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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 628

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 448/13, Beschluss v. 18.03.2014, HRRS 2014 Nr. 628


BGH 2 StR 448/13 - Beschluss vom 18. März 2014 (LG Marburg)

Rechtsfehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags als bedeutungslos (Indiztatsache).

§ 244 Abs. 3 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss blieb. Die unter Beweis gestellte Indiztatsache hat es in das bisherige Beweisergebnis so einzustellen, als sei sie erwiesen, und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde.

2. Allein der Hinweis darauf, dass die Angaben eines Zeugen - auf denen die Urteilsfeststellungen beruhen - in sich gut nachvollziehbar und frei von Widersprüchen seien, lässt eine Würdigung mit der als erwiesen unter Beweis gestellten Indiztatsache nicht erkennen.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 10. Juni 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

1. Nach den Feststellungen der Strafkammer verschafften sich die gesondert Verfolgten S. S. und A. S. im Februar und Oktober 2009 gewaltsam Zutritt zu drei Wohnungen und entwendeten jeweils u.a. Schmuck und Bargeld; der Angeklagte leistete zu diesen Taten jeweils Hilfe, indem er die Täter zum Tatort fuhr, mit dem Pkw in Tatortnähe wartete und sie - bis auf Fall 3 der Urteilsgründe - wieder mitnahm.

Der Angeklagte hat seine Tatbeteiligung bestritten und sich u.a. dahin eingelassen, der gesondert Verfolgte S. S. belaste ihn zu Unrecht, weil dieser ihn wegen eines Vorfalls im September 2011, bei dem es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen ihnen gekommen sei, "fertig machen" wolle.

Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten auf die Aussage des als Zeugen vernommenen S. S. gestützt. Dessen Aussage sei glaubhaft, auch unter Berücksichtigung der Umstände, dass "Aussage gegen Aussage" stünde und der Zeuge S. S. in dem gegen ihn selbst geführten Strafverfahren eine Strafmilderung gemäß § 46b StGB zu erlangen suche. Nach Überzeugung der Strafkammer habe es den vom Angeklagten geschilderten Vorfall, der Anlass einer Falschbelastung des Zeugen S. S. sein soll, nicht gegeben.

2. a) Die Strafkammer hat mehrere vom Angeklagten gestellte inhaltsgleiche Beweisanträge wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Der Angeklagte hat die Vernehmung von insgesamt vier Zeugen zum Beweis der Tatsache begehrt, dass er sich in der Zeit vom 22. September 2010 bis zum 8. Dezember 2010 ohne Unterbrechungen in Mazedonien aufgehalten habe. In diesem Zeitraum soll der Angeklagte indes nach Aussage des Zeugen S. S. an weiteren acht Taten des Wohnungseinbruchsdiebstahls in Deutschland beteiligt gewesen sein, die ebenfalls Gegenstand des gegen den Angeklagten gerichteten - von der Strafkammer insoweit zwischenzeitlich abgetrennten - Strafverfahrens gewesen sind.

Das Landgericht hat diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Indiztatsache, der Angeklagte habe sich im - dem abgetrennten Verfahren zugrundeliegenden - Tatzeitraum in Mazedonien aufgehalten, sei für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen S. S. ohne Bedeutung; die ... "Verneinung der Glaubwürdigkeit des Zeugen ... im Hinblick auf sämtliche seiner Angaben - insbesondere bezüglich seiner Angaben zu den Fällen 1 bis 3 (sei) nur ein möglicher, nicht aber ein zwingender Schluss, den die Kammer auf Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses nicht ziehen will". Sodann führt die Strafkammer im Einzelnen aus, warum sie dem Zeugen S. S. glaubt, ohne auf die unter Beweis gestellte Indiztatsache einzugehen.

b) Der die Anträge auf Vernehmung der Zeugen zurückweisende Beschluss des Landgerichts wird den Anforderungen nicht gerecht, die an die Begründung der Ablehnung eines auf eine Indiztatsache gerichteten Beweisantrags zu stellen sind.

Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indizoder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss blieb (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2012 - 5 StR 426/12 mwN). Die unter Beweis gestellte Indiztatsache hat es in das bisherige Beweisergebnis so einzustellen, als sei sie erwiesen, und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 3 StR 154/13, NStZ 2014, 111, 112 m. Anm. Allgayer; Krehl in KK-StPO, 7. Aufl., § 244 Rdn. 144 mwN).

Der landgerichtliche Hinweis darauf, dass die Angaben des Zeugen S. S. - auf denen die Urteilsfeststellungen beruhen - in sich gut nachvollziehbar und frei von Widersprüchen seien, lässt eine Würdigung mit der als erwiesen unter Beweis gestellten Indiztatsache nicht erkennen. Die Strafkammer hätte dazu Stellung nehmen müssen, welchen Einfluss der Umstand auf ihre Überzeugungsbildung gehabt hätte, dass der Angeklagte - entsprechend der Beweisbehauptung - sich entgegen den Angaben des Zeugen S. S. in Mazedonien aufgehalten hat. Das Landgericht hat letztlich die in Aussicht gestellten Aussagen der vier Zeugen als bedeutungslos bezeichnet, weil es von dem Gegenteil der Beweistatsache schon überzeugt war. Damit hat es aber nicht die Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache belegt, sondern in unzulässiger Weise das Ergebnis der beantragten Beweiserhebung vorweggenommen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 1. März 1988 - 5 StR 67/88, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 6).

c) Der gesondert Verfolgte S. S. war in allen Fällen der Hauptbelastungszeuge. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass das Urteil auf der fehlerhaften Behandlung des Beweisantrags beruht.

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 628

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2014, 252

Bearbeiter: Karsten Gaede