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HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 716

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 117/13, Beschluss v. 19.06.2013, HRRS 2013 Nr. 716


BGH 2 StR 117/13 - Beschluss vom 19. Juni 2013 (LG Hanau)

Strafzumessung (Grenzen der Strafschärfung infolge einer besonders brutalen Tatausführung; emotionsloses Nachtatverhalten; direkter Vorsatz).

§ 46 Abs. 1, Abs. 3 StGB; § 212 StGB; § 15 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Aus dem Umstand, dass der Angeklagte sein Opfer unter erheblichem Kraftaufwand erwürgt hat, lässt sich der Vorwurf gesteigerter Brutalität nicht ohne weiteres ableiten. Die zur Tötung erforderliche Gewalt darf mit Blick auf den § 46 Abs. 3 StGB grundsätzlich nicht straferschwerend berücksichtigt werden. Es ist damit nicht mehr beschrieben als die Erfüllung des Tatbestands mit direktem Vorsatz.

2. Der Vorwurf eines emotionslosen Nachtatverhaltens des zum Tatvorwurf schweigenden Angeklagten setzt nähere Darlegungen voraus. Ein besonders schulderschwerender Gesichtspunkt ergibt sich jedenfalls nicht daraus, dass der Angeklagte die Leiche in einen Fluss wirft, um eine Entdeckung zu verhindern.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 27. November 2012 im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts erdrosselte der Angeklagte im Anschluss an eine lautstarke Auseinandersetzung seine frühere Lebensgefährtin in deren Wohnung, indem er seinem Opfer eine "Baumwolloberbekleidung" mit einem doppelten Knoten um den Hals schlang und heftig zuzog. Anschließend transportierte er die Leiche in seinem PKW zum Mainufer und warf sie in den Fluss. Über einen Monat später wurde der Leichnam in einer Schwemmgrube eines Wasserkraftwerks aufgefunden.

II.

Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg; Gleiches gilt für die Sachrüge, soweit diese sich gegen den Schuldspruch richtet.

Der Strafausspruch hat hingegen keinen Bestand.

Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten, der sich weder zur Person noch zur Sache eingelassen hatte, unter anderem die "von ihm an den Tag gelegte Brutalität bei der Tatausführung" berücksichtigt. Der Angeklagte habe eine solche Gewalt angewandt, dass der Halsumfang der Getöteten auf 6,5 bis 7 cm reduziert gewesen sei. Darüber hinaus sei sein Nachtatverhalten strafschärfend zu werten, da er der Tat völlig emotionslos gegenüberstehe.

Beide nicht näher erläuterten Erwägungen unterliegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

1. Aus dem Umstand, dass der Angeklagte sein Opfer unter erheblichem Kraftaufwand erwürgt hat, lässt sich der Vorwurf gesteigerter Brutalität nicht ohne weiteres ableiten. Die zur Tötung erforderliche Gewalt darf mit Blick auf den § 46 Abs. 3 StGB grundsätzlich nicht straferschwerend berücksichtigt werden. Es ist damit nicht mehr beschrieben als die Erfüllung des Tatbestands mit direktem Vorsatz. Zudem verlor das Opfer nach den Feststellungen aufgrund der Intensität des Drosselvorgangs bereits spätestens nach 15 Sekunden das Bewusstsein und verstarb nach höchstens drei Minuten.

2. Worin das Landgericht das emotionslose Nachtatverhalten des zum Tatvorwurf schweigenden Angeklagten sieht, wird in den Urteilsgründen nicht näher ausgeführt, so dass dem Revisionsgericht eine Nachprüfung nicht möglich ist. Ein besonders schulderschwerender Gesichtspunkt ergibt sich jedenfalls nicht daraus, dass der Angeklagte die Leiche in den Main warf, um eine Entdeckung zu verhindern. Er ist insoweit nicht über Maßnahmen der Sicherung und Verschleierung hinausgegangen (vgl. BGH NStZ 2009, 260).

3. Im Hinblick auf die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe, die am oberen Rand des zur Verfügung stehenden Strafrahmens liegt, kann der Senat ein Beruhen des Strafausspruchs auf den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht ausschließen. Über den Strafausspruch ist deshalb neu zu entscheiden.

Die Feststellungen werden von den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Dies schließt ergänzende Feststellungen, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen, nicht aus.

HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 716

Externe Fundstellen: NStZ 2013, 579; StV 2014, 412

Bearbeiter: Karsten Gaede