HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 631
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 66/12, Beschluss v. 16.05.2012, HRRS 2012 Nr. 631
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 8. November 2011 im Ausspruch über die Einzelstrafen zu den Fällen II. 1 bis 15 der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in weiteren 55 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Dagegen wendet sich die Revision mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat zum Strafausspruch teilweise Erfolg; im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Nach den Feststellungen des Landgerichts zu den Fällen II. 1 bis 15 der Urteilsgründe bezog der Angeklagte von April bis August 2007 zum gewinnbringenden Weiterverkauf Marihuana mit einem THC-Gehalt von jeweils mindestens 7,5% von dem gesondert verfolgten Lieferanten H. Dieser lieferte in zehn der Fälle jeweils eine Menge von 100 bis 200 Gramm; in den fünf weiteren Fällen lag das Gewicht zwischen 50 und 80 Gramm. Nach seiner Verhaftung machte der Angeklagte im Rahmen einer geständigen Einlassung neben Angaben zu verschiedenen Abnehmern, deren Betäubungsmittelgeschäfte mit dem Angeklagten den Ermittlungsbehörden bereits bekannt waren, auch Angaben zu seiner Bezugsquelle in den Fällen II. 1 bis 15. Die Offenbarung seines Lieferanten H. und die Ortsbeschreibung der von ihm betriebenen Plantage führten zu einem gegen diesen gerichteten Strafverfahren.
Das Landgericht hat die Voraussetzungen des vertypten Strafmilderungsgrundes nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG als erfüllt angesehen. Es hat geprüft, ob in den (zehn) Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, deren Grenzwert von 7,5 Gramm THC hier jeweils gerade erreicht wird, die Heranziehung des Strafrahmens eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG und in den (fünf) Fällen des gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ein Absehen vom Strafrahmen des besonders schweren Falles nach § 29 Abs. 3 BtMG geboten sei. Es hat dies ebenso verneint wie eine Verschiebung des Strafrahmens nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BtMG i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB wegen der geringen Bedeutung der von dem Angeklagten geleisteten Aufklärungshilfe, die lediglich bei der Strafzumessung im engeren Sinn berücksichtigt worden ist. Das Landgericht hat hierzu bei der Ablehnung der Strafrahmenverschiebung nach § 31 BtMG entscheidend darauf abgestellt, dass "die tatsächliche Aufklärungshilfe in Bezug auf den Lieferanten H. in Anbetracht der Verstrickung des Angeklagten in Betäubungsmittelgeschäfte und im Hinblick auf die Vielzahl der von dem Angeklagten begangenen Taten nicht wesentlich und nur von geringer Bedeutung (war)".
Diese Begründung hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Sie lässt besorgen, dass sich das Landgericht bei seiner Würdigung der Aufklärungshilfe rechtsfehlerhaft allein an dem Schuldumfang der vom Angeklagten begangenen Taten und nicht an dem Gewicht des von ihm geleisteten Aufklärungsbeitrags orientiert hat (vgl. BGH NJW 2002, 908, 909; NStZ-RR 2010, 26; 319; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG 7. Aufl., § 31 Rn. 71). Das Landgericht hat sich von einem Aufklärungserfolg hinsichtlich des Lieferanten des Angeklagten zu überzeugen vermocht. Aus den Urteilsfeststellungen erschließt sich daher nicht, weshalb dessen Aufklärungshilfe unwesentlich gewesen sein soll.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Tatrichter ohne diesen Rechtsfehler in den Fällen II. 1 bis 15 der Urteilsgründe mildere Strafen verhängt hätte.
Die Feststellungen zum Strafausspruch sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 631
Bearbeiter: Karsten Gaede