HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 439
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 430/15, Beschluss v. 03.03.2016, HRRS 2016 Nr. 439
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 16. Juni 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung weiterer Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg.
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist nicht beschränkt, sondern greift das angefochtene Urteil in vollem Umfang an. Es enthält den unbeschränkten Antrag, das Urteil aufzuheben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts wird umfassend erhoben. Die sich anschließenden Einzelerwägungen zur Fehlerhaftigkeit der Strafzumessung dienen ersichtlich nur dem Zweck, das Revisionsgericht zur Prüfung bestimmter Rechtsfragen anzuregen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 344 Rn. 19), ohne das Rechtsmittel auf die Überprüfung des Straf- bzw. Rechtsfolgenausspruchs begrenzen zu wollen. Dies ergibt sich im Wege der Auslegung insbesondere auch aus der am Ende der Rechtsmittelschrift mitgeteilten Ansicht des Rechtsmittelführers, das Urteil sei aufzuheben. Ein Anhaltspunkt für eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ergibt sich hieraus nicht.
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen des Landgerichts ging der Angeklagte, nachdem er auf der Suche nach einem Tresor mit dem Tatopfer in das Obergeschoss gelangt war, die Treppe wieder hinab. Am Ende der Treppe versuchte die Geschädigte, die vor ihm lief, die Haustür zu öffnen, um durch diese zu entkommen. Der Angeklagte verhinderte dies, indem er sie zurückriss, wobei der Angeklagte hierbei ihre Verletzung billigend in Kauf nahm. Das Opfer fiel aufgrund des plötzlichen Zurückreißens neben dem Treppengeländer auf den Flurboden und erlitt durch den Sturz ein Hämatom am linken Unterarm, das nach einigen Tagen abheilte.
Zur Begründung des Körperverletzungsvorsatzes hat sich das Landgericht darauf gestützt, der Angeklagte habe, da er die Geschädigte mit erheblicher Kraft zurückgerissen habe, damit rechnen müssen, dass es hierdurch zu einer Verletzung kommen könne. Hierfür spreche auch, dass es ihm in erster Linie darum gegangen sei, die Flucht der Zeugin zu verhindern. Dass er mit einer Verletzung nicht gerechnet habe, mache im Übrigen der Angeklagte nicht geltend.
Diese Ausführungen der Strafkammer zur Begründung des Tatvorsatzes begegnen rechtlichen Bedenken. Weder das kognitive noch das voluntative Element des Vorsatzes sind damit hinreichend belegt. Bedingt vorsätzlich handelt, wer die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt. Dass der Angeklagte mit einer Verletzung habe rechnen müssen, reicht für die Annahme des Wissenselements des Vorsatzes nicht aus. Erforderlich ist die positive Feststellung, dass er mit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung gerechnet hat.
Ausführungen zum voluntativen Vorsatzelement fehlen völlig. Sie waren auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich ein billigendes Inkaufnehmen einer Verletzung bei dem zugrunde liegenden Sachverhalt von selbst verstehen würde. Der Angeklagte, dem es darum ging, die Geschädigte an der Flucht zu hindern, riss sie zwar mit erheblicher Kraft zurück, dies besagt freilich noch nichts darüber, ob er ihre durch den nachfolgenden Sturz eingetretene Verletzung damit innerlich gebilligt oder sich jedenfalls damit abgefunden hat. In Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit hätte sich der Tatrichter hier in einer objektiven Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände damit auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte womöglich mit der Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden war und ernsthaft darauf vertraut hat, dass der Erfolg nicht eintreten werde (vgl. Senat, StV 2015, 300).
Die ungenügende Begründung des Körperverletzungsvorsatzes führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, auch hinsichtlich des rechtsfehlerfrei angenommenen (tateinheitlich verwirklichten) schweren Raubes.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 439
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede