ergibt sich daraus, dass sie den ihnen von Führungspersonen des IS erteilten Auftrag annahmen, sich als Angehörige einer „Schläferzelle“ nach Deutschland zu begeben, um dort nach näherer Absprache mit A. an dem Sprengstoffanschlag in der Düsseldorfer Altstadt mitzuwirken. Beide haben sich auch zumindest jeweils mit A. verabredet, den Anschlag unter Einsatz von Sprengstoff sowie automatischen Gewehren des Typs Kalaschnikow auszuführen und damit Verbrechen des Mordes, des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion sowie des Erwerbs der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe zu begehen.

Eine Verbrechensverabredung setzt den Entschluss von mindestens zwei Personen voraus, als Mittäter ein bestimmtes Verbrechen zu begehen. Die Festlegung aller Einzelheiten der in Aussicht genommenen Tat ist insoweit nicht erforderlich; es genügt vielmehr, wenn diese in ihren wesentlichen Grundzügen konkretisiert ist. Notwendig ist außerdem, dass der Täter unbedingt zur Begehung der Straftat entschlossen ist (vgl. zu allem BGH, Urteil vom 13. November 2008 - 3 StR 403/08, NStZ 2009, 497 f. mwN). Das war hier der Fall. Die Planung der Tat war bereits weit fortgeschritten. Die Details der Tatausführung standen ebenso fest wie der Umstand, dass der Anschlag an einem Freitag oder einem Samstag verübt werden sollte. C. und K., die ihre Beteiligung an der Tat zugesagt und sich zu diesem Zweck von Syrien nach Deutschland begeben hatten, waren auch nicht bloß tatgeneigt, sondern unbedingt dazu entschlossen.

Zwischen der mitgliedschaftlichen Beteiligung der Beschuldigten C. und K. am IS und der Verbrechensverabredung besteht jeweils Tateinheit (§ 52 StGB). Da sich die den Haftbefehlen zugrunde liegenden mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen von C. und K. am IS in der Verbrechensverabredung erschöpften, kann dahinstehen, ob die mit der Verbrechensverabredung idealkonkurrierende Erfüllung des Vereinigungsdelikts in Tatmehrheit (§ 53 StGB) zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit tritt, der alle sonstigen mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte an der Vereinigung unterfallen, die nicht zugleich den Tatbestand des § 30 Abs. 2 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 4, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB verwirklichen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 -3 StR 537/14, BGHSt 60, 308, 319 f.).

Es kann offenbleiben, ob der Beschuldigte K. auch der ihm mit dem Haftbefehl zur Last gelegten Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 StGB) dringend verdächtig ist. Jedenfalls hat er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit durch seine Teilnahme an Kampfhandlungen der Jabhat al Nusra auch als Mitglied dieser terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, strafbar nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 4, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB. Der dringende Tatverdacht der Mitgliedschaft in der Jabhat al Nusra und der dazu im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB) stehenden, tateinheitlich mit der Verbrechensverabredung verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung im IS tragen bereits für sich den Fortbestand der Untersuchungshaft.

Im Hinblick auf den Beschuldigten B. lässt der Senat dahinstehen, ob dieser der ihm mit dem Haftbefehl zur Last gelegten Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 4, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) dringend verdächtig ist. Denn auch B. hat sich jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem anderen zu einem Verbrechen (Mord, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Erwerb einer Kriegswaffe) verabredet (§ 30 Abs. 2 StGB, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2, § 22a Abs. 1 Nr. 2 KWKG i.V.m. Nr. 29c der Kriegswaffenliste); schon dies trägt die Fortdauer der Untersuchungshaft. B. war ebenso wie C. und K. über die Einzelheiten des von A. erarbeiteten Tatplans informiert und nicht bloß tatgeneigt, sondern den Angaben von A. zufolge jederzeit bereit, seine Zusage, an dem Anschlag als Selbstmordattentäter mitzuwirken, in die Tat umzusetzen.

d) Die nach § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderlichen Ermächtigungen zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern des IS sowie der Jabhat al Nusra liegen vor.

e) Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts und damit auch diejenige des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs ist gegeben. Sie folgt hinsichtlich der Beschuldigten C. und K. - auch soweit es die tateinheitlich mit der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung verwirklichte Verabredung zu einem Verbrechen anbelangt - aus § 120 Abs. 1 Nr. 6, § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO, im Hinblick auf den Beschuldigten B. aus § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 142a Abs. 1 Satz 1 35 36 37 GVG, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO. Die Verabredung zum Verbrechen war darauf gerichtet, durch den Sprengstoffanschlag unter anderem Morde (§ 211 StGB) zu begehen, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des IS und damit einer ausländischen Vereinigung stehen, deren Zweck oder Tätigkeit die Begehung von Straftaten dieser Art zum Gegenstand hat; die Übernahme der Strafverfolgung durch den Generalbundesanwalt war wegen der besonderen Bedeutung des Falles gerechtfertigt.

2. Bei allen drei Beschuldigten besteht jedenfalls der den Haftbefehlen zugrunde liegende Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO). Sie sind der Verabredung zu Verbrechen des Mordes (§ 211 StGB) sowie des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion (§ 308 Abs. 1 bis 3 StGB) - die Beschuldigten C. und K. außerdem der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 4, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) - dringend verdächtig; der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO gilt auch für die Fälle des § 30 StGB (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 112 Rn. 36). Die Beschuldigten haben im Falle ihrer Verurteilung mit nicht unerheblichen Freiheitsstrafen zu rechnen; dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen.

Der Beschuldigte B. unterhält zwar Kontakt zu seinem in Düsseldorf lebenden Onkel. Dies lässt es indes nicht als hinreichend gesichert erscheinen, dass er, auf freien Fuß gesetzt, dem von der Straferwartung ausgehenden Fluchtanreiz widerstehen wird. Im Übrigen verfügt B. - ebenso wie die Beschuldigten C. und K. - in Deutschland über keine tragfähigen sozialen Bindungen von fluchthemmendem Gewicht. Den Angaben von A. zufolge beabsichtigte B. zudem, bevor er diesen kennenlernte, nach Syrien zu gehen, um dort am Dschihad teilzunehmen, hatte bislang allerdings noch keinen Ansprechpartner gefunden.

C. und K. sind allein deshalb nach Deutschland gekommen, um sich an dem Anschlag in Düsseldorf zu beteiligen. In Anbetracht dessen liegt es nahe, dass auch sie sich, sollten sie in Freiheit gelangen, dem Strafverfahren entziehen werden.

Zumindest begründen die genannten Umstände die Gefahr, dass die Ahndung der Tat ohne die weitere Inhaftierung der Beschuldigten vereitelt werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung der Vorschrift (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) auf den Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO zu stützen ist.

Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind aus den oben genannten Gründen nicht erfolgversprechend.

3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.

Das Verfahren weist einen hohen Grad an Komplexität auf. Es richtet sich gegen vier Beschuldigte und hat vielfältige Auslandsbezüge. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts besteht bislang Rechtshilfeverkehr mit Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Algerien und der Türkei. Es ist absehbar, dass weitere Rechtshilfeersuchen an die Vereinigten Staaten von Amerika und Jordanien erforderlich sein werden. Das an die Niederlande gerichtete Ersuchen ist erst teilweise erledigt, die an Belgien, Algerien und die Türkei gerichteten sind noch gänzlich unerledigt. Von wesentlicher Bedeutung sind die Angaben des Mitbeschuldigten A. und die Ermittlungsergebnisse der französischen Behörden. Die Überstellung von A. wurde sofort nach dem Erlass des gegen ihn gerichteten Haftbefehls am 1. Juni 2016 beantragt; er wurde jedoch erst am 29. September 2016 an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Die Übersetzung der unmittelbar danach übersandten französischen Verfahrensakten dauert noch an und wird erst Ende Dezember 2016 bzw. Anfang Januar 2017 abgeschlossen sein. Auch die Auswertung der Beweismittel, die bei den nach der Festnahme der Beschuldigten C., B. und K. durchgeführten Durchsuchungen sichergestellt wurden, insbesondere der auf den Mobiltelefonen gespeicherten Daten, konnte wegen deren Umfangs noch nicht abgeschlossen werden. Die Auswertung wird dadurch erschwert, dass die gespeicherten Texte und Chatverläufe nahezu vollständig in arabischer Sprache verfasst sind und deshalb zunächst übersetzt werden müssen, bevor sie einer inhaltlichen Analyse zugänglich sind. Schließlich sind seit der Verkündung der Haftbefehle bislang 57 Zeugen vernommen worden, deren Angaben sich teilweise widersprechen, so dass Nachvernehmungen erforderlich sind.

In Anbetracht dessen ist das Verfahren bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.

4. Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft auch nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 193

Bearbeiter: Christian Becker