HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 367
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 38/14, Urteil v. 18.02.2015, HRRS 2015 Nr. 367
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 18. Juli 2013 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
a) Die Angeklagte unterhielt mit dem aus K. stammenden Zeugen M. seit Anfang des Jahres 2010 eine Liebesbeziehung. Mitte des Jahres 2011 erfuhr sie, dass der Zeuge M. mit der ebenfalls aus K. stammenden und zu diesem Zeitpunkt dort noch wohnhaften Zeugin Mb., dem späteren Tatopfer, verheiratet war. Die Angeklagte war enttäuscht, denn sie hatte sich eine dauerhafte Beziehung erhofft; es kam deshalb zu Spannungen.
Mitte des Jahres 2012 trennten sich die Angeklagte und der Zeuge M. ; beide standen gleichwohl bis zum Tattag miteinander in Kontakt. Im August 2012 teilte der Zeuge M. der Angeklagten mit, dass die Zeugin Mb. nach Deutschland käme und bei ihm einziehen werde. Er bat die Angeklagte deshalb, ihn nicht mehr auf seinem Festnetzanschluss anzurufen, weil er nicht wollte, dass seine Ehefrau von seiner außerehelichen Beziehung erfuhr.
Die Angeklagte sah in der Zeugin Mb. "eine Konkurrentin um den Zeugen M., die ausgeschaltet werden musste, wenn eine Beziehung zwischen ihr [...] und dem Zeugen M. überhaupt noch eine Chance haben sollte". Sie beschloss daher, die Zeugin Mb. zu töten. Zur Tatausführung kaufte sie ein Hackmesser mit einer 16 cm langen Klinge und eine Flasche chlorhaltigen Sanitärreinigers. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie den Zeugen M. in dessen - ihr bekannten - Wohnung nicht antreffen werde, verschaffte sie sich unter einem Vorwand Zugang zu dem Mehrfamilienhaus, in dem die Zeugen M. und Mb. wohnten, und drückte die defekte Wohnungstür auf.
Die Zeugin Mb. hielt sich allein in der Wohnung auf und bemerkte, dass die ihr unbekannte Angeklagte in die Wohnung eindrang. Mit dem mitgeführten Hackmesser griff diese sodann in Tötungsabsicht die Zeugin Mb. an und stach in Richtung deren linker Oberkörperhälfte. Der Geschädigten gelang es, diesen Stich mit der linken Hand abzuwehren. Dabei kam es zur fast vollständigen Abtrennung des linken Daumens. Die Angeklagte äußerte dabei mehrfach, sie sei gekommen, um sie umzubringen. Sie forderte die Geschädigte nunmehr auf, von einem Sanitärreiniger zu trinken, wobei ihr bewusst war, dass dies schmerzhafte Verätzungen verursachen würde. Da die Geschädigte ablehnte, übergoss die Angeklagte sie mit dem von ihr mitgebrachten Chlorreiniger, um ihr Schmerzen im Bereich der Augen und Verletzungen an der Hand zuzufügen. In Tötungsabsicht brachte sie der Geschädigten sodann eine 13 cm lange Schnittverletzung quer über die Vorderseite des Halses bei, die bis an die Luftröhre heranreichte, diese aber nicht öffnete; die Hauptschlagader verfehlte die Angeklagte nur knapp. Zwei weitere Stichverletzungen im Oberkörper der Geschädigten führten zu weiterem Blutverlust.
Die Zeugin Mb. verlor etwa ein Drittel ihres Blutes und wurde kurzzeitig bewusstlos. Die Angeklagte ging davon aus, die Geschädigte lebensgefährlich verletzt zu haben. Sie begann nun, die auf ihre Person hindeutenden Tatspuren in der Wohnung zu verwischen. Währenddessen gelang es der Geschädigten, die Blutung an der linken Hand mit einem Handtuch zu stillen. Als die Angeklagte sah, dass die Geschädigte innerhalb des etwa 2 3/4 Stunden dauernden Geschehens "entgegen ihrer ursprünglichen Erwartung noch nicht gestorben, sondern immer noch zu Reaktionen fähig war" und erkannte, dass diese "möglicherweise durch zeitnah alarmierte Rettungskräfte noch gerettet werden könnte", fragte sie die Zeugin Mb. "'Wenn Du nicht stirbst, wirst Du mich erkennen?'", woraufhin diese erwiderte, "'ich kenne Dich doch nicht'". Angesichts des festgestellten Verletzungsbildes der Zeugin Mb., des hohen Blutverlustes und der festgestellten schlechten körperlichen Verfassung der Zeugin ging die Angeklagte allerdings weiter davon aus, die Zeugin Mb. lebensgefährlich verletzt zu haben. In Anbetracht des zwischenzeitlich eingetretenen Aggressionsabbaus wirkte die Angeklagte nicht weiter mit dem Messer auf die Geschädigte ein, "sondern nahm die aus ihrer Sicht eher unwahrscheinliche Möglichkeit in Kauf, dass die Zeugin Mb. die Tat überleben würde". Um zu verhindern, dass die Geschädigte Hilfe herbeiholen konnte, zog die Angeklagte das Festnetzkabel des Telefons heraus und entfernte die SIM-Karte aus dem Mobiltelefon. Sie ging davon aus, "dass die Zeugin Mb. ohne baldige medizinische Versorgung sicher sterben und sie damit nicht als Täterin identifizieren könnte".
Nachdem die Angeklagte die Wohnung verlassen hatte, gelang es der Geschädigten mittels einer anderen SIM-Karte, ihren Ehemann zu benachrichtigen. Die unter Schock stehende Geschädigte wurde sodann notfallmäßig und später operativ versorgt.
b) Das Landgericht hat die Tat als versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gewertet. Als Mordmerkmal hat es niedrige Beweggründe angenommen. Die Angeklagte sei mangels Rettungsbemühungen nicht mit strafbefreiender Wirkung von dem beendeten Versuch zurückgetreten. Nach Auffassung der Strafkammer liege - selbst unter Berücksichtigung einer möglichen Korrektur des Rücktrittshorizonts - ein beendeter Versuch vor, weil die Angeklagte zu jeder Zeit davon ausgegangen sei, die Zeugin Mb. lebensgefährlich verletzt zu haben, den Eintritt des Todeserfolges mithin für möglich gehalten habe.
2. Die Revision der Angeklagten hat keinen Erfolg. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keine sie beschwerende Rechtsfehler ergeben.
a) Der Schuldspruch ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 10. Februar 2014 verwiesen. Insbesondere hat das Landgericht ohne Rechtsfehler einen beendeten Versuch angenommen, von dem die Angeklagte nicht mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten ist.
Die in diesem Zusammenhang vorgenommene Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Strafkammer hat dabei in den Blick genommen, dass die Angeklagte angesichts des vor dem Verlassen der Wohnung erfolgten Wortwechsels mit der Geschädigten die "Möglichkeit" gesehen hat, die Geschädigte könnte überleben. Dass die Angeklagte in Anbetracht des Verletzungsbildes der Geschädigten - fast vollständige Amputation des linken Daumens, herunterlappende Wunde im Halsbereich, die die Luftröhre und den Unterkiefer erkennen ließ, und zwei Verletzungen im Brustbereich -, des damit einhergehenden hohen Blutverlustes und deren kurzzeitiger Bewusstlosigkeit davon ausgegangen ist, diese lebensgefährlich verletzt zu haben, und billigend in Kauf genommen habe, die Geschädigte werde sterben, ist ein naheliegender Schluss, der revisionsrechtlich hinzunehmen ist.
Anders als die Revision meint, ist den Urteilsgründen auch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass das Landgericht seiner Bewertung, es liege ein beendeter Versuch vor, einen zutreffenden Maßstab zu Grunde gelegt hat. Ein Versuch ist beendet, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung die tatsächlichen Umstände, die einen Erfolgseintritt nahe legen, erkennt oder wenn er - wie hier - den Erfolgseintritt in Verkennung der tatsächlichen Ungeeignetheit der Handlung bereits für möglich hält (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 1985 - 4 StR 326/85, BGHSt 33, 295, 299; Beschluss vom 29. Mai 2007 - 3 StR 179/07, NStZ 2007, 634 f.; Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274; Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.). Das gilt auch bei einem mehrstündigen und mehraktigen Tatgeschehen, wenn es sich - wie hier - um eine Tat im Rechtssinne handelt (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274). Das Landgericht hat diese Grundsätze beachtet. Von einer bei der Angeklagten bestehenden bloßen "fahrlässigen Unkenntnis" der tatsächlichen Umstände ist das Landgericht - wie die Revision meint - gerade nicht ausgegangen.
b) Der Strafausspruch weist aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 10. Februar 2014 ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.
HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 367
Externe Fundstellen: NStZ 2015, 261 ; NStZ-RR 2015, 138
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel