HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 519
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 16/13, Beschluss v. 12.03.2013, HRRS 2013 Nr. 519
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 29. August 2012, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 20 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten verurteilt und eine Verfallsanordnung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg, ohne dass es auf die geltend gemachten Verfahrensverletzungen ankommt.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte seit Mai 2010 Teil einer größeren Gruppierung, der zu jeder Zeit mindestens drei Personen angehörten und die sich zusammengeschlossen hatte, um auf Dauer angelegt größere Mengen Marihuana in den Niederlanden zu beschaffen und an mehrere Abnehmer in ganz Deutschland gewinnbringend zu verkaufen. Dabei bediente sie sich verschiedener Kuriere, versandte die Betäubungsmittel aber auch, unter anderem mit Hilfe des ehemaligen Mitangeklagten W., über den Paketversandbetrieb G. .
Dem Mitangeklagten Mo. fiel die Aufgabe zu, die Betäubungsmittel in den Niederlanden zu besorgen und an den jeweiligen Auftraggeber weiterzugeben. Dagegen war der Angeklagte M. in der Gruppierung in die Vereinnahmung des Kaufpreises eingebunden. Er nahm im Auftrag des gesondert verfolgten R. im Wege der Postversendung an ihn übersandtes Bargeld für verschickte Betäubungsmittelpäckchen entgegen und leitete es an diesen weiter. Dies geschah in 19 Fällen zwischen dem 20. Mai 2010 und dem 6. Juli 2011, wobei die Zahlungen jeweils mindestens 15.000,- € betrugen. In einem weiteren Fall war eine entsprechende Kaufpreiszahlung für ein versandtes Paket mit ca. 6 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 8,5 bzw. 9,5 % vereinbart; hierzu kam es jedoch nicht mehr, nachdem das Betäubungsmittelpaket am 15. Juli 2011 unter polizeilicher Aufsicht entgegengenommen worden war.
2. Das Landgericht hat in der Entgegennahme und Weiterleitung von Erlösen aus dem Drogenverkauf eine täterschaftliche Beteiligung des Angeklagten am gewinnbringenden Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 20 Fällen gesehen, wobei er als Mitglied einer Bande gehandelt habe, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hatte (§ 30a Abs. 1 BtMG). Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Eine Verurteilung wegen täterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens von Betäubungsmitteln kommt - auch bei einer Einbindung in eine bandenmäßige Struktur - nur in Betracht, wenn der Handelnde selbst eigennützige Bemühungen entfaltet, die darauf gerichtet sind, den Umsatz mit Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn ein Täter nur den Eigennutz eines anderen mit seinem Tatbeitrag unterstützen will (BGHSt 34, 124, 125 f.; BGH StV 2012, 414). Ein eigennütziges Handeln des Angeklagten aber ist den Urteilsgründen nicht hinreichend zu entnehmen. Ob er bei seinen Taten vom Streben nach Gewinn geleitet worden ist oder sich wenigstens irgendeinen anderen persönlichen Vorteil versprochen hat, lässt sich den Urteilsgründen, die Feststellungen zu den Motiven des Angeklagten nicht enthalten, nicht entnehmen. Es ist auch nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass Betäubungsmittelgeschäfte einer gewissen Größenordnung regelmäßig nicht uneigennützig gemacht zu werden pflegen (vgl. BGH StV 1992, 469). Vielmehr sind auch in diesen Fällen konkrete Feststellungen zur Eigennützigkeit des Handelns vonnöten. Soweit das Landgericht im Übrigen allgemein darauf verweist, dass sich infolge der in den Niederlanden deutlich geringeren Einkaufspreise ein "für die gesamte Gruppierung gewinnbringender Weiterverkauf" ergeben habe, ist dies nicht geeignet, die Eigennützigkeit des Angeklagten zu belegen. Der Umstand, dass die "Bande" bei ihren Geschäften Gewinn gemacht hat, besagt für sich genommen noch nichts darüber, ob und in welcher Weise ein am Betäubungsmittelgeschäft Beteiligter eigennützig gehandelt hat. Insoweit kann der Hinweis auf das Gewinnstreben der Bande Ausführungen zur Eigennützigkeit des einzelnen Täters nicht ohne Weiteres ersetzen. Nähere Feststellungen hierzu sind zudem als Gradmesser für das Tatinteresse des Angeklagten im Rahmen der Frage von Bedeutung, ob er - sein Tatbeitrag bestand allein in der Entgegennahme und Weiterleitung von Geldzahlungen für Betäubungsmittelgeschäfte - als Mittäter oder Beihilfeleistender zu bestrafen ist.
3. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung (wobei der neue Tatrichter genauere Feststellungen zur Annahme einer auf Betäubungsmittelhandel gerichteten Bande und einer Einbindung des Angeklagten hierin zu treffen haben wird).
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 519
Externe Fundstellen: NStZ 2013, 550; NStZ-RR 2013, 282; StV 2013, 702
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel