HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 192
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 456/16, Urteil v. 23.08.2017, HRRS 2018 Nr. 192
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 21. April 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Das Verfahren wird eingestellt, soweit dem Angeklagten Untreue zur Last liegt. Die insoweit entstandenen Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
3. Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Fulda zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 100 € verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, die sich mit Einzelausführungen gegen den Freispruch und dagegen wendet, dass das Landgericht den Angeklagten nicht wegen vorsätzlicher, sondern lediglich wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung verurteilt hat.
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils und - soweit der Angeklagte wegen des Vorwurfs der Untreue freigesprochen wurde - wegen eines Verfahrenshindernisses zur Verfahrenseinstellung.
1. Das Landgericht hat - soweit für die Entscheidung von Bedeutung - folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Angeklagte war ab dem Jahr 2003 bis zu seinem Rücktritt im März 2012 Bürgermeister der hessischen Gemeinde S. Das „Herzstück“ des Kurorts war das Hotel Ba., welches aufgrund einer finanziellen Schieflage im Jahr 2000 hatte schließen müssen. Wegen der Bedeutung des Kurhotels für die Gemeinde wurde nach dem Amtsantritt des Angeklagten im Jahr 2003 ein Konzept zu dessen Wiedereröffnung entwickelt, an dem unter anderem private Investoren beteiligt werden sollten. Zu diesem Zweck wurde im Jahr 2005 die „B. gesellschaft mbH“ (im Folgenden „B. GmbH“) gegründet, deren Geschäftsführer der Angeklagte war. Gesellschafter der B. GmbH waren die „Bä. GmbH“, eine 100%ige Tochtergesellschaft der Gemeinde S., sowie etwa 30 private Investoren, darunter der Angeklagte und seine Söhne. Im Jahr 2006 wurde das Kurhotel Ba. wiedereröffnet. Der Betrieb des Hotels erfolgte durch die „Ba. GmbH & Co KG“ (im Folgenden „Ba. KG“). Kommanditistin war die „Ba. Verwaltungs GmbH“, Komplementäre waren unter anderem die B. GmbH sowie ab Juli 2011 auch die E. GmbH. Der Angeklagte hielt Beteiligungen an der Ba. KG, zudem war er einer von drei Gesellschaftern der E. GmbH.
Geschäftsführer der Ba. KG war ab Mitte Juli 2011 der mittlerweile verstorbene frühere Mitbeschuldigte N. F., der hierfür ein (lediglich buchhalterisch erfasstes) Gehalt von 800 € brutto monatlich bezog. Dieser entfaltete allerdings keine eigenen Aktivitäten im Hinblick auf die Führung des Hotels, sondern der Ba. wurde maßgeblich von häufig wechselnden Direktoren geführt, deren Entscheidungen N. F. mangels Sachkenntnis widerspruchslos akzeptierte. Wegen seiner eigenen, nicht unerheblichen finanziellen Beteiligung mischte sich der Angeklagte zunehmend in das laufende Geschäft der Ba. KG ein, was von der Geschäftsführung jeweils gebilligt wurde. Im August 2011 wurde der Angeklagte mit Kontovollmachten ausgestattet. Ab Mitte September 2011 war der Angeklagte nahezu täglich vor Ort, kümmerte sich um Marketingmaßnahmen des Hotels, schloss Verträge mit Reiseanbietern ab, unterzeichnete Kündigungen, erstellte eigene Budgetpläne und führte die für den Betrieb maßgeblichen Vertrags- und Kreditverhandlungen. Ohne Zustimmung des Angeklagten durfte die Buchhaltung keine Zahlungen mehr tätigen, und von dem im Herbst 2011 neu eingesetzten Hoteldirektor, dem Zeugen O., wurde der Angeklagte als direkter Vorgesetzter angesehen. Die Strafkammer hat angenommen, dass der Angeklagte jedenfalls im Jahr 2012 aufgrund seines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäfte und die betriebsinternen Abläufe faktischer Geschäftsführer der Ba. KG war.
Die finanzielle Lage der Ba. KG hatte sich von Anfang an als problematisch gestaltet. Die Finanzierung war ursprünglich auf ein Volumen von 4 Millionen € ausgelegt gewesen, tatsächlich waren aber im Zusammenhang mit der Aufnahme des Hotelbetriebs bereits 5,4 Millionen € für Investitionen angefallen. Im Jahr 2009 hatte die Gemeinde S. offene Forderungen im sechsstelligen Bereich gegen ortsansässige Unternehmen, darunter auch die Ba. KG. Eine Insolvenz der als wichtig angesehenen Betriebe, insbesondere des Hotelbetriebs des Ba. s, sollte aus Sicht von Gemeindevor stand und -vertretung nach Möglichkeit vermieden werden, zumal der Verlust von Arbeitsplätzen gedroht hätte. Daher fasste der Gemeindevorstand am 2. November 2009 einen Beschluss zur Beitreibung kommunaler Forderungen. Dieser sah vor, dass Zahlungen der Schuldner zunächst nur angemahnt, aber nicht vollstreckt werden sollten und bei größeren Rückständen der Gemeindevorstand im Einzelfall über die jeweilige Vorgehensweise entscheidet. In Umsetzung dieses Beschlusses wies der Angeklagte die Verwaltung an, die Rückstände des Ba. s nicht beizutreiben, wobei er gegenüber dem Kämmerer äußerte, dies bringe ohnehin nichts, da kein Geld da sei.
Im Jahr 2010 bestanden gegenüber der Ba. KG Forderungen der „K. GmbH“ (im Folgenden „K. GmbH“), einer 100%igen Tochtergesellschaft der Gemeinde S., wegen Kurtaxen sowie Forderungen der Gemeinde S., resultierend aus Strom- und Wasserversorgung, Gebühren und Grundsteuern in Höhe von etwa 149.000 €. Aufgrund ihrer finanziellen Lage beantragte die Ba. KG die Stundung der offenen Verbindlichkeiten, woraufhin die Gemeindevertretung in einer Sitzung vom 22. Juni 2010 beschloss, der Ba. KG die Möglichkeit einzuräumen, die Zahlungsrückstände in monatlichen Raten zu jeweils 3.000 € zu tilgen. An der Beratung und Beschlussfassung der Gemeindevertretung nahm der Angeklagte unter Hinweis auf § 25 Hessische Gemeindeordnung nicht teil. In den Monaten August bis Oktober 2010 zahlte die Ba. KG die geforderten Raten an die Gemeinde, danach wurden die Zahlungen jedoch eingestellt. Ungeachtet dessen wurden die Rückstände von der Gemeinde nicht geltend gemacht. Die finanzielle Lage der Ba. KG blieb weiterhin angespannt, woran auch ein Sanierungsschnitt im Jahr 2011 nichts ändern konnte. So wurden Zahlungen auf Verbindlichkeiten aus dem laufenden Geschäftsbetrieb des Hotels vorrangig an solche Gläubiger geleistet, die ihre Forderungen mit Nachdruck geltend machten. Teilweise konnten Gehälter zunächst nur hälftig ausgezahlt werden.
Nach der Kommunalwahl änderte sich im Frühjahr 2011 die personelle Zusammensetzung des Gemeindevorstands. Die Zahlungsrückstände der Ba. KG und deren Begleichung waren nun vielfach Gegenstand von Gemeindevorstandssitzungen. Hierbei erteilte der Angeklagte mehrfach mündlich über die Höhe der Rückstände Auskunft. Dass in diesem Zusammenhang von dem Angeklagten unrichtige Angaben getätigt wurden, hat das Landgericht nicht festgestellt. Im Dezember 2011 beschloss die Gemeindevertretung, dass die Stromlieferung an den Ba. nur noch gegen Vorkasse erfolgen solle. Mit Schreiben vom 10. Januar 2012 teilte der Gemeindevorstand der Ba. KG mit, dass die Gemeinde die Stromlieferungen zum 29. Februar 2012 einstellen werde. Gleichzeitig wurden die Zahlungen für die Stromlieferungen aus den Jahren 2009 bis 2011 in Höhe von insgesamt 117.698,22 € eingefordert. Am 27. Januar 2012 bestanden gegenüber der Ba. KG Forderungen der K. GmbH wegen Kurtaxen in Höhe von 125.589,54 € sowie Forderungen der Gemeinde S., resultierend aus Strom- und Wasserversorgung, Gebühren und Grundsteuern in Höhe von 158.662,77 €, welche die Ba. KG weder aus vorhandenen Guthaben und Einnahmen noch durch die Aufnahme von Darlehen erfüllen konnte. Einen Insolvenzantrag stellte der Angeklagte jedoch nicht. Er ging nicht davon aus, faktischer Geschäftsführer der Ba. KG zu sein. Zudem vertraute er auch im Jahr 2012 noch darauf, dass die Gemeinde ihre Forderungen gegenüber der Ba. KG - wie auch in der Vergangenheit - weiterhin nicht ernsthaft einfordern würde, und zog daraus den Schluss, dass die Forderungen der Gemeinde nicht fällig im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO seien.
Das Landgericht hat angenommen, dass dem Angeklagten die finanzielle Lage der Ba. KG spätestens ab September 2011 vollständig bekannt gewesen sei, weil er nahezu täglich vor Ort gewesen sei, eigene Budgetpläne erstellt und auch im eigenen Interesse die finanzielle Situation sowie Zahlungen der Ba. KG kontrolliert sowie entsprechende Kontovollmachten besessen habe. Zudem habe der Angeklagte in einem Schreiben vom 26. Januar 2012 an den Vorsitzenden der Gemeindevertretung einen Antrag auf eine außerplanmäßige Sitzung „zur Wahrung der gemeindlichen Interessen“ gestellt und darin ausgeführt, dass die Sparkasse vorab telefonisch mitgeteilt habe, sie werde dem Ba. eine neue Finanzierung nur gewähren, wenn die Gemeinde ihre Forderungen langfristig finanziere. Allerdings gehe die Sparkasse davon aus, dass mit Fälligstellung der Forderungen der Gemeinde auch bei Gewährung eines Darlehens durch die Sparkasse der Ba. KG nicht genügend Mittel zur Überbrückung des Liquiditätsengpasses zur Verfügung stehen würden. Daher könne eine Insolvenz der Ba. KG nur abgewendet werden, wenn die Gemeinde einer langfristigen Finanzierung ihrer offenen Forderungen zustimme. Dies geschah letztlich nicht.
Am 2. März 2012 trat der Angeklagte von seinem Amt als Bürgermeister zurück. Im April 2012 kam es zu einer Besprechung von Mitgliedern der Gemeindevertretung und des Gemeindevorstands, in der unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts die finanzielle Situation der Ba. KG erörtert und über die Stellung eines Insolvenzantrags nachgedacht wurde. Man kam überein, zunächst von der Stellung eines Insolvenzantrags abzusehen und die weitere Entwicklung abzuwarten, wobei von offenen Forderungen gegenüber der Ba. KG in Höhe von ca. 350.000 € ausgegangen wurde. Sowohl die Gemeindevertretung als auch der Gemeindevorstand waren weiterhin bestrebt, eine Insolvenz nach Möglichkeit zu vermeiden. Es kam auch nicht zu der mehrfach angedrohten Einstellung der Stromlieferung. Zum einen war es technisch nicht durchführbar, den Strom ausschließlich für das Hotel Ba. abzustellen, ohne dass weitere Stromabnehmer von der Maßnahme betroffen gewesen wären. Zum anderen bestanden rechtliche Bedenken hinsichtlich der Durchsetzung der Stromsperre. Schließlich war den handelnden Personen klar, dass die Durchführung der Stromsperre zur Einstellung des laufenden Betriebs im Ba. führen würde.
Am 14. November 2012 stellte die Gemeinde S., vertreten durch ihren neuen Bürgermeister, als Gläubigerin beim Amtsgericht Fulda einen Insolvenzantrag über das Vermögen der Ba. KG. Diese Entscheidung war am 31. Oktober 2012 im Rahmen einer Gemeindevertretersitzung getroffen worden. Ausschlaggebend hierfür war der Umstand, dass allein in den vorangegangenen fünf Monaten weitere Forderungen gegenüber der Ba. KG in Höhe von ca. 70.000 € entstanden waren. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 1. Februar 2013 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
1. Die mit der näher ausgeführten Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Einstellung des Verfahrens, soweit der Angeklagte vom Vorwurf der Untreue freigesprochen wurde (Anklagepunkt Ziff. 1); insofern fehlt es an einer wirksamen Anklage.
a) Dem liegt Folgendes zu Grunde:
Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Fulda vom 21. August 2013 legt dem Angeklagten - neben dem Vorwurf der Insolvenzverschleppung gemäß § 15a InsO (Anklagepunkt Ziff. 2) - zur Last, im Tatzeitraum „seit Juni 2010“ eine Untreue zum Nachteil der Gemeinde S. gemäß § 266 Abs. 1 StGB begangen zu haben (Anklagepunkt Ziff. 1). Im konkreten Anklagesatz wird zum Untreuevorwurf einleitend dargestellt, dass der Angeklagte seit 2003 bis zu seinem Rücktritt im März 2012 Bürgermeister der Gemeinde S. war und außerdem als faktischer Geschäftsführer der Ba. KG tätig wurde. Weiter werden die Beteiligungen des Angeklagten an den „Ba. gesellschaften“ aufgeführt und erläutert, dass die Gemeinde zu 100% an der K. GmbH beteiligt war, über die sie die von den „Ba. gesellschaften“ vereinnahmten Kurtaxenbeträge erhielt. Zudem wird mitgeteilt, dass von der Ba. KG seit dem Jahr 2005 Kurtaxen erhoben wurden, diese aber zumindest ab dem Jahr 2009 nicht bzw. nicht vollständig an die Gemeinde abgeführt wurden. Desweiteren werden die von der Ba. KG geschuldeten Kurtaxenbeiträge und weitere offene Verbindlichkeiten (wie Stromkosten und Grundsteuern etc.) gegenüber der Gemeinde im Zeitraum von 2008 bis 2012 dargelegt.
Zur Tat selbst ist in der Anklageschrift ausgeführt: „Der Angeschuldigte verweigerte aber auf Anfragen des Gemeindevorstandes und der Kommunalaufsicht zunehmend die Auskunftserteilung über den Stand der Zahlungen der Kurtaxen sowie der weiteren Verbindlichkeiten und veranlasste, obwohl er dazu verpflichtet, fähig und rechtlich in der Lage gewesen war, zumindest ab Juni 2010 nicht deren Zahlung.“ Schließlich heißt es: „Hierdurch wurden die Vermögensinteressen der Gemeinde S., welche der Angeschuldigte als Bürgermeister und Aufsichtsrat der K. GmbH zu beachten hatte, zumindest ab der Stundungsvereinbarung vom Juni 2010 bis zu seinem Rücktritt als Bürgermeister am 2. März 2012, beeinträchtigt und es entstand der Gemeinde S. ein sich jährlich vergrößernder Schaden aufgrund der nicht gezahlten Verbindlichkeiten und Nichteinhaltung der Ratenzahlungsvereinbarung in der Zeit von Juni 2010 bis Anfang 2012 von zuletzt insgesamt 284.252,31 Euro.“ Eine detailliertere Darstellung des Tatvorwurfs, insbesondere eine nähere Konkretisierung der untreuerelevanten Tathandlungen, enthält die Anklage nicht.
b) Die Anklageschrift genügt in Bezug auf den Vorwurf der Untreue zum Nachteil der Gemeinde (Anklagepunkt Ziff. 1) nicht den sich aus der Umgrenzungsfunktion ergebenden Mindestanforderungen an die Konkretisierung der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat (§ 200 Abs. 1 Satz 1 StPO).
aa) Eine Anklage ist dann unwirksam mit der Folge, dass das Verfahren wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen ist, wenn etwaige Mängel ihre Umgrenzungsfunktion betreffen (st. Rspr.; Senat, Beschluss vom 4. Februar 2014 - 2 StR 533/13, NStZ-RR 2014, 151; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09, NStZ 2010, 159, 160). Mängel der Informationsfunktion berühren ihre Wirksamkeit dagegen nicht (vgl. Senat, Urteil vom 2. März 2011 - 2 StR 524/10, BGHSt 56, 183, 185). Die Umgrenzungsfunktion der Anklage dient dazu, den Prozessgegenstand festzulegen, mit dem sich das Gericht aufgrund seiner Kognitionspflicht zu befassen hat. Die Anklageschrift hat die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 4. Februar 2014 - 2 StR 533/13, NStZ-RR 2014, 151; BGH, Urteil vom 11. Januar 1994 - 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 45; Beschluss vom 29. November 1994 - 4 StR 648/94, NStZ 1995, 245 jeweils mwN). Jede einzelne Tat muss sich als historisches Ereignis von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen des Angeschuldigten unterscheiden lassen, damit sich die Reichweite des Strafklageverbrauchs und Fragen der Verfolgungsverjährung eindeutig beurteilen lassen (Senat, Urteil vom 2. März 2011 - 2 StR 524/10, BGHSt 56, 183, 186). Die Umstände, welche die gesetzlichen Merkmale der Straftat ausfüllen, gehören dagegen nicht zur Bezeichnung der Tat. Wann die Tat in dem beschriebenen Sinne hinreichend umgrenzt ist, kann nicht abstrakt, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles festgelegt werden (Senat, Urteil vom 2. März 2011 - 2 StR 524/10, BGHSt 56, 183, 186). So kann sich etwa aus der besonderen rechtlichen Ausgestaltung eines Deliktstatbestands ergeben, dass erhöhte Anforderungen zu stellen sind (BGH, Beschluss vom 5. Mai 1999 - 3 StR 153/99, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 23).
bb) Den sich danach ergebenden Anforderungen an die Umgrenzung des Prozessgegenstands wird die Anklageschrift vom 21. August 2013 im Anklagepunkt Ziffer 1 - insbesondere vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Präzisierungsgebots beim Untreuetatbestand (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08, BVerfGE 126, 170, 198) - nicht gerecht. Aus der Anklageschrift ergibt sich nicht hinreichend konkret, welche bestimmte Tat die Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten - über die Insolvenzverschleppung hinaus - als Untreue zum Nachteil der Gemeinde zur Anklage bringen wollte. Insofern fehlt es insbesondere an der Konkretisierung eines nach § 266 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßigen Verhaltens des Angeklagten zum Nachteil der Gemeinde (vgl. Senat, Beschlüsse vom 3. Februar 1995 - 2 StR 630/94, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 10 und vom 4. Februar 2014 - 2 StR 533/13, NStZ-RR 2014, 151; BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2002 - 3 StR 315/02; wistra 2003, 111, 112).
(1) Der Anklagesatz enthält zunächst in Bezug auf den Untreuevorwurf lediglich eine allgemein gehaltene, zusammenfassende Schilderung, dass der Angeklagte seit Juni 2010 auf Anfragen des Gemeindevorstandes und der Kommunalaufsicht „zunehmend die Auskunftserteilung über den Stand der Zahlungen der Kurtaxen sowie der weiteren Verbindlichkeiten verweigerte“. Diese Beschreibung reicht nicht aus, eine mögliche Untreuestraftat des Angeklagten hinreichend deutlich im Sinne des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO zu umgrenzen. Es bleibt - neben der vagen zeitlichen Eingrenzung - vollständig offen, welches von anderen gleichartigen Taten abgrenzbare, individualisierbare Verhalten (Tun oder Unterlassen) im Zusammenhang mit Anfragen einer Institution (Gemeindevorstand oder Kommunalaufsicht) als untreuerelevante und zu einem Schaden der Gemeinde führende Pflichtverletzung dem Angeklagten zur Last gelegt werden soll.
Näheres ergibt sich auch nicht aus dem sonstigen Inhalt der Anklageschrift. Zwar dürfen bei der Prüfung, ob die Anklage die gebotene Umgrenzung leistet, die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Ergänzung und Auslegung des Anklagesatzes herangezogen werden (BGH, Urteil vom 17. August 2000 - 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 134; Urteil vom 22. August 2001 - 5 StR 431/00, NStZ 2001, 656, 657; Beschluss vom 19. Februar 2008 - 1 StR 596/07, BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 24; KK-StPO/Schneider, 7. Aufl., § 200 Rdn. 31 mwN), wenn sich aus diesem zumindest Grundlagen einer Tatbeteiligung ergeben (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09; NStZ 2010, 159, 160). Zur näheren Konkretisierung tragen die Angaben im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen vorliegend jedoch nicht bei. Hieraus ergeben sich lediglich genauere Informationen zur Person des Angeklagten, zu den Aussagen von Zeugen, den durchgeführten Finanzermittlungen sowie zur Zahlungsunfähigkeit der Ba. KG. Zu möglichen (Teil-)Akten einer Untreuehandlung des Angeklagten lässt auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen jedwede Information vermissen, insbesondere enthält es keine Angaben zu etwaigen an den Angeklagten als Bürgermeister gerichteten Anfragen von Gremien oder Aufsichtsbehörden, zu erteilten oder unterlassenen Auskünften des Angeklagten oder zu sonstigen möglichen untreuerelevanten Handlungen.
(2) Soweit im konkreten Anklagesatz weiter geschildert wird, der Angeklagte habe die Zahlung der Kurtaxen sowie der weiteren Verbindlichkeiten des Ba. s nicht „veranlasst“, liegt darin ebenfalls keine hinreichende Konkretisierung der ihm zur Last gelegten Untreuetat im Sinne des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO. Dieser Sachverhalt betrifft ersichtlich sein Nichttätigwerden als faktischer Geschäftsführer der Ba. KG (und nicht sein Handeln als Bürgermeister), denn nur als solcher war der Angeklagte in die betrieblichen Vorgänge des Hotels eingebunden und befugt, Zahlungen für die Gesellschaft vorzunehmen. Handlungen des Angeklagten als Geschäftsführer des Ba. s, etwa zum Nachteil einer der „Ba. gesellschaften“ - sollten nach dem Willen der Staatsanwaltschaft allerdings ausdrücklich nicht angeklagt werden, was auch der Begleitverfügung der Staatsanwaltschaft Fulda vom 21. August 2013 zu entnehmen ist, wonach das Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 StPO auf die Untreue zum Nachteil der Gemeinde und die Insolvenzverschleppung beschränkt wurde.
c) Die Unwirksamkeit der Anklageschrift führt zur Verfahrenseinstellung. Die Mängel der Anklageschrift konnten weder durch den Eröffnungsbeschluss vom 16. Dezember 2015, in dem das Landgericht klarstellend Ausführungen zur Konkretisierung des Anklagevorwurfs gemacht hat, noch durch einen gerichtlichen Hinweis zu Beginn der Hauptverhandlung geheilt werden.
Eine unwirksame Anklageschrift stellt keine taugliche Verfahrensgrundlage für das Hauptverfahren dar (LR-StPO/Stuckenberg, 26. Aufl., § 200 Rn. 86; Kuckein, StraFo 1997, 33, 35; SSW-StPO/Rosenau, 2. Aufl., § 200 Rn. 18). Allein der Staatsanwaltschaft obliegt die Pflicht, den Verfahrensgegenstand festzulegen (vgl. BeckOK-StPO/Ritscher, 28. Edition/Stand 1. Juli 2017, § 200 Rn. 20; MüKo-StPO/Wenske, 1. Aufl., § 200 Rn. 111; vgl. schon BGH, Urteil vom 17. August 2000 - 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 134 im Zusammenhang mit der unzulässigen Korrektur des Tatzeitraums durch den Tatrichter, die die Identität zwischen angeklagter und abgeurteilter Tat aufhebt); es widerspräche dem Anklageprinzip des § 151 StPO, dem Gericht die Möglichkeit einzuräumen, eine nicht hinreichend umgrenzte und damit an sich unwirksame Anklage zu konkretisieren, damit sie der erforderlichen Umgrenzungsfunktion genügt (LR-StPO/Stuckenberg, 26. Aufl., § 200 Rn. 88; Kuckein, StraFo 1997, 33, 35; SSW-StPO/Rosenau, 2. Aufl., § 200 Rn. 18). Es ist dem Tatrichter deshalb versagt, eine Anklageschrift, die wie hier auch nach der unter Berücksichtigung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen gebotenen Auslegung der Umgrenzungsfunktion nicht genügt und deshalb unwirksam ist, durch Rückgriff auf außerhalb liegende Umstände zu ergänzen und damit zu heilen. Ansonsten bestünde die nicht hinzunehmende Gefahr, dass sich der Angeschuldigte im Zwischenverfahren nicht angemessen gegen einen für ihn unklaren Tatvorwurf verteidigen kann, wenn eine ausreichende Tatkonkretisierung erst durch das eröffnende Gericht vorgenommen werden würde (vgl. Krause/Thon, StV 1985, 252, 255; Schäpe, Die Mangelhaftigkeit von Anklage und Eröffnungsbeschluss und ihre Heilung im späteren Verfahren, S. 73 f. jeweils unter Hinweis auf den Fair-Trial Grundsatz; vgl. weitergehend auch OLG Schleswig, Beschlüsse vom 3. Mai 1995 - 1 Ws 456 und 457/94, NStZ-RR 1996, 111, 112).
Soweit sich einige ältere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs mit den Möglichkeiten der Heilung von Mängeln bei der Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift befassen, betrafen sie Fälle der „fortgesetzten Handlung“, bei denen es der Bundesgerichtshof für zulässig erachtet hatte, den in der Anklageschrift nicht hinreichend umgrenzten Tatvorwurf im Hinblick auf die Dauer der fortgesetzten Handlung und die Mindestzahl der Einzelakte noch „durch einen Hinweis in der Hauptverhandlung für die Verfahrensbeteiligten erkennbarer“ zu machen (BGH, Urteil vom 3. Mai 1972 - 3 StR 49/72, GA 1973, 111, 112; Senat, Urteil vom 20. Februar 1980 - 2 StR 828/79, GA 1980, 468). Diese Rechtsprechung ist mit der Aufgabe der Rechtsfigur der „fortgesetzten Handlung“ obsolet geworden (so auch MüKo-StPO/Wenske, aaO, § 200 Rn. 111; vgl. aber bei Serienstraftaten OLG Hamm, Beschluss vom 31. Januar 2008 - 3 Ss 500/07, StV 2008, 509, 510). Dies übersieht die heute noch vereinzelt in der Literatur (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 200 Rn. 26, § 207 Rn. 12; Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 200 Rn. 10) und in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22. September 1992 - 3 Ss 31/92, NStZ 1993, 147; OLG Hamm, Beschluss vom 31. Januar 2008 - 3 Ss 500/07, StV 2008, 509, 510) vertretene Gegensicht, die sich zum Teil noch auf die überkommene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stützt, ohne ihre Rechtsauffassung im Übrigen zu begründen.
d) Das Urteil unterliegt insoweit der Aufhebung, das Verfahren ist einzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2000 - 4 StR 245/00, BGHSt 46, 130, 136 f.). Dies steht einer neuen, den verfahrensrechtlichen Anforderungen gerecht werdenden Anklage nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09, NJW 2010, 308, 309; Beschluss vom 29. November 1994 - 4 StR 648/94, NStZ 1995, 245 f.).
2. Das Rechtsmittel hat im Übrigen mit der Sachrüge Erfolg, soweit die Staatsanwaltschaft eine Verletzung des § 264 StPO rügt. Das Landgericht hat seiner umfassenden Kognitionspflicht nicht genügt.
a) Nach § 264 StPO muss das Gericht die in der Anklage bezeichnete Tat so, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aburteilen. Es ist verpflichtet, den Unrechtsgehalt der Tat voll auszuschöpfen, sofern keine rechtlichen Hindernisse im Wege stehen (Senat, Urteil vom 12. Februar 2014 ? 2 StR 308/13, NStZ 2014, 599, 600; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 3 StR 258/13, NStZ-RR 2014, 57; Beschluss vom 9. November 1972 - 4 StR 457/71, BGHSt 25, 72, 75 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 264 Rn. 10). Zur Tat im prozessualen Sinne gehört - unabhängig davon, ob Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt - das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang darstellt (Senat, Urteil vom 21. Dezember 1983 - 2 StR 578/83, BGHSt 32, 215, 216 mwN). Somit umfasst der Lebensvorgang, aus dem die zugelassene Anklage einen strafrechtlichen Vorwurf herleitet, alle damit zusammenhängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse, auch wenn diese in der Anklageschrift nicht ausdrücklich erwähnt sind. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Entscheidend ist, ob zwischen den in Betracht kommenden Verhaltensweisen - unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung - ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (BGH, Urteil vom 17. März 2004 - 5 StR 314/03, NStZ 2004, 582, 583 mwN).
b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil in Bezug auf den Vorwurf der Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO (Anklagepunkt Ziffer 2), der nach dem Gesetz die beiden Eröffnungsgründe der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und der Überschuldung (§ 19 InsO) als Tatbestandsvarianten umfasst, nicht in vollem Umfang gerecht.
aa) Zwar ist die Strafkammer auf Grundlage der getroffenen Feststellungen ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass mit dem Schreiben des Gemeindevorstands vom 10. Januar 2012 Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 InsO eingetreten ist. Es ist ungeachtet der weiteren Gespräche über den Fortbestand der Ba. KG im April 2012 rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von einem „ernsthaften Geltendmachen der nunmehr fälligen Forderungen“ gegenüber der Ba. KG ausgegangen ist (vgl. hierzu Braun, InsO, 7. Aufl., § 17 Rn. 25 ff.; BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - IX ZR 63/08, NZI 2009, 471, 472 f.; BGH, Beschluss vom 21. August 2013 - 1 StR 665/12, NJW 2014, 164, 165; Senat, Beschluss vom 16. Mai 2017 - 2 StR 169/15, juris Rn. 32). Unter Berücksichtigung dieser Forderungen der Gemeinde bestanden zum 10. Januar 2012 fällige Verpflichtungen in einer Höhe, welche die Ba. KG weder aus vorhandenen Guthaben und Einnahmen noch durch die Aufnahme von Darlehen erfüllen konnte.
bb) Allerdings hat das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob neben der festgestellten Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO gegebenenfalls auch der Insolvenzgrund der Überschuldung nach § 19 InsO anzunehmen ist, wozu nach den Feststellungen Anlass bestand.
Eine Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn das Vermögen die Schulden nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Um eine Überschuldung zu ermitteln, bedarf es eines Überschuldungsstatus in Form einer Vermögensbilanz, die über die tatsächlichen Werte des Gesellschaftsvermögens Auskunft gibt (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 518/14, NStZ-RR 2015, 341, 342 mwN). Zwar wird in der Anklageschrift nicht ausdrücklich auf eine bilanzielle Überschuldung der Ba. KG abgestellt. Allerdings besteht in der vorliegenden Konstellation zwischen den beiden Tatvarianten des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO ein derart enger sachlicher Zusammenhang, dass das Landgericht gehalten war, neben dem Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) auch die Überschuldung (§ 19 InsO) der Ba. KG im Tatzeitraum in den Blick zu nehmen und abzuurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2004 - 5 StR 314/03, NStZ 2004, 582, 583). Mögliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Überschuldung lassen sich - zumal Feststellungen zum Wert des durch Investitionen erneuerten Ba. s in den Urteilsgründen fehlen - vorliegend sowohl der Anklageschrift als auch den Urteilsgründen entnehmen. Daraus ergeben sich nicht nur Verbindlichkeiten des Ba. s gegenüber der Gemeinde S. in Höhe von insgesamt mehr als 284.000 €, sondern auch Hinweise auf weitere Schulden der Ba. KG gegenüber sonstigen Gläubigern in nicht unerheblicher Höhe. So war es im Jahr 2011 zu einem Sanierungsschnitt gekommen, der an der finanziell angespannten Situation der Ba. KG nichts ändern konnte. Zahlungen auf Verbindlichkeiten aus dem laufenden Geschäftsbetrieb des Hotels wurden vorrangig an solche Gläubiger geleistet, die ihre Forderungen mit Nachdruck geltend machten. Teilweise konnten Gehälter zunächst nur hälftig ausgezahlt werden. Schließlich weigerte sich die Sparkasse im Januar 2012, der Ba. KG eine Zwischenfinanzierung zu gewähren, ohne dass die Gemeinde einer langfristigen Finanzierung ihrer offenen Forderungen zustimmen würde.
cc) Das von der Anklage umfasste Tatgeschehen hatte das Landgericht - ggf. unter Erfüllung seiner Hinweispflicht nach § 265 Abs. 1 StPO - bei seiner Urteilsfindung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen (vgl. Senat, Urteil vom 12. Februar 2014 ? 2 StR 308/13, NStZ 2014, 599, 600 mwN). Dass die Strafkammer rechtsfehlerhaft dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2012 - 1 StR 648/11, NStZ-RR 2012, 215, 216; Urteil vom 16. Dezember 1982 - 4 StR 644/82, NStZ 1983, 174, 175; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 264 Rn. 12; KK-StPO/Kuckein, aaO, § 264 Rn. 25).
c) Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil auch.
aa) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer der Ba. KG wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 5 InsO strafbar gemacht hat. Dabei hat es ausschließlich auf den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit abgestellt und angenommen, „dass der Angeklagte auch im Januar 2012 auf einen Fortbestand des Stillhalteabkommens vertraute bzw. die Frage der Fälligkeit der Forderungen im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO rechtsirrig verneinte“, weil er bis zuletzt davon ausgegangen sei, dass die Gemeinde die aufgelaufenen Forderungen nicht geltend machen werde. Das Landgericht hat diese Vorstellung des Angeklagten als Irrtum über den Insolvenzgrund angesehen, der einen Tatbestandsirrtum darstelle, mit der Folge, dass eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung nicht in Betracht komme.
bb) Ob damit ein Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Insolvenzgrundes, der einen Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 StGB darstellen würde (vgl. Reinhart in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., InsO, § 15a Rn. 142; MüKo-InsO/Klöhn, 3. Aufl., § 15a Rn. 336 mwN; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 15a Rn. 66), rechtsfehlerfrei nachgewiesen ist, wird das neue Tatgericht genauer als bisher zu untersuchen haben. Bei der Prüfung des subjektiven Tatbestands des § 15a InsO wird es auch den weiteren Insolvenzgrund der Überschuldung in den Blick nehmen müssen. Bei Anzeichen einer Krise hat der Geschäftsführer einer Gesellschaft die Pflicht, sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen und notfalls unter fachkundiger Prüfung zu entscheiden, ob eine positive Fortbestehungsprognose besteht (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, NJW 1994, 2220, 2224 zu § 64 GmbHG aF). Ob der Angeklagte dies getan hat, hat das Landgericht nicht geprüft. Dadurch hat es sich den Blick darauf verstellt, dass der Angeklagte auch insoweit - bedingt vorsätzlich - eine Insolvenzverschleppung begangen haben könnte. Dafür würde es bereits ausreichen, wenn sich der Geschäftsführer - wie hier - trotz der Anzeichen einer Krise keine Informationen über die wirtschaftliche Lage verschafft und deshalb nichts von der Überschuldung gewusst hat (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 24. April 2008 - 8 U 5/08, NZG 2008, 778, 779 f. mwN zu § 64 GmbHG aF).
cc) Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass das Landgericht - hätte es die im Zusammenhang erwähnten Umstände und den Insolvenzgrund der Überschuldung in den Blick genommen - von einer vorsätzlichen Insolvenzverschleppung ausgegangen wäre. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 192
Externe Fundstellen: NJW 2018, 566 ; NStZ 2018, 347 ; StV 2019, 4
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede