HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 329
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 596/12, Beschluss v. 12.02.2013, HRRS 2013 Nr. 329
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 8. Mai 2012 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten als besonders verwerflich berücksichtigt, der Angeklagte habe mit dem lebensgefährlich verlaufenen Überfall nicht etwa einer ihm völlig fremden Person erhebliches Leid zugefügt, sondern einem Menschen, der ihm einmal nahe gestanden und ihm vertraut habe, bei dem er zuvor Jahre lang mit Unterbrechungen gearbeitet habe, der ihm im Haus seiner Schwester eine Wohnung vermittelt habe, der ihm beim Umzug behilflich gewesen sei, der ihm jederzeit seinen Hof und sein Werkzeug zur Verfügung gestellt und zu keinem Zeitpunkt mit ihm Streit gehabt habe. Der Angeklagte habe durch die Tat in beispielloser Weise das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Opfer ausgenutzt, das trotz der zwischenzeitlichen Abkühlung des ehemals freundschaftlichen Verhältnisses noch immer fortbestanden habe (UA S. 42). Diese schon für sich bedenklich moralisierende Wertung wird von den (an anderer Stelle getroffenen) Feststellungen der Strafkammer nicht getragen.
Das Landgericht ist im Rahmen der Feststellungen zum Vortatgeschehen davon ausgegangen, dass das fast freundschaftliche Verhältnis des Angeklagte zu dem späteren Tatopfer im Laufe der Zeit abgekühlt sei. Der Angeklagte habe das Gefühl gehabt, dieser nutze ihn und die anderen Hilfsarbeiter auf dem Hof aus und lehne die von ihm gewünschte Festanstellung aus reiner "Knauserigkeit" ab. Er habe sich über die Geizigkeit des späteren Tatopfers geärgert, als er ihn Anfang 2008 noch einmal gefragt habe, ob er ihn fest in seinem Betrieb anstellen wolle, und habe schließlich - nach weiterer kurzfristiger Beschäftigung bei ihm - neue Arbeitsstellen bei anderen Arbeitgebern angetreten (UA S. 6 f.).
Angesichts dieser Sachverhaltsannahmen durfte das Landgericht weder davon ausgehen, der Angeklagte habe ein Tatopfer ausgewählt, mit dem es keinerlei Streit gegeben habe, noch der Strafzumessung zugrunde legen, dass er mit der Tat in beispielloser Weise ein noch bestehendes Vertrauensverhältnis ausgenutzt habe. Ein Vertrauensverhältnis des Angeklagten bestand zum Tatzeitpunkt im April 2011 schon lange nicht mehr, nachdem der Angeklagte bereits im Laufe des Jahres 2008 den Hof des Tatopfers verlassen hatte und danach - soweit sich dies den Urteilsgründen entnehmen lässt - auch keinen weiteren Kontakt mehr zu diesem unterhielt. Vorausgegangen war zudem eine Auseinandersetzung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, die auch für das Tatopfer erkennbar dazu führte, dass sich in der Folgezeit die (gemeinsamen) Wege trennten.
2. Diese von den im Übrigen getroffenen Feststellungen nicht getragenen Wertungen führen zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann - schon mit Blick auf die im oberen Bereich des Strafrahmens liegende Strafe - nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Würdigung zu einer milderen Strafe gelangt wäre.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch die weitere Erwägung der Strafkammer, der Angeklagte habe seiner Lebensgefährtin Schaden zugefügt, indem er sie zu einer Falschaussage verführt bzw. zumindest nicht versucht habe, sie hiervon abzuhalten, und diese Aussage anschließend für seine Zwecke als Alibi angeführt habe (UA S. 42), nicht unbedenklich ist. Denn Feststellungen zum Zustandekommen des falschen Alibis durch die Zeugin und zur Verantwortlichkeit des Angeklagten hat das Landgericht nicht getroffen (vgl. UA S. 30 f.).
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 329
Bearbeiter: Karsten Gaede