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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 95

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 186/14, Beschluss v. 05.11.2014, HRRS 2015 Nr. 95


BGH 2 StR 186/14 - Beschluss vom 5. November 2014 (LG Darmstadt)

Unerlaubtes bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Begriff der Bande; Begriff des Handeltreibens: Weiterbeförderung von Rauschgifterlösen an Hintermänner).

§ 30a Abs. 1 BtMG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Nicht jeder Beteiligte an einer Bandentat ist hierdurch schon Bandenmitglied; Bandenmitgliedschaft und Beteiligung an Bandentaten sind unabhängig voneinander zu beurteilen.

2. Die bloße Weiterbeförderung von Rauschgifterlösen an Hintermänner gehört nicht ohne Weiteres zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, mögen diese auch - als Lieferanten der Letztverkäufer - ihrerseits Ansprüche gegen diese haben. Dies ist nur dann anders, wenn der Weiterbeförderer mittäterschaftlich in ein eingespieltes Bezugs- und Vertriebssystem eingebunden ist und die Beförderung des Geldes in diesem Rahmen erfolgt (vgl. BGH StV 1992, 161).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 10. Februar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I. Der Schuldspruch wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, dass der Angeklagte als Mitglied einer Bande gehandelt hat.

Nach den Feststellungen vereinbarte der in Deutschland lebende Angeklagte im Februar 2012 mit den ihm aus seiner Jugendzeit bekannten V. und M., dem Kopf einer im Betäubungsmittelhandel tätigen Gruppierung, Geld in Deutschland entgegenzunehmen und es nach Ma. zu bringen bzw. bringen zu lassen. Dabei war dem Angeklagten klar, dass die von ihm ins Ausland zu verschaffenden Gelder nicht aus legalen Geschäften, sondern aus dem Handel mit Drogen stammten. Er kannte zudem die Struktur der Gruppierung, für die - wie der Angeklagte wusste - nicht nur V., sondern weitere Personen in Deutschland arbeiteten. Im Rahmen dieser Abrede kam es zu drei Fällen, in denen er Gelder in Empfang nahm und weiterleitete.

Anfang Dezember 2012 sollte das gesamte durch Drogengeschäfte verdiente Geld eingesammelt und nach Ma. gebracht werden. Aus diesem Grund überbrachte der von V. hierzu aufgeforderte Angeklagte am 4. Dezember 2012 zusammen mit diesem einen aus Heroinverkäufen stammenden Betrag von 46.800 € einem ma. Staatsangehörigen, der bereits am nächsten Tag - vermutlich nach Ma. - abreiste. Eine Entlohnung erhielt er hierfür nicht.

Am 5. Januar 2013 nahm der Angeklagte von einem weiteren Mitglied der Gruppierung, P., einen Betrag von 19.930 € entgegen, der aus Heroinverkäufen stammte und den er in der Folgezeit in seiner Wohnung verwahrte. Im Februar 2013 brachte er hiervon 8.000-9.000 €, Mitte März weitere 7.000 € persönlich nach Ma. Den Rest des Geldes - abgesehen von Reisespesen und einer Entlohnung von 300 € - überwies er per Western Union nach Ma. .

Am 20. Januar 2013 sammelte der hierzu von V. angewiesene Angeklagte bei einem Drogenkäufer den ausstehenden Kaufpreis von 1.200 € ein und schickte das Geld zusammen mit seiner Frau nach Ma. Dafür erhielt er 100 € als Entlohnung.

II. Dies belegt nicht, dass der Angeklagte als Mitglied einer Bande gehandelt hat, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betäubungsmittelstraftaten verbunden hat. Zwar ist davon auszugehen, dass sich bereits vor der im Februar 2012 mit dem Angeklagten getroffenen Abrede eine international agierende Bande von mehreren Personen gebildet hatte, um Betäubungsmittel in Deutschland gewinnbringend weiter zu verkaufen. Doch ist nicht belegt, dass sich der Angeklagte als Mitglied dieser Bande angeschlossen hat. Nicht jeder Beteiligte an einer Bandentat ist hierdurch schon Bandenmitglied; Bandenmitgliedschaft und Beteiligung an Bandentaten sind unabhängig voneinander zu beurteilen (vgl. Fischer, StGB, 61. Aufl., § 244, Rn. 39). Weder der ursprünglich getroffenen Vereinbarung im Februar 2012 noch den einzelnen Unterstützungsleistungen des Angeklagten lässt sich aber entnehmen, dass damit der Angeklagte der erforderlichen auf Dauer angelegten Verbindung mehrerer Täter zu künftiger gemeinsamer Tatbegehung beigetreten ist. Es ist - auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass nach der Bandenabrede Beteiligte bei allen Bandentaten nur Gehilfen sein sollen (vgl. BGHSt 47, 214, 218 f.) - zu bedenken, dass der Angeklagte lediglich auf kurzfristige Anweisung untergeordnete Unterstützungsleistungen erbracht hat, für die er nicht oder nur in geringem Umfang entlohnt worden ist. Zu berücksichtigen ist zudem, dass seit der eigentlichen Abrede im Februar 2012 mehr als neun Monate vergingen, bevor es zur ersten Unterstützungshandlung des Angeklagten kam. Dies spricht auf den ersten Blick jedenfalls dafür, dass mit der im Februar 2012 getroffenen Vereinbarung noch keine verbindliche Bandenabrede mit dem Angeklagten getroffen worden ist. Ob dies im Folgenden - konkludent im Zusammenhang mit den einzelnen Taten - geschehen ist, erscheint auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarung und mit Blick auf die jeweilige konkrete Anforderung der Hilfeleistung des Angeklagten gleichfalls zweifelhaft.

Die Bandeneigenschaft ist ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB; fehlt sie bei einem Tatbeteiligten, kann dieser nur wegen Beteiligung am Grunddelikt bestraft werden (vgl. BGH NStZ 2013, 102, 103). Der Senat sieht davon ab, den Schuldspruch entsprechend umzustellen, sondern hebt die Entscheidung insgesamt mit den Feststellungen auf.

Zum einen erscheint es nicht ausgeschlossen, dass sich noch Feststellungen treffen lassen, die eine bandenmäßige Einbindung des Angeklagten belegen. Zum anderen ergeben sich auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen Zweifel daran, ob die Annahme des Landgerichts (in den Fällen II.1 und II.2) zutrifft, die Tathandlungen des Angeklagten, Erlöse aus Heroinverkäufen entgegenzunehmen und an einen Hintermann in Ma. weiterzuleiten, seien noch Teil des noch nicht beendeten Rauschgiftdelikts. Die bloße Weiterbeförderung von Rauschgifterlösen an Hintermänner gehört nicht ohne Weiteres zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, mögen diese auch - als Lieferanten der Letztverkäufer - ihrerseits Ansprüche gegen diese haben. Dies ist nur dann anders, wenn der Weiterbeförderer mittäterschaftlich in ein eingespieltes Bezugs- und Vertriebssystem eingebunden ist und die Beförderung des Geldes in diesem Rahmen erfolgt (vgl. BGH StV 1992, 161; StV 1995, 641). Ob dies vorliegend der Fall ist oder ob stattdessen eine Strafbarkeit lediglich wegen Begünstigung oder Geldwäsche in Betracht kommt, wird der neue Tatrichter zu prüfen haben.

III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat mit Blick auf den Fall II.3 darauf hin, dass die Annahme einer eigenständigen Tat dann nicht in Betracht kommt, wenn sich, etwa angesichts einer näheren Bestimmung des Zeitpunkts der Rauschgiftlieferung, konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich das dort eingesammelte Geld auf eine Heroinlieferung bezieht, die aus einer Gesamtmenge (der Gruppierung) stammt, hinsichtlich deren Veräußerung der Angeklagte in den Fällen II.2 oder II.3 Gelder verwahrt und weitergeleitet hätte. Insoweit läge nur eine Haupttat vor, die der Angeklagte durch zwei Beihilfehandlungen unterstützt hätte.

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 95

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2015, 113; StV 2015, 639

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel