HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 869
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 153/14, Urteil v. 06.08.2014, HRRS 2014 Nr. 869
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. September 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hatte die Angeklagte im ersten Durchgang wegen Untreue in Tateinheit mit Computerbetrug in 71 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Auf die Revision der Angeklagten hat der Senat das Urteil im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Diese hat die Angeklagte nunmehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen die Bewährungsentscheidung richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen war die Angeklagte bei der K. für die Prüfung und Bewilligung von Rehabilitationsleistungen zuständig. Unter Ausnutzung betriebsinterner Abläufe verschaffte sie sich heimlich Prüfnummern und Passwörter von anderen Mitarbeitern, was es ihr ermöglichte, von ihr frei erfundene Leistungsaufträge auf den Computern von gerade abwesenden Kollegen abzuwickeln. So erlangte sie die Überweisung von insgesamt 284.692,30 € auf verschiedene Privatkonten. Das Geld verwandte sie für sich, zum Teil finanzierte sie damit ihren Kokainkonsum.
Auf Rückforderungen der K. in Höhe von ca. 280.000 € zahlt sie aus ihrer jetzigen Tätigkeit als Bäckereifachverkäuferin 500 € monatlich zum Zwecke der Schadenswiedergutmachung.
2. Das Landgericht hat die Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt, weil der bisher nur geringfügig vorbestraften Angeklagten eine günstige Sozialprognose gemäß § 56 Abs. 1 StGB zu stellen sei. Sie habe sich aus ihrem bisherigen Umfeld gelöst, lebe drogenfrei und gehe einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach. Darüber hinaus ergebe eine Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB. So seien insbesondere ihr Bemühen um Schadenswiedergutmachung im Rahmen ihrer engen finanziellen Möglichkeiten, der lange Zeitablauf zwischen Tatbegehung und deren Aburteilung sowie ihr seither straffreies Leben zu berücksichtigen.
Die auf die Bewährungsentscheidung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, weil es das Landgericht versäumt hat, § 56 Abs. 3 StGB in den Blick zu nehmen. Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB dann versagt werden, wenn sie im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (vgl. BGHSt 53, 311, 320 m.w.N.). Eine Erörterung der Frage, ob die Verteidigung der Rechtsverordnung die Vollstreckung einer verhängten Freiheitsstrafe gebietet, ist jedenfalls dann unerlässlich, wenn die aus dem Urteil ersichtlichen Tatsachen dies nahelegen (vgl. BGH NStZ 1987, 21; 1988, 126, 127). Das ist hier der Fall.
Die Angeklagte hat die Solidargemeinschaft der gesetzlich Rentenversicherungspflichtigen unter Ausnutzung ihrer besonderen beruflichen Vertrauensstellung in beträchtlicher Höhe geschädigt. Dabei hat sie den Verdacht auf andere Kollegen gelenkt, deren Rechner und Kennung sie nutzte und diese somit der Gefahr einer unberechtigten Strafverfolgung ausgesetzt. Einen Betrag in Höhe von 40.000-50.000 €, den sie im Zeitraum Januar 2012 bis Juli 2012 aus ihrer Tätigkeit als Barfrau erzielt hat, hat sie nicht etwa zur Schadenswiedergutmachung eingesetzt, sondern anderweitig verwandt.
Vor diesem Hintergrund kann der Senat nicht ausschließen, dass die Strafkammer, hätte sie diese Umstände im Rahmen des § 56 Abs. 3 StGB erwogen, die erkannte Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt hätte.
HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 869
Externe Fundstellen: NStZ 2015, 27
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel