HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 961
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 214/15, Beschluss v. 22.07.2015, HRRS 2015 Nr. 961
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 26. Januar 2015 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und im Übrigen freigesprochen. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der Schuldspruch weist keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf.
2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Das Landgericht hat sowohl bei der Prüfung und Verneinung der Frage, ob ein minder schwerer Fall nach § 176a Abs. 4 StGB vorläge, als auch bei der Zumessung sämtlicher Einzelstrafen berücksichtigt, dass „über die konkretisierbaren vier Taten hinaus weitere sexuelle Handlungen stattgefunden haben“ (UA S. 29); andererseits hat es den Angeklagten hinsichtlich dreizehn weiterer angeklagter Fälle aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil sich die Strafkammer „nicht mit dem erforderlichen Maß an Gewissheit davon überzeugen (konnte), dass die Taten so, wie sie durch die Anklage konkretisiert worden sind, stattgefunden haben“ (UA S. 32).
Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht unzulässig, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, dass der Angeklagte noch weitere - bisher nicht abgeurteilte - Straftaten begangen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 1991 - 4 StR 138/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 14 mwN). Allerdings müssen solche Taten - wie jeder für die Strafzumessung erhebliche Umstand - prozessordnungsgemäß und damit hinreichend bestimmt festgestellt werden und zur Überzeugung des Tatrichters feststehen (Senat, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 StR 381/13, juris Rn. 23; Beschluss vom 18. März 2015 - 2 StR 54/15, NStZ-RR 2015, 207; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 40 f. mwN).
Hier hat das Landgericht bereits selbst erklärt, dass es sich nicht von weiteren angeklagten Straftaten überzeugen konnte; es bleibt demnach offen, ob, welche und wie viele Straftaten der Angeklagte über die hier abgeurteilten vier Taten hinaus noch begangen haben soll. Dies lässt eine unzulässige Berücksichtigung des bloßen Verdachts weiterer Straftaten besorgen.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Strafausspruch insgesamt auf der rechtsfehlerhaften Erwägung beruht; die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe können deshalb nicht bestehen bleiben.
HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 961
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel