HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 428
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 3/14, Beschluss v. 18.02.2014, HRRS 2014 Nr. 428
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 4. September 2013 im Strafausspruch zu den Fällen II. 1-200 und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 200 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
I. Der Schuldspruch sowie der Strafausspruch in den Fällen II. 201-203 hält rechtlicher Nachprüfung stand. Dagegen begegnet der Strafausspruch in den übrigen Fällen durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht hat insoweit mit widersprüchlicher bzw. zu kurz greifender Begründung die Anwendung von § 31 Nr. 1 BtMG versagt.
1. Der Angeklagte hat im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung am 2. August 2012 die Taten II. 1-200, deren er zu diesem Zeitpunkt nicht verdächtig war, eingeräumt und darüber hinaus mehrere seiner Heroinabnehmer namentlich benannt. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft verschiedene Ermittlungsverfahren ein, wobei unter anderem gegen zwei Personen Anklage erhoben worden ist, aber noch keine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Hinsichtlich einer dritten Person, A., der vorgeworfen worden war, von Anfang April 2012 bis zum 11. Juli 2012 von dem Angeklagten oder dem gesondert Verfolgten K. jeweils Heroin erworben zu haben, liegt ein rechtskräftiger Schuldspruch vor.
Das Landgericht hat zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass er durch sein Geständnis zur Aufklärung der Straftaten von A. beigetragen hat. Eine Strafmilderung nach § 31 Nr. 1 BtMG hat es jedoch ausgeschlossen, da der Angeklagte zwar seine vermeintlichen Abnehmer genannt, dadurch jedoch nicht zur Aufklärung weiterer Taten beigetragen habe. Die Angaben des Angeklagten seien nicht konkret genug gewesen, um weitere Straftaten festzustellen. Anklagepunkte, die Taten betreffen, die nach der polizeilichen Vernehmung stattgefunden hätten, könnten nicht auf dessen Angaben beruhen. Soweit A. verurteilt worden sei, beruhe dies letztendlich auf dessen eigenständiger Einlassung.
2. Mit dieser Begründung durfte das Landgericht eine Strafrahmenmilderung nach § 31 Nr. 1 BtMG nicht ausschließen. Sie ist zum einen widersprüchlich, soweit sie einerseits davon ausgeht, der Angeklagte habe zur Aufklärung der Straftaten von A. beigetragen, andererseits jedoch feststellt, die Benennung von Abnehmern habe nicht zur Aufdeckung weiterer Taten geführt. Dieser Widerspruch wird im Übrigen auch nicht dadurch aufgelöst, dass das Landgericht meint, die Angaben des Angeklagten hierzu seien nicht konkret gewesen, da es sich - wie dem Urteil an anderer Stelle zu entnehmen ist - um Taten handelte, die den Ermittlungsbehörden nicht bekannt waren, und erst die Angaben des Angeklagten zur Anklageerhebung gegen verschiedene Abnehmer (mit Blick auf A. jedenfalls auch hinsichtlich von Taten, die vor der Offenbarung am 2. August 2012 begangen worden sind) führten.
Die landgerichtlichen Erwägungen greifen zum anderen zu kurz, wenn sie darauf abstellen, dass die Verurteilung von A. letztendlich nicht auf den Angaben des Angeklagten, sondern auf dessen geständiger Einlassung beruhe. § 31 Nr. 1 BtMG verlangt lediglich, dass der Täter durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über den eigenen Tatbeitrag hinaus aufgeklärt werden konnte, wobei es ausreicht, dass der Täter lediglich seine Abnehmer preisgibt (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 181). Erforderlich ist - wie aber wohl das Landgericht meint - nicht, dass die Verurteilung eines an der Straftat Beteiligten auf den Angaben des Aufklärungshilfe leistenden ursprünglichen Täters in der Hauptverhandlung beruht.
II. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung sämtlich Strafaussprüche in den Fällen II. 1-200 und bedingt auch den Wegfall des Gesamtstrafenausspruchs; der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei widerspruchsfreier und dem Wortlaut und Zweck entsprechender Auslegung des § 31 Nr. 1 BtMG dessen Voraussetzungen angenommen und bei einer möglichen Strafrahmenverschiebung zu milderen Strafen gelangt wäre.
Der Senat hebt auch die zum Strafausspruch zugehörigen Feststellungen auf. So hat der neue Tatrichter Gelegenheit, auf der Grundlage eines neu festgestellten Sachverhalts umfassend zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Angeklagte Aufklärungshilfe geleistet hat. Dabei werden nicht nur die Abnehmer des Angeklagten, sondern auch sein Lieferant in den Blick zu nehmen sein. Nach den bisherigen Feststellungen wurden die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten II. 1-200, Handeltreiben mit vom gesondert Verurteilten K. erworbenen Betäubungsmitteln, den Strafverfolgungsbehörden erst dadurch bekannt, dass er sie von sich aus in einer Vernehmung einräumte. Es ist nahe liegend, jedenfalls nicht auszuschließen, dass er hiermit auch Aufklärungshilfe im Hinblick auf die Tatbeteiligung von K. geleistet hat.
HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 428
Externe Fundstellen: NStZ 2014, 465; NStZ-RR 2014, 215
Bearbeiter: Karsten Gaede