HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 234
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 166/16, Beschluss v. 08.12.2016, HRRS 2017 Nr. 234
1. Auf die Revision des Angeklagten T. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9. Oktober 2015
a) soweit dieser verurteilt worden ist,
b) in den Fällen II. 4, 12, 16 und 20 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch, soweit die Mitangeklagten A. und B. davon betroffen sind, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen versuchten Betruges in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg; die Aufhebung ist auf die nicht revidierenden Angeklagten A. und B. zu erstrecken.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bezogen der Angeklagte T. und die nicht revidierenden Mitangeklagten im Jahre 2008 ein gemeinsames Büro. Dort betrieben B. und T. ihre Versicherungsgeschäfte weiter, während der Mitangeklagte A. vorwiegend im Immobilienhandel tätig war. An einigen dieser Immobiliengeschäfte beteiligten sich die Angeklagten B. und T. durch Kundenwerbung, Kundenberatung und/oder Finanzierungsvermittlung, um sich arbeitsteilig und gemeinsam mit A. aus dem Verkauf überteuerter Immobilien eine fortlaufende erhebliche Einnahmequelle zu verschaffen.
Das Geschäftsmodell sah vor, dass der Angeklagte A. günstig Eigentumswohnungen erwarb und sie sodann stark überteuert an finanzschwache, eigentlich kreditunwürdige Interessenten als Beleihungsobjekt weiterveräußerte. Der notarielle Kaufpreis lag deutlich über dem Einkaufspreis, wobei der notarielle Kaufvertrag als Grundlage für die Beantragung entsprechender Immobiliendarlehen diente. Die Käufer wurden, oftmals verschuldet und in erster Linie an einem Verbraucherdarlehen und nicht an dem Erwerb einer Immobilie interessiert, durch Rückzahlungen von durchschnittlich 20 bis 30 % des Kaufpreises aus dem Immobiliendarlehen am Gewinn beteiligt. Zusätzlich wurden sie mit dem Versprechen geworben, ohne Eigenkapital zu Immobilienbesitzern zu werden. Die Darlehensraten sollten sich nach Darstellung der Angeklagten gegenüber den Käufern durch Mieteinnahmen überwiegend selbst tragen.
Dementsprechend kam es in einer Vielzahl von Fällen unter wechselnder Beteiligung zu einem Wohnungsankauf und einer Inanspruchnahme eines zuvor beantragten Darlehens, an die sich ein Zahlungsrückfluss an die Grundstückserwerber anschloss. Bei der Darlehensbeantragung wurden die Banken, denen die versprochenen Rückzahlungen verschwiegen wurden, sowohl über den Wert der Immobilien als auch regelmäßig über die Bonität der Käufer getäuscht. Letzteres wurde in einigen Fällen zusätzlich durch Vorlage gefälschter Einkommensnachweise oder gefälschter Kontoauszüge bewirkt. Die Banken irrten daraufhin über das Ausfallrisiko und gewährten die Darlehen trotz mangelnder Sicherheit und Bonität. In vielen Fällen wurden die Darlehen zwischenzeitlich wegen Zahlungsverzugs gekündigt, nachdem die Darlehensnehmer die Rückzahlungen der Darlehen eingestellt hatten.
Der Angeklagte T., der für seine Tätigkeit jeweils eine Provision erhielt, war an vier der angeklagten Taten (Fälle II. 4, 12, 16 und 20 der Urteilsgründe) beteiligt. Er wurde jeweils (nur) wegen versuchten Betruges verurteilt, weil in diesen Fällen ein „Schaden im Sinne von § 263 StGB zum Zeitpunkt der Darlehenshingabe“ nicht festgestellt werden konnte. Zu diesem Ergebnis gelangte das Landgericht unter Zuhilfenahme sachverständiger Einschätzung. Danach war unter Berücksichtigung der Bonitätssituation der Darlehensnehmer, dem Wert des Grundstücks sowie gegebenenfalls weiterer Sicherheiten nicht feststellbar, dass der Darlehensrückzahlungsanspruch im Zeitpunkt der Darlehensgewährung hinter dem Wert des gewährten Darlehens zurückblieb (UA S. 64: Gruppe 3 der Darlehensnehmer mit ausreichender tatsächlicher Bonität).
2. Die Verurteilung des Angeklagten T. in den Fällen II. 4, 12, 16 und 20 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Zu Recht ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass die Annahme eines vollendeten Betrugs in den genannten Fällen jedenfalls (auch) deshalb ausscheidet, weil der vereinbarten Leistung der Bank angesichts der festgestellten Bonität der Darlehensnehmer eine äquivalente Gegenleistung der Darlehensnehmer gegenübersteht. Die weitere für eine Versuchsstrafbarkeit erforderliche Annahme der Strafkammer aber, der Angeklagte hätte die Möglichkeit, dass die geworbenen Darlehensnehmer aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht in der Lage sein würden, die Raten für das Darlehen zu bezahlen, und so der finanzierenden Bank ein Schaden entstehen könnte, billigend in Kauf genommen, ist widersprüchlich und wird nicht mit Feststellungen belegt. Ergibt sich aus den festgestellten Eigentums- und Vermögensverhältnissen der Kunden gerade eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die die Annahme eines objektiven Schadens ausschließt, und ist es jedenfalls nicht fernliegend, dass der Angeklagte die finanziellen Verhältnisse seiner Kunden auch gekannt hat, ist ohne weitere Anhaltspunkte nicht davon auszugehen, er habe „aufgrund“ dieser finanziellen Situation die Möglichkeit eines Schadenseintritts erkannt. Vielmehr dürfte die Kenntnis einer positiven wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit regelmäßig die Vorstellung von (einem „darauf“ beruhenden) möglichen Schadenseintritt ausschließen, anders könnte es nur dann sein, wenn es konkrete Indizien dafür gäbe, dass die Kunden ungeachtet ihrer finanziellen Situation die eingegangenen Darlehensverpflichtungen nicht erfüllen könnten und würden. Weitere Ausführungen zu den Vorstellungen des Angeklagten, denen sich insoweit Hinweise entnehmen ließen, fehlen in den Urteilsgründen. Auch der Umstand, dass der Angeklagte sich insgesamt glaubhaft geständig eingelassen hat, ist insoweit kein tragfähiges Indiz, da der Inhalt der geständigen Einlassung des Angeklagten in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt wird.
Angesichts der landgerichtlichen Feststellungen zur Bonität der Grundstückserwerber bedarf deshalb der für die Annahme einer Versuchsstrafbarkeit erforderliche Betrugsvorsatz einer neuen Prüfung. Mit der Aufhebung der einzelnen Verurteilungen entfällt ohne Weiteres der Gesamtstrafenausspruch. Die Sache bedarf hinsichtlich des Angeklagten T. insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
3. Die Aufhebung in den Fällen II. 4, 12, 16 und 20 der Urteilsgründe ist auf die jeweils daran beteiligten, nicht revidierenden Mitangeklagten A. und B. zu erstrecken (§ 357 StPO). Auch bei ihnen wirkt es sich aus, dass das Landgericht bei der festgestellten Bonität der Darlehensnehmer nicht im Einzelnen dargelegt hat, welche Vorstellungen die Angeklagten hinsichtlich der Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs gegenüber der Bank gehabt und warum sie trotz der finanziellen Leistungsfähigkeit der Darlehensnehmer gleichwohl die Möglichkeit eines Schadenseintritts erkannt und billigend in Kauf genommen haben sollen. Ebenso wenig wie beim Angeklagten T. liegt es bei ihnen auf der Hand, dass sie - trotz des beschriebenen Geschäftsmodells und der Kenntnis, dass ihre Kunden in erster Linie an einem Verbraucherkredit interessiert waren - ohne Weiteres davon ausgegangen sind oder es billigend in Kauf genommen haben, diese könnten dauerhaft ihre Kreditverpflichtungen nicht erfüllen. Die Angeklagten hatten zum Tatzeitpunkt nach den Feststellungen des Landgerichts nicht nur eine „Bürogemeinschaft“, sondern über längere Zeit auch eine „Zusammenarbeit“ begründet, die in die Tatbeteiligungen an den angeklagten Taten mündeten. Bei dieser Sachlage aber wäre es zwingend erforderlich gewesen, sich auch hinsichtlich dieser Angeklagten mit der inneren Tatseite eingehend auseinander zu setzen.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 234
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2017, 113 ; StV 2017, 653
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede