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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 127

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 351/13, Beschluss v. 17.12.2013, HRRS 2014 Nr. 127


BGH 2 StR 351/13 - Beschluss vom 17. Dezember 2013 (LG Meiningen)

Versuchte Freiheitsberaubung (Vollendung); versuchte Nötigung; Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren (Verteidigerbestellung; mangelnde Erfolgsaussicht).

§ 239 StGB; § 240 StGB; § 52 StGB; § 140 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

1. Der Tatbestand des § 239 Abs. 1 StGB setzt zwar keine bestimmte Dauer der Entziehung der persönlichen Fortbewegungsfreiheit voraus; es reicht vielmehr grundsätzlich auch eine nur vorübergehende Einschränkung aus (vgl. BGHSt 14, 314, 315). Jedoch erfüllt eine zeitlich nur unerhebliche Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit den Tatbestand nicht (vgl. BGH NStZ 2003, 371; BGH NStZ-RR 2003, 168).

2. Die Tatbestände der versuchten Nötigung und der versuchten Freiheitsberaubung stehen in Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander, wenn die versuchte Freiheitsberaubung über das hinausgeht, was zur Tatbestandsverwirklichung der Nötigung gehört.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 24. April 2013 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Freiheitsberaubung und versuchter Nötigung verurteilt ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Darüber hinaus hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.

Das Rechtsmittel führt lediglich zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Zuschrift ausgeführt:

"Die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen dagegen eine Verurteilung wegen tateinheitlich begangener vollendeter Freiheitsberaubung nicht. Der Tatbestand des § 239 Abs. 1 StGB setzt zwar keine bestimmte Dauer der Entziehung der persönlichen Fortbewegungsfreiheit voraus; es reicht vielmehr grundsätzlich auch eine nur vorübergehende Einschränkung aus (vgl. BGHSt 14, 314, 315). Jedoch erfüllt eine - wie hier - zeitlich nur unerhebliche Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit den Tatbestand nicht (vgl. BGH NStZ 2003, 371; BGH NStZ-RR 2003, 168). Der Angeklagte hat sich daher nur der versuchten Freiheitsberaubung schuldig gemacht. Die Tatbestände der versuchten Nötigung und der versuchten Freiheitsberaubung stehen hier auch im Konkurrenzverhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander. Die versuchte Freiheitsberaubung ging über das hinaus, was zur Tatbestandsverwirklichung der Nötigung gehört (siehe Fischer StGB 60. Auflage § 239 Rn. 18).

Einer entsprechenden Schuldspruchänderung steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

Die Schuldspruchänderung hat keine Auswirkungen auf den Strafausspruch. Die Strafkammer hat nicht ausdrücklich strafschärfend die tateinheitlich begangene vollendete Freiheitsberaubung berücksichtigt. Im Hinblick auf den verbleibenden Unrechtsund Schuldgehalt der Tat lässt sich daher ausschließen, dass das Landgericht im Hinblick auf eine Verurteilung nur wegen versuchter Freiheitsberaubung auf eine mildere Strafe erkannt hätte."

Dem schließt sich der Senat an und bemerkt im Übrigen:

Soweit der Angeklagte beantragt hat, ihm unter Beiordnung seines Verteidigers Prozesskostenhilfe für das Revisionsverfahren zu gewähren, geht der Antrag ins Leere, weil bereits im ersten Rechtszug eine auch für das Revisionsverfahren fortwirkende Pflichtverteidigerbestellung erfolgt war. Soweit der Antrag des Angeklagten dahin auszulegen wäre, dass er die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren begehrt, könnte dem - unabhängig von der Frage, ob sich die Beiordnung des Pflichtverteidigers regelmäßig auch ohne Gewährung von Prozesskostenhilfe auf die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren erstreckt (zum Meinungsstand vgl. Meyer-Goßner, StPO 56. Aufl. § 140 Rn. 5; offen gelassen von BGH NJW 2001, 2486) - nicht entsprochen werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinsichtlich der Adhäsionsentscheidung aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift angeführten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat.

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 127

Bearbeiter: Karsten Gaede