HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 501
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 76/16, Urteil v. 01.02.2017, HRRS 2017 Nr. 501
1. Auf die Revisionen der Angeklagten I. und M. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 6. Juli 2015 in den Fällen II.2-7 der Urteilsgründe sowie im jeweiligen Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es sie betrifft.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten I. wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten I. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünf Fällen unter Einbeziehung einer Strafe aus einem anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Entscheidung nach § 69a StGB getroffen. Den Angeklagten M. hat das Landgericht wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die Revisionen haben mit der Sachrüge hinsichtlich der Verurteilung in den Fällen II.2-7 der Urteilsgründe Erfolg. Die weitergehende Revision des Angeklagten I. ist unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lagerte der Angeklagte I. am 7. Mai 2013 in einer Waschmaschine im Keller des Hauses K. straße in H. 979 Gramm Amphetamin für einen unbekannt gebliebenen Dritten. Die Betäubungsmittel wurden bei einer Durchsuchung sichergestellt. (Fall II.1 der Urteilsgründe).
2. Im Herbst 2013 fragte der Zeuge B. den Mitangeklagten O., der führendes Mitglied des Motorradclubs S. in M. war und zumindest Zugriff auf in einem Labor in den Niederlanden hergestelltes Amphetamin hatte, ob er für ihn im Bereich des Drogenhandels in A. tätig werden könne. O. lehnte dies ab, änderte aber seine Meinung, als er feststellte, dass der Zeuge B. in einem Supporter-Shirt des MC S. Drogen auf eigene Rechnung verkaufte. Er machte B. klar, dass er nunmehr für ihn arbeiten müsse, und teilte ihm mit, demnächst würde sich ein J. - hierbei handelt es sich um den Angeklagten I. - melden und er habe dann das zu tun, was dieser ihm auftrage. Ansonsten habe er mit Konsequenzen zu rechnen.
Bei einem Treffen des Angeklagten I. mit dem Zeugen B. im Oktober 2013 erteilte dieser im Auftrag des Mitangeklagten O. die Anweisung zur Abholung und Weitergabe von einem Kilogramm Amphetamin. Dementsprechend folgte der Zeuge einer unbekannt gebliebenen Person in einem PKW und nahm von dieser schließlich das Rauschgift in Empfang, von dem er anschließend jeweils 200 Gramm an zwei Abnehmer weiterreichte. Die restlichen 600 Gramm wurde der Zeuge zunächst nicht los (II.2 der Urteilsgründe).
Dies erboste den Mitangeklagten O., der sich zur Verbesserung des Absatzes nunmehr entschloss, sich mit dem Angeklagten I. und jeweils einer weiteren, nicht zwingend ihm selbst, aber dem Angeklagten I. bekannten Person zusammenzuschließen. Plan war, dass der Mitangeklagte O. das Amphetamin herstellen lässt, dieses dem Angeklagten I. übergibt und dieser die Betäubungsmittel dann seinerseits an den Zeugen B. weiterreicht. B. sollte die Drogen in seiner Wohnung vorrätig halten, in kleine Verkaufseinheiten verpacken und sodann auf Abruf an weitere, von dem Angeklagten I. auf Anweisung des Angeklagten O. beauftragte Personen weitergeben, die sie gewinnbringend weiterveräußern sollten. Die Erlöse sollten zum Teil nach Thailand überwiesen werden, wo sich die Angeklagten O. und I. mehrere Wochen im Jahr aufhielten. Der Angeklagte M. und der gesondert verfolgte Y. waren in diese Abrede dergestalt eingebunden, dass sie in die arbeitsteilige Begehensweise des Angeklagten I. - ihrer Kontaktperson - und des Chefs, des Angeklagten O., eingeweiht waren. In Ausführung dieser Bandenabrede kam es zu folgenden Taten:
a) Im Oktober 2013 kam es zu einem Treffen des Zeugen B. mit O. und I. Er übergab ihnen die verbliebenen 600 Gramm Amphetamin (II.2 der Urteilsgründe) und erhielt ein neues Kilo sowie die Anweisung, dieses an Dritte weiterzugeben, damit diese es gewinnbringend weiterveräußerten. In der Folgezeit meldeten sich Y. sowie der Angeklagte M. bei B. und forderten die Übergabe von Amphetamin. Beide waren hierzu von I. im Auftrag des O. veranlasst worden. B. übergab Y. einmal 300 Gramm, später noch einmal 200 Gramm des Rauschgifts. M. erhielt 500 Gramm (Fall II.3 der Urteilsgründe).
b) Am 26. Dezember 2013 erhielt der Zeuge B. erneut ein Kilogramm Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 19,9%, das er nach telefonischer Anforderung von Y. und M. - jeweils in einer Menge von 500 Gramm - weiterleitete (Fall II.4 der Urteilsgründe).
c) Kurze Zeit später, noch vor dem 4. Januar 2014, übergab der Angeklagte I. im Auftrag des O. dem Zeugen B. drei Kilogramm Amphetamin. Davon reichte er 500 Gramm an Y. und zwei Kilogramm an den Angeklagten M. weiter (Fall II.5 der Urteilsgründe).
d) Nach dem 18. Januar 2014 teilte der Angeklagte I. dem Zeugen B. mit, dass nunmehr ein D. (gemeint war der Mitangeklagte R.) seine Aufgabe übernehmen werde. R. war nicht in die Bandenabrede eingebunden, sondern hatte vom Mitangeklagten O. die Anweisung erhalten, für ihn tätig werden zu sollen. Kurz danach trat zudem der Angeklagte I. an den Mitangeklagten R. heran und erklärte, dass er jetzt - wenn er ihm noch geschuldetes Geld nicht zurückzahlen könne - etwas für ihn tun müsse, indem er eine bei ihm hinterlegte Tüte dem Zeugen B. übergebe. R. und B. vereinbarten in der Folgezeit eine Lieferung von 6 ½ Kilogramm Amphetamin, wobei schließlich lediglich 3 ½ Kilogramm am 14. Februar 2014 geliefert wurden. Dabei handelte es sich um das in der „Tüte“ enthaltene, von dem Angeklagten I. im Auftrag des O. beim Zeugen B. hinterlegte Rauschgift. B. übergab hiervon jeweils ein Kilogramm an Y. und den Angeklagten M. (Fall II.6 der Urteilsgründe).
e) Am 22. Februar 2014 übergab der Angeklagte im Auftrag des O. erneut ein Kilogramm Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 19,9% sowie 48,9 Gramm Ecstasy-Tabletten mit einem Wirkstoffgehalt von 26,9 Gramm MDMA. Die Betäubungsmittel sollte der Zeuge B. an den Angeklagten M. weiterreichen, dazu kam es aber nicht mehr, nachdem es am 23. Februar 2014 zu einer Durchsuchung von dessen Wohnung und zur Sicherstellung dieser und weiterer Betäubungsmittel kam (II.7 der Urteilsgründe).
3. In der Zeit zwischen dem 7. Mai 2013 und dem 20. Mai 2014 fuhr der Angeklagte I. an fünf Tagen im öffentlichen Straßenverkehr mit einem PKW, obwohl er nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war (Fälle II.8-12 der Urteilsgründe).
Die Revision des Angeklagten M. hat in vollem Umfang Erfolg.
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe in sämtlichen ihm zur Last gelegten Fällen (täterschaftlich) den Tatbestand des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verwirklicht (UA S. 72), hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es fehlt - da nicht jeder Beteiligte an einer Bandentat schon deshalb als Mittäter anzusehen ist (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 244 Rn. 39 m.N. zur Rspr.) - insoweit an der erforderlichen Abgrenzung zwischen Täterschaft und Beihilfe, die schon angesichts der landgerichtlichen Feststellung, der Angeklagte habe im Rahmen der Bandenstruktur nur eine untergeordnete Rolle innegehabt, vonnöten gewesen wäre. Hinzu kommt, dass der Angeklagte M. sich nach den Feststellungen jeweils nur nach Beauftragung des hierzu vom Mitangeklagten O. angewiesenen Angeklagten I. bei dem Zeugen B. meldete und dort die Betäubungsmittel zur gewinnbringenden Weiterveräußerung abholte. Ob darin - angesichts des Umstands, dass dem landgerichtlichen Urteil keine Hinweise zum Weiterveräußerungsvorgang, zu dem dabei erzielten Gewinn und zu einer etwaigen Beteiligung des Angeklagten M. hieran zu entnehmen sind - ein täterschaftliches Handeltreiben liegt, hätte näherer Erörterung bedurft.
Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht den Wegfall des Gesamstrafenausspruchs nach sich.
Die Revision des Angeklagten I. hat Erfolg, soweit dieser wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen (Fälle II.3-7 der Urteilsgründe) sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.2 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist; im Übrigen ist sie unbegründet.
Auch hinsichtlich des Angeklagten I. hätte die Annahme täterschaftlichen Handelns in den genannten Fällen näherer Erläuterung bedurft. Nach den Feststellungen des Angeklagten handelte der Angeklagte I. jeweils auf Anweisung des Mitangeklagten O. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Beauftragung des Zeugen B. wie auch mit Blick auf die Einschaltung der zur Abholung angewiesenen M. und Y. Es versteht sich angesichts des Umstands, dass nicht festgestellt ist, in welchem Verhältnis O. und der Angeklagte I. zueinander standen und in welcher Weise I. von den Betäubungsmittelgeschäften profitiert hat, auch nicht von selbst, dass die Rolle des Angeklagten I. über die Rolle eines bloßen Handlangers und Kuriers hinausgegangen ist.
Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen II.2-7 der Urteilsgründe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch die Frage der bandenmäßigen Begehung der Betäubungsmitteldelikte in den Fällen II.3-7 der Urteilsgründe einer vertiefteren Erörterung bedarf. Die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht das Vorliegen einer Bande begründet hat, nimmt nicht die jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossene Möglichkeit in den Blick, dass der Angeklagte M. und der gesondert verfolgte Y. als selbständige Erwerber der Gruppierung um den Angeklagten O. im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung gehandelt haben könnten (vgl. Senat, NStZ-RR 2008, 55). Insoweit bedarf es einer umfassenden sorgfältigen Prüfung, ob - entsprechend den bisher getroffenen Feststellungen - die zur Annahme eines vom Angeklagten O. organisierten Weiterverkaufs durch M. und Y. vom Landgericht herangezogenen Umstände (UA S. 69 f.; übergeordnete Rolle des O., feste Aufgabenverteilung, Abholung der Betäubungsmittel bei B. jeweils nur nach dessen Belieferung) einen bandenmäßigen Zusammenschluss unter Einbeziehung des M. oder des gesondert verfolgten Y. belegen können. Gegebenenfalls wird zu prüfen sein, ob nicht (auch) der Zeuge B. eine Vereinbarung mit den Angeklagten O. und I. zur künftigen Begehung von Betäubungsmittelstraftaten eingegangen und damit Mitglied eines auf den Handel mit Betäubungsmitteln gerichteten Zusammenschlusses geworden ist.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 501
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede