HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 602
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 602/13, Beschluss v. 01.04.2014, HRRS 2014 Nr. 602
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 2. August 2013
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung und Freiheitsberaubung schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und jeweils in Tateinheit hierzu schwerer sexueller Nötigung und Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Berichtigung des Schuldspruchs und der Aufhebung der Maßregel; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte die Nebenklägerin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben der Nebenklägerin sowie dieser nahe stehender Personen zur Duldung einer dem Beischlaf ähnlichen Handlung - Eindringen mit dem Finger in die Scheide (BGH Urteil vom 28. Januar 2004 - 2 StR 351/03 - NStZ 2004, 440, 441) - genötigt, die diese besonders erniedrigte. Da somit das Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB erfüllt war, war die Tat im Urteilstenor nicht als "schwere sexuelle Nötigung", sondern als "Vergewaltigung" zu bezeichnen (siehe nur BGH Beschluss vom 11. Oktober 2012 - 2 StR 161/12).
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) unterliegt der Aufhebung. Die Maßregel setzt u.a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustands voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (vgl. nur BGHSt 42, 385). Das Vorliegen eines solchen länger andauernden Zustands ist hier nicht belegt.
Die Kammer begründet ihn damit, dass der Angeklagte eine rechtswidrige Tat im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit begangen habe. Nach den Feststellungen war bei der Tat infolge einer Kombination aus Minderbegabung, kombinierter Persönlichkeitsstörung und erheblichem Alkoholkonsum die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert. Diese Ausführungen legen es - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - nahe, dass Minderbegabung und Persönlichkeitsstörung nicht alleine, sondern nur im Zusammentreffen mit der vorübergehenden Alkoholisierung zur Annahme des § 21 StGB geführt haben. Ist die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit aber auf ein Zusammenwirken zwischen Persönlichkeitsstörung und Alkoholkonsum zurückzuführen, kann ein die Unterbringung nach § 63 StGB rechtfertigender Zustand nur angenommen werden, wenn der Angeklagte an einer krankhaften Alkoholsucht leidet, in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist oder an einer länger andauernden geistigen-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (siehe nur BGHSt 44, 369, 374 ff.; BGH NStZ-RR 2010, 170). Hierzu enthält das angefochtene Urteil jedoch keine Ausführungen; entsprechende Feststellungen in der neuen Hauptverhandlung erscheinen allerdings möglich. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Der Senat schließt mit Rücksicht auf das in den Feststellungen zum Ausdruck kommende Tatbild sowie die darauf Bezug nehmenden Ausführungen zur Strafzumessung aus, dass das Landgericht eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte, wenn die Anordnung der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus unterblieben wäre.
HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 602
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2014, 207
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel