HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 960
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 205/15, Beschluss v. 02.07.2015, HRRS 2015 Nr. 960
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 11. Dezember 2014
a) im Strafausspruch zu den Fällen II.6 bis II.16 der Urteilsgründe und
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in dreizehn Fällen und schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts missbrauchte der Angeklagte vor dem Mai 2004 in fünf Fällen die Geschädigten D. G., geboren am 10. Juli 1990, und A. G., geboren am 8. Juni 1991, indem er die Kinder im Auto an ihrem Geschlechtsteil anfasste (Fälle II.1 bis II.5 der Urteilsgründe). Im Frühjahr oder Sommer 2004 verbrachte er ein Wochenende zusammen mit den Geschädigten beim Zelten auf U. Dabei fasste er die Kinder am Penis an und manipulierte daran (Fälle II.6 und II.7 der Urteilsgründe). In der Zeit von August 2004 bis April 2005 missbrauchte er den Geschädigten A. G. in fünf Fällen, indem er im Bett an dessen unbedecktem Glied manipulierte (Fälle II.8 bis II.12 der Urteilsgründe). In den Sommerferien des Jahres 2004 verbrachte der Angeklagte in Absprache mit der Mutter der Kinder mit diesen zusammen eine Woche in einer Pension. Mindestens in einer Nacht manipulierte er dort bei dem Geschädigten A. G. an dessen Penis (Fall II.13 der Urteilsgründe). Im Frühjahr oder Sommer 2004 streichelte und küsste der Angeklagte den Penis des Geschädigten A. G. in seinem Auto (Fall II.14 der Urteilsgründe). Bei zwei Übernachtungen der Geschädigten in der Wohnung des Angeklagten im Mai und Juni 2005 fasste dieser den Geschädigten A. G. am Geschlechtsteil an und manipulierte daran (Fälle II.15 und II.16 der Urteilsgründe). Am Silvesterabend 2009 oder 2010 missbrauchte der Angeklagte den am 29. November 1998 geborenen T. B., indem er unvermittelt in die Hose und an das Geschlechtsteil des Kindes griff (Fall II.17 der Urteilsgründe).
2. Das Landgericht hat die Taten in den Fällen II.1 bis II.16 der Urteilsgründe nach § 176a Abs. 1 StGB bewertet, in den Fällen II.6, II.7 und II.13 der Urteilsgründe auch in Tateinheit mit § 174 StGB, die Tat im Fall II.17 dagegen mit Blick auf die zwischenzeitliche Rückfallverjährung nach § 176 Abs. 1 StGB.
1. Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Die zugrunde liegende Beweiswürdigung des Landgerichts und die rechtliche Würdigung sind nicht durch den Senat zu beanstanden. Dies gilt auch im Hinblick auf die Voraussetzungen der Rückfallqualifikation. Die Warnwirkung der früheren Verurteilung wegen gleichartiger Taten ist hier im Hinblick auf die deshalb erfolgte Strafvollstreckung nicht zweifelhaft.
2. Die Strafzumessung des Landgerichts in den Fällen II.1 bis II.5 und II.17 ist rechtsfehlerfrei. Die Strafzumessung hat dagegen keinen Bestand, soweit die Strafkammer in den Fällen II.6 bis II.16 der Urteilsgründe - im Gegensatz zu den Fällen II.1 bis II.5 der Urteilsgründe - die Anwendung des Strafrahmens für einen minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs abgelehnt hat.
Anhand der Urteilsbegründung ist nicht nachzuvollziehen, weshalb in diesen Fällen eine besondere Unrechtssteigerung dadurch entstanden sein soll, dass der Angeklagte einen Vertrauensbruch gegenüber der Mutter der Kinder begangen habe; dieser war in ähnlicher Weise auch vorher schon erfolgt. Eine erhebliche Steigerung der Intensität der Einwirkung durch sexuelle Handlungen auf die Opfer im Vergleich mit den früheren Taten ist den Urteilsfeststellungen auch nicht zu entnehmen. Die sexuellen Handlungen weisen insgesamt keine besondere Intensität auf. Eine nachhaltige Beeinträchtigung der Geschädigten hat das Landgericht nicht festgestellt. Mit Blick auf die von ihm angeführten Strafmilderungsgründe ist nicht auszuschließen, dass es bei der Verneinung des Vorliegens minder schwerer Fälle von einem falschen Maßstab ausgegangen ist und deshalb in den genannten Fällen zu hohe Einzelstrafen - zwischen zwei Jahren und zwei Jahren sechs Monaten Freiheitsstrafe - festgesetzt hat.
Die Aufhebung der Einzelstrafen in den genannten Fällen zwingt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe.
HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 960
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel