HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 226
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, AK 34/14, Beschluss v. 22.01.2015, HRRS 2015 Nr. 226
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa weiter erforderliche Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.
Der Beschuldigte wurde am 2. Juli 2014 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 3. Juli 2014 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (1 BGs 162/14), neugefasst durch den Beschluss vom 16. Dezember 2014 (1 BGs 244/14) ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe in zwei Fällen für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgeübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist, und dabei unter Missbrauch seiner verantwortlichen Stellung, die ihn zur Wahrung von Geheimnissen besonders verpflichtet, Tatsachen oder Erkenntnisse mitgeteilt, die von einer amtlichen Stelle oder auf deren Veranlassung geheimgehalten werden; in einem Fall habe er tateinheitlich hierzu als Amtsträger Vorteile für sich dafür angenommen, dass er - gewerbsmäßig handelnd und auf einen Vorteil großen Ausmaßes bezogen - Diensthandlungen vorgenommen habe (Vergehen, strafbar nach § 99 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 332 Abs. 1, § 335 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 1 und 3 StGB).
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl vorgeworfenen Taten dringend verdächtig.
a) Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Der Beschuldigte, beim Bundesnachrichtendienst (BND) in der Zentralregistratur der Fachabteilung "Einsatzgebiete und Auslandsbeziehungen" (EA) beschäftigt, zur Verschwiegenheit verpflichtet und zum Zugang zu Verschlusssachen der Geheimhaltungsgrade bis einschließlich "STRENG GEHEIM amtlich geheimgehalten" berechtigt, nahm Anfang des Jahres 2010 per E-Mail Kontakt mit der US-amerikanischen Botschaft in Berlin auf und fragte an, ob dort Interesse an Informationen aus dem Sicherheitsbereich bestünde. Nachdem die amerikanische Seite dies bejaht hatte, übermittelte der Beschuldigte in der Folgezeit, beginnend noch im Jahr 2010 und endend unmittelbar vor seiner Festnahme, regelmäßig interne Dokumente des BND an einen US-amerikanischen Geheimdienst. Dabei nutzte er ab Juni 2012 ein ihm bei einem Treffen mit seinem Kontaktmann beim US-amerikanischen Geheimdienst übergebenes Notebook, das mit einem Programm zum Empfang und Versand verschlüsselter Nachrichten ausgestattet war. Unter den mehr als 200 übermittelten Dokumenten des BND befanden sich auch solche der Geheimhaltungsstufe "STRENG GEHEIM - amtlich geheimgehalten". Schon Ende 2010 / Anfang 2011 übermittelte der Beschuldigte eine BND-interne Datenbank der Abteilung "Einsatzgebiete und Auslandsbeziehungen" (EA), die die Datensätze von ca. 3.500 aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern des BND enthielt. Sämtliche von ihm weitergegebenen Dokumente speicherte der Beschuldigte auf einem USB-Stick. Als Gegenleistung für seine Verratstätigkeit erhielt er bei Treffen mit seinem Kontaktmann oder über präparierte Verstecke einen Agentenlohn von insgesamt ca. 75.000 € in bar. Einen Teilbetrag von ungefähr 40.000 € übergab der Beschuldigte seinem Vater, der das Geld sodann jeweils unter Angabe vorgetäuschter Verwendungszwecke auf das Konto des Beschuldigten einzahlte. Den Restbetrag zahlte dieser selbst ein oder verbrauchte das Geld unmittelbar für sich.
Am 28. Mai 2014 übermittelte der Beschuldigte per E-Mail drei interne Papiere des BND an das russische Generalkonsulat in München und bot in der Erwartung, dass die Nachricht an einen russischen Geheimdienst weitergeleitet werden würde, an, zukünftig weitere Informationen zu liefern. Er wollte sich dadurch eine weitere Einnahmequelle sichern, bekam jedoch in der Folgezeit Bedenken und löschte das zum Zweck der Kontaktaufnahme eingerichtete E-Mail-Konto, ohne eine Reaktion eines russischen Geheimdiensts erfahren zu haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Tatvorwürfe wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2014 Bezug genommen.
b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich insbesondere aus den inzwischen weitgehend geständigen Angaben des Beschuldigten, den Auswertungen der sichergestellten Computer und Speichermedien, den Finanzermittlungen und den Angaben von Zeugen. Im Vordergrund stehen dabei die mehr als 200 Dokumente des BND, die der Beschuldigte nach seinen geständigen Angaben an den US-amerikanischen Geheimdienst weitergegeben hat. Diese Dokumente waren vom Beschuldigten auf einem USB-Stick gespeichert worden, der bei der Durchsuchung seiner Wohnung sichergestellt werden konnte und als Beweismittel zur Verfügung steht. Das Geständnis des Beschuldigten wird durch die bei der Auswertung der Computer gewonnenen Erkenntnisse über die Übermittlungswege und -zeiten der Daten untermauert. Die geständigen Einlassungen zu der Kontaktaufnahme mit dem russischen Generalkonsulat finden ihre Bestätigung in den Erkenntnissen des BND sowie in den auf dem USB-Stick vom Beschuldigten gespeicherten drei Dokumenten. Wegen der Einzelheiten verweist der Senat auf die Darlegungen im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2014 sowie auf den Zwischenbericht des Bundeskriminalamts vom 22. Dezember 2014.
2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen, Fluchtanreiz bildenden Freiheitsstrafe zu rechnen. Wie im Haftbefehl des Ermittlungsrichters im Einzelnen dargelegt ist, könnte der Beschuldigte bei dem Unterfangen, sich dem Verfahren durch Flucht zu entziehen, mit der Unterstützung US-amerikanischer Stellen rechnen. Der Zweck der Untersuchungshaft kann deshalb auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.
Das dem Beschuldigten durch den US-amerikanischen Geheimdienst zur Verfügung gestellte Notebook der Marke ACER muss ausgewertet werden, was sich wegen der Verschlüsselung als technisch außerordentlich schwierig und zeitaufwändig erweist. Dies konnte noch nicht abgeschlossen werden. Gleiches gilt für die sachverständige Bewertung der verratenen Dokumente, die in Auftrag gegeben worden ist, um den Umfang des verursachten Verratsschadens festzustellen. Der Beschuldigte hat zwar den Tatvorwurf von Anfang an im Grundsatz eingeräumt, indes Einzelheiten, vor allem zur Dauer der Verratstätigkeit, zu den Kontakten mit dem Mitarbeiter des US-amerikanischen Geheimdiensts, zu seiner Entlohnung sowie zu der Verstrickung des Vaters in die Verschleierung der Geldzahlungen, erst im Verlauf mehrerer Nachvernehmungen und in dem Maße zugegeben, wie ihm jeweils Erkenntnisse aus den aufwändigen und noch andauernden Auswertungen der sichergestellten Datenspeicher, darunter dem Laptop der Marke LENOVO des Beschuldigten, sowie Erkenntnisse aus den Finanzermittlungen vorgehalten werden konnten.
Das Verfahren ist danach bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe.
HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 226
Bearbeiter: Christian Becker