HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 955
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 161/16, Urteil v. 27.07.2016, HRRS 2016 Nr. 955
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 6. Januar 2016 wird verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Brandstiftung freigesprochen. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten zur Last, in der Nacht vom 2. zum 3. April 2012 das Gebäude des ehemaligen Bahnhofs Nohra in Weimar mittels einer durch ein geöffnetes Dachfenster gelegten Lunte und mittels einer im Dachgeschoss als Brandbeschleuniger vergossenen Flüssigkeit in Brand gesetzt zu haben.
2. Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil es sich von dessen Täterschaft nicht überzeugen konnte.
a) Es hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte war im Frühjahr 2012 Mitglied im Motorradclub (MC) Bandidos in Halle an der Saale im Range eines Anwärters („prospect“). Am 31. März 2012 besuchte er eine Party des MC Bandidos, Chapter Jena, in dessen Clubhaus in der Bahnhofstraße in Weimar. Ebenfalls in Weimar befindet sich das Gebäude des ehemaligen Bahnhofs Nohra, das vom MC Underdogs als Clubhaus genutzt wurde. Der MC Underdogs pflegte einen freundschaftlichen Umgang mit dem MC Hells Angels, der wiederum mit dem MC Bandidos verfeindet ist.
Am 3. April 2012 wurde im Clubhaus des MC Underdogs vorsätzlich ein Brand gelegt. In unmittelbarer Tatortnähe wurde die Reibefläche einer Streichholzschachtel mit einer DNA-Spur des Angeklagten sichergestellt. Ca. drei Monate nach diesem Ereignis war der Angeklagte erneut zu Besuch bei dem MC Bandidos, Chapter Jena.
Im Rahmen der Ermittlungen wurde am 8. Oktober 2012 in der JVA T. der dort inhaftierte H. vernommen, der angab, von dem Mitgefangenen S. gerüchteweise gehört zu haben, der Brand sei von den Magdeburger Bandidos gelegt worden.
Im Frühjahr 2013 wurde der Angeklagte als Vollmitglied des MC Bandidos aufgenommen und mit dem Amt des „sergeant at arms“ betraut. In der Folge war er in gewaltsame Auseinandersetzungen mit Mitgliedern des MC Underdogs Halle verwickelt.
b) Ungeachtet dieser Indizien konnte sich die Kammer nicht von der Täterschaft des Angeklagten überzeugen.
Zwar sei der Angeklagte wenige Tage vor und einige Monate nach dem Brand in Weimar gewesen. Als Mitglied eines rivalisierenden Motorradclubs habe er grundsätzlich auch ein Motiv für die Tat gehabt und die Tat sei ihm charakterlich zuzutrauen. Schließlich sei an der am Tatort aufgefundenen Streichholzreibefläche sein DNA-Muster nachgewiesen worden. Gleichwohl blieben durchgreifende Zweifel an seiner Täterschaft. So sei es durchaus denkbar und nicht fernliegend, dass der Angeklagte bei dem Besuch der Party des MC Bandidos, Chapter Jena, am 31. März 2012 die später aufgefundene Streichholzschachtel in der Hand gehabt und ein anderer Täter aus den Reihen der Bandidos des Chapter Jena diese Streichhölzer - ggf. unter Verwendung von Handschuhen - drei Tage später bei der Brandlegung benutzt habe. Im Übrigen liege es nahe, dass - sollte es tatsächlich Revierkämpfe zwischen den konkurrierenden Motorradclubs gegeben haben - diese zwischen den Mitgliedern der Chapter aus Jena und nicht unter Beteiligung solcher aus Halle oder Magdeburg ausgetragen worden wären. Der angebliche Informant des Zeugen H., der Mitgefangene S., habe sowohl im Ermittlungsverfahren wie auch in der Hauptverhandlung in Abrede gestellt, entsprechende Vermutungen zur Täterschaft Magdeburger Bandidos angestellt zu haben.
In einer Gesamtschau war die Strafkammer deshalb nicht von der Schuld des Angeklagten überzeugt.
Die dagegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils lässt einen durchgreifenden Rechtsfehler nicht erkennen.
1. Auf der behaupteten Verletzung des § 261 StPO kann das Urteil - wie von dem Generalbundesanwalt ausgeführt - hier nicht beruhen. Ob auf der Streichholzreibefläche nur eine oder insgesamt drei DNA-Spuren des Angeklagten sichergestellt wurden, war für die Überzeugungsbildung der Strafkammer erkennbar ohne Belang.
2. Auch die zum Freispruch führende Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Beweiswürdigung ist weder widersprüchlich noch lückenhaft. Der Tatrichter hat alle für eine Täterschaft des Angeklagten sprechenden Indizienbeweise bedacht, erschöpfend gewürdigt und sie in die gebotene umfassende Gesamtwürdigung eingestellt. Wenn er im Ergebnis dessen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überwinden vermochte, ist dies durch das Revisionsgericht hinzunehmen. Insbesondere hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin dabei keine überspannten Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt. Es hat nachvollziehbar und ohne auf nur denktheoretische Überlegungen abzustellen die Möglichkeit der Täterschaft einer anderen Person aufgezeigt.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 955
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede