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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 664

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 ARs 436/16, Beschluss v. 11.04.2017, HRRS 2017 Nr. 664


BGH 2 ARs 436/16 (2 AR 303/16) - Beschluss vom 11. April 2017

Örtliche Zuständigkeit (Einleitung der Vollstreckung; gewöhnlicher Aufenthalt).

§ 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 JGG; § 151 FamFG; 152 Abs. 2 FamFG

Entscheidungstenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Verurteilte wurde mit Urteil des Landgerichts Koblenz vom 5. November 2013 wegen besonders schweren Raubes, schweren Raubes und schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung einer weiteren Entscheidung zu einer Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seit 8. Februar 2013 befindet sich der Verurteilte in der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken in Untersuchungshaft.

Mit Verfügung vom 6. Oktober 2014 leitete das Amtsgericht Neuwied die Vollstreckung ein und richtete ein Aufnahmeersuchen an die Justizvollzugsanstalt Zweibrücken, das am 20. Oktober 2014 abgesandt wurde. Am 31. Oktober 2014 ging beim Amtsgericht Neuwied ein an das Landgericht Koblenz gerichtetes Schreiben der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken vom 7. Oktober 2014 ein, mit dem diese beanstandete, dass die Vollstreckung noch nicht eingeleitet sei und kein Aufnahmeersuchen vorliege. In einem beigefügten Vollstreckungsblatt ist hinsichtlich der verhängten Einheitsjugendstrafe vermerkt: „aus Jugendvollzug ausgenommen“. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2014 teilte die Justizvollzugsanstalt Zweibrücken mit, der Verurteilte sei am 21. Oktober 2014 in die Justizvollzugsund Sicherungsverwahrungsanstalt Diez verlegt worden. Mit Verfügung vom 14. Januar 2015 übersandte das Amtsgericht Neuwied die Akte dem Amtsgericht Diez mit der Bitte um Übernahme der Vollstreckung nach § 85 Abs. 2 JGG.

Mit Beschluss vom 5. Oktober 2016 gab das Amtsgericht Diez die weitere Vollstreckung nach § 85 Abs. 6 JGG an die Staatsanwaltschaft Koblenz ab, da der Verurteilte das 24. Lebensjahr vollendet habe, die Vollstreckung der Jugendstrafe nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene erfolge und der Strafvollzug voraussichtlich noch länger dauere. Die Staatsanwaltschaft Koblenz sandte die Akten mit Verfügung vom 14. Oktober 2016 „unter Ablehnung der Übernahme“ zurück, weil dem vorliegenden Vollstreckungsheft keine „wirksame Ausnahme aus dem Jugendvollzug“ zu entnehmen sei und Zweifel an einer noch länger andauernden Vollstreckung bestünden. Das Amtsgericht Diez ersuchte mit Verfügung vom 27. Oktober 2016 die Justizvollzugsund Sicherungsverwahrungsanstalt Diez um Berichterstattung zum aktuellen Vollzugsverlauf und um Mitteilung, wann genau und durch wen die Ausnahme aus dem Jugendvollzug verfügt worden sei. Hierauf teilte die Justizvollzugsund Sicherungsverwahrungsanstalt Diez mit Schreiben vom 3. November 2016 mit, dass der Verurteilte bereits am 24. März 2016 in die Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt verlegt worden sei.

Mit Beschluss vom 7. November 2016 gab das Amtsgericht Diez die weitere Vollstreckung an den Jugendrichter bei dem Amtsgericht Schwalmstadt ab. Dieser sandte die Akten mit Verfügung vom 15. November 2016 zurück mit der Anregung das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Koblenz abzugeben, da der Beschluss vom 5. Oktober 2016 bindend sei. An dieser Auffassung hielt das Amtsgericht Schwalmstadt auch auf Gegenvorstellung des Amtsgerichts Diez fest.

Das Amtsgericht Diez hat mit Beschluss vom 30. November 2016 die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.

II.

Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung ist zurückzuweisen, da keines der streitenden Gerichte zuständig ist.

Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt:

„Zuständig für die Einleitung der Vollstreckung war der Jugendrichter des Amtsgerichts Neuwied (§ 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 JGG i.V.m. §§ 151, 152 Abs. 2 FamFG). Denn im Bezirk dieses Amtsgerichts hatte der Verurteilte seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Dass er sich bereits in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Zweibrücken befand, berührt die Zuständigkeit nicht (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 1 AR(S) 65/09 -).

Ein Übergang der Zuständigkeit nach § 85 Abs. 2 Satz 1 JGG auf den Jugendrichter des Amtsgerichts Zweibrücken ist nicht erfolgt. Denn die von dieser Vorschrift vorausgesetzte „Aufnahme“ des Verurteilten in diese Justizvollzugsanstalt zum Vollzug der Jugendstrafe ist zwar vom Amtsgericht Neuwied erbeten, tatsächlich aber nicht mehr umgesetzt worden. Das ergibt sich aus dem zeitlichen Ablauf, nämlich daraus, dass das Aufnahmeersuchen erst am 20. Oktober 2014 abgesandt, der Verurteilte aber bereits am 21. Oktober 2014 nach Diez verlegt wurde (vgl. Eisenberg, JGG, § 85 Rn. 10). Es ist aber auch nicht zu einem Übergang der Zuständigkeit nach § 85 Abs. 2 Satz 1 JGG auf den Jugendrichter des Amtsgerichts Diez gekommen. Nach dem Vollzugsplan für die Justizvollzugsanstalten des Landes Rheinland-Pfalz ist die Justizvollzugsund Sicherungsverwahrungsanstalt Diez nur für den Vollzug der Sicherungsverwahrung und von Freiheitsstrafen nach Erwachsenenstrafrecht zuständig, nicht aber für den Vollzug von Jugendstrafen. Hierfür sind in Rheinland-Pfalz nur die Justizvollzugsanstalt Zweibrücken und die Jugendstrafvollzugsanstalten Schifferstadt und Wittlich zuständig. Die Aufnahme des Verurteilten in eine Einrichtung für den Erwachsenenstrafvollzug führt nicht zum Übergang der Vollstreckungszuständigkeit kraft Gesetzes (vgl. BGHSt 27, 25 (26); 30, 9; BGHR JGG § 85 Abs. 2 Übergang 1; Senat, Beschluss vom 2. Juli 2008 - 2 ARs 217/08; OLG Frankfurt am Main, NStZ 2002, 380 (381); Eisenberg, JGG, § 85 Rn. 8). Entsprechendes gilt nach dem hessischen Vollzugsplan für die Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt. Ob die Ausnahme vom Jugendstrafvollzug rechtmäßig angeordnet wurde (vgl. § 89b JGG), spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, weil eine Aufnahme in eine Jugendstrafvollzugsanstalt tatsächlich nicht erfolgt ist. Damit bleibt es grundsätzlich bei der durch § 84 Abs. 2 JGG begründeten Zuständigkeit des Jugendrichters des Amtsgerichts Neuwied.“

Dem schließt sich der Senat an und weist zudem auf die weiteren vom Generalbundesanwalt in den Blick genommenen Möglichkeiten des Amtsgerichts Neuwied hin.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 664

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner