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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 14

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 427/13, Urteil v. 20.11.2013, HRRS 2014 Nr. 14


BGH 2 StR 427/13 - Urteil vom 20. November 2013 (LG Bonn)

Besonders schwere Vergewaltigung (Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs); gefährliche Körperverletzung (Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs).

§ 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB; § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 22. Februar 2013 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die dagegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, hat keinen Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lernte der Angeklagte Ende des Jahres 2009 das spätere Tatopfer, die Nebenklägerin F., kennen und zog alsbald mit ihr zusammen. Als es im Juli 2011 in der Beziehung kriselte, unternahm der wenig kritikfähige und unter Trennungsängsten leidende Angeklagte zwei Suizidversuche. Im März 2012 erklärte F. die Beziehung für beendet. In der Folge kam es zu einem körperlichen Übergriff seitens des Angeklagten, woraufhin die Nebenklägerin Anzeige erstattete und die räumliche Trennung vollzog.

Gleichwohl brach der Kontakt zwischen beiden nicht ab und es kam noch im April 2012 zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr. Da F. die Beziehung dennoch nicht fortsetzen wollte, unternahm der Angeklagte einen weiteren Selbstmordversuch. Die Nebenklägerin fühlte sich "mitschuldig" und nahm wiederum freundschaftlichen Kontakt zu dem Angeklagten auf, der das Scheitern der Liebesbeziehung nicht zu akzeptieren vermochte. Da sich F. zunehmend von dem Angeklagten bedrängt und geängstigt fühlte, erwirkte sie am 9. August 2012 eine einstweilige Anordnung, die dem Angeklagten jede Kontaktaufnahme und Annäherung an ihre Wohnung verbot.

Am 15. August 2012 gegen 2 Uhr morgens fuhr dieser zur Wohnung der Nebenklägerin, wobei er eine 70 cm lange Spaltaxt mit sich führte. Dort begehrte er vergeblich Einlass, um eine Aussprache herbeizuführen. Zwischenzeitlich war auch H., ein früherer Lebenspartner der Nebenklägerin und von dieser per SMS zu Hilfe gerufen, vor der Haustüre erschienen. Nach kurzer Diskussion mit dem Angeklagten verständigte H. per Mobiltelefon die Polizei und wurde anschließend von F. eingelassen. Unter Einsatz der Spaltaxt verschaffte sich nunmehr auch der Angeklagte Zutritt, indem er erst die Wohnungseingangstür, anschließend die Küchentür und dann die Tür zum Schlafzimmer, in das H. und F. geflohen waren, einschlug. Während H. durch das Schlafzimmerfenster die Flucht ergriff, versuchte die Nebenklägerin den Angeklagten zu beschwichtigen. Nun fasste dieser den spontanen Entschluss, mit F. den Geschlechtsverkehr auszuüben. Er stellte die Axt beiseite, wandte sich der Geschädigten zu, entkleidete sie gewaltsam und führte trotz geleisteter Gegenwehr vaginalen Geschlechtsverkehr aus. Dabei war er sich der Zugriffsmöglichkeit auf die in der Nähe stehende Axt bewusst; er gab der Geschädigten aber weder ausdrücklich noch durch sein Verhalten zu verstehen, dass er zur Erreichung des Geschlechtsverkehrs gegebenenfalls auf die Axt zurückgreifen werde.

Als sich der Angeklagte wieder ankleidete, nahm er die herannahende Polizei wahr, woraufhin er die Axt ergriff und gegenüber der Nebenklägerin äußerte, "wenn jemand reinkommt, bist du tot!". Diese ergriff den Kopf der Axt, den sie so fest unter ihren Arm klemmte, dass der Angeklagte sie nicht mehr "freibekam". Beim darauffolgenden Gerangel um die Axt schlug und trat der Angeklagte auf die Geschädigte ein und setzte der am Boden Liegenden seinen unbeschuhten Fuß auf den Hals, um sich so unter Ausnutzung der Hebelwirkung wieder in den Besitz der Axt zu bringen. Dabei erkannte er die Lebensgefährlichkeit seines Tuns. In diesem Moment betraten die Polizeibeamten die Wohnung und überwältigten ihn.

2. Das Landgericht hat hinsichtlich der ersten Tat eine schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB wegen Mitsichführens eines gefährlichen Werkzeugs und hinsichtlich der zweiten Tat eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB wegen lebensgefährdender Behandlung angenommen.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der diese eine Verurteilung wegen besonders schwerer Vergewaltigung (§ 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB) und wegen gefährlicher Körperverletzung auch in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB erstrebt, hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Angeklagte die Axt bei der Vergewaltigung verwendet hat. Er habe das gefährliche Werkzeug bei der Nötigungshandlung nicht mit dem Ziel eingesetzt, den Widerstand der Nebenklägerin zu verhindern oder zu überwinden. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das Landgericht hat alle Umstände gewürdigt und abgewogen. So ist der sexuelle Übergriff - was auch den Angaben der Geschädigten in der Hauptverhandlung entspricht - erst erfolgt, nachdem der Angeklagte die Axt beiseite gestellt hatte. Bis dahin hatte er diese nur gegen Sachen eingesetzt, um sich gewaltsam Zutritt zur Wohnung zu verschaffen und eine Aussprache herbeizuführen. Zu keinem Zeitpunkt vor oder während der Vergewaltigung hat der Angeklagte die Geschädigte mit der Axt bedroht, obwohl er sich der jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit bewusst war. Dass er die Axt in einer Art und Weise weggestellt hatte, die F. konkludent bedeutet hätte, er werde sein sexuelles Verlangen erforderlichenfalls mit Hilfe des gefährlichen Werkzeugs durchsetzen, vermochte die Strafkammer in ihrer Würdigung nicht festzustellen. Entgegen der Ansicht der Revision musste sich das Landgericht nicht mit einer nur bei der polizeilichen Vernehmung getätigten Aussage des Opfers, sie habe gedacht "lieber das, als dass er die Axt in der Hand hat" auseinandersetzen. Es ist schon nicht erkennbar, ob das Landgericht die in diesen Angaben zum Ausdruck kommenden Empfindungen seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat. Zudem gibt es keine Hinweise, dass eine solche Motivation der Geschädigten, dem sexuellen Verlangen des Angeklagten nachzukommen, für diesen erkennbar gewesen und von ihm in seinen Willen aufgenommen worden wäre. Hinzu kommt, dass die Geschädigte, wenn sie auch durch das gewaltsame Eindringen des Angeklagten beeindruckt war, die Vergewaltigung keineswegs - etwa unter dem Eindruck einer so empfundenen Drohung mit der Axt - widerstandslos hat über sich ergehen lassen. Vielmehr hat sie erheblichen Widerstand geleistet, den der Angeklagte mit einfacher körperlicher Gewalt überwunden hat, ohne dabei ausdrücklich oder konkludent auf den ihm grundsätzlich möglich gewesenen Einsatz des gefährlichen Werkzeugs hinzuweisen. Dass dieser dann beim Eintreffen der Polizeibeamten erneut zur Axt gegriffen hatte, hält die 9 Strafkammer zu Recht für unerheblich, weil zu diesem Zeitpunkt die Vergewaltigung bereits beendet war.

2. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die Strafkammer eine gefährliche Körperverletzung in Form einer lebensgefährdenden Behandlung durch die massive Einwirkung auf den Hals des Opfers, nicht aber durch den Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs in Form der Spaltaxt angenommen hat. Die Verletzungen der Nebenklägerin sind zwar beim Ringen um die Axt, nicht aber durch diese entstanden. Soweit die Revisionsführerin von einem anderen Lebenssachverhalt ausgeht, verkennt sie, dass maßgeblich die Feststellungen in der Hauptverhandlung und nicht die in der Anklageschrift geschilderten Geschehnisse sind.

3. Auch im Übrigen lässt das Urteil Rechtsfehler weder zum Vorteil noch zu Lasten des Angeklagten erkennen.

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 14

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel