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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 432

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 436/13, Beschluss v. 12.03.2014, HRRS 2014 Nr. 432


BGH 2 StR 436/13 - Beschluss vom 12. März 2014 (LG Bonn)

Bedeutung der Sprachunkundigkeit für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

§ 64 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Auch nach der Umgestaltung des § 64 StGB zur Sollvorschrift mit der Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 sollte es im Grundsatz dabei verbleiben, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne Weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann. Zwar muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen, insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden. Der Tatrichter hat insoweit aber eine Ermessensentscheidung zu treffen, die für das Revisionsgericht nachprüfbar sein muss.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 23. Mai 2013

a) im Schuldspruch dahingehend klargestellt, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,

b) im Strafausspruch und, soweit von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt zu einer Klarstellung des Schuldspruchs und führt zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

1. Die Überprüfung des Schuldspruchs deckt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf. Er ist allerdings - entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts - klarzustellen, weil die in den Urteilsgründen zutreffend angenommene Verwirklichung von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB in dem landgerichtlichen Tenor keinen Ausdruck findet.

2. Der Rechtsfolgenausspruch hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat von einer Unterbringung des betäubungsmittelabhängigen Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB allein deshalb abgesehen, weil der Angeklagte über keine oder jedenfalls nicht ausreichende Deutschkenntnisse verfüge, wegen der deshalb erforderlichen Kommunikation mit dem Dolmetscher ein unmittelbarer Kontakt des Therapeuten mit dem Untergebrachten nicht möglich und deshalb eine "erfolgreiche Therapie bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilt" sei. Dies ist rechtsfehlerhaft.

Auch nach der Umgestaltung des § 64 StGB zur Sollvorschrift mit der Gesetzesnovelle vom 16. Juli 2007 (BGBl. I 1327) sollte es im Grundsatz dabei verbleiben, dass die Sprachunkundigkeit eines Ausländers nicht ohne Weiteres allein ein Grund für einen Verzicht auf seine Unterbringung sein kann (vgl. Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BTDrucks. 16/5137, S. 10). Zwar muss nicht gegen jeden Sprachunkundigen, insbesondere wenn eine therapeutisch sinnvolle Kommunikation mit ihm schwer möglich sein wird, eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2008 - 5 StR 472/08, NStZ 2009, 204). Der Tatrichter hat insoweit aber eine Ermessensentscheidung zu treffen, die für das Revisionsgericht nachprüfbar sein muss.

Mangels ausreichender Feststellungen ist hier dem Senat die Überprüfung der landgerichtlichen Entscheidung nicht möglich. Es fehlt an konkreten Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des Angeklagten, der sich immerhin seit Juli 2012 in Deutschland aufhält und in Berlin einer Tätigkeit auf einer Baustelle nachgegangen ist. Ob die Sprachkenntnisse für eine direkte Kommunikation mit dem Therapeuten ausreichen oder nicht, lässt sich ohne jegliches Wissen um das Sprachvermögen des Angeklagten nicht einschätzen. Zudem wäre bei dem von der Strafkammer auszuübenden Ermessen zu berücksichtigen gewesen, dass in der Zeit des Vorwegvollzuges der Strafe der Erwerb von weiterreichenden Sprachkenntnissen zumindest möglich gewesen wäre; insoweit wäre zu erwägen gewesen, ob jedenfalls bei Beginn der Unterbringung der Angeklagte über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügen könnte.

Die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt führt zur Aufhebung des Urteils auch im Strafausspruch. Es ist nicht auszuschließen, dass die angesichts gewichtiger Strafmilderungsgründe recht hoch bemessene Freiheitsstrafe niedriger ausgefallen wäre, hätte die Strafkammer die Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt angeordnet. Mit der gesamten Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs wird zudem eine sachgerechte Abstimmung von Strafe und Maßregel ermöglicht (BGH, Beschluss vom 7. November 2012 - 2 StR 201/12).

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 432

Externe Fundstellen: StV 2014, 545

Bearbeiter: Karsten Gaede