HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 761
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 537/12, Urteil v. 05.06.2013, HRRS 2013 Nr. 761
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 1. Juni 2012
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 186 Fällen schuldig ist; die Einzelstrafen für die Fälle 52, 58, 74, 77, 92, 103, 121, 149, 165 bis 171, 174, 185, 194, 200, 201, 206, 207 und 209 entfallen;
b) hinsichtlich der in den Fällen 1 bis 9, 24, 61 bis 65, 88 bis 91, 93, 123 bis 133, 152 und 153 verhängten Einzelgeldstrafen dahin geändert, dass die Tagessatzhöhe auf jeweils 29 Euro festgesetzt wird.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 209 Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilaufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen bleibt es ohne Erfolg.
1. Nach den Feststellungen arbeitete der Angeklagte seit 1988 bei der S. GmbH ("S. "), zuletzt als Fachkraft für Integration. Sein Aufgabengebiet umfasste vor allem die Integration von behinderten Werkstattmitarbeitern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Zu seiner Tätigkeit gehörte es, Kontakte zu Arbeitgebern aufzubauen und Möglichkeiten für den Einsatz von behinderten Mitarbeitern aus den Werkstätten zu finden; dabei verhandelte der Angeklagte auch sog. Leistungs- und Arbeitsassistenzverträge mit den Betrieben und bereitete diese zur Unterschrift durch die Geschäftsführung der "S." vor. Vertragsinhalt war u.a., dass die Betriebe für die Betreuung der behinderten Menschen eine monatliche Vergütung erhielten, die von dem Angeklagten bei in den Betrieben geführten Reflexionsgesprächen - in der Regel im Zweimonatsrhythmus - in bar gegen Quittung ausgezahlt wurde.
2. Zur Finanzierung seines übersteigerten Alkoholkonsums und seines aufwändigen Lebensstils nahm der Angeklagte im Tatzeitraum April 2006 bis März 2010 Manipulationen bei der Vertragsgestaltung und Abrechnung vor. So bereitete er für die Geschäftsführung der "S." Vertragsurkunden zur Unterschrift vor, die auf Seite 1 eine an den jeweiligen Beschäftigungsbetrieb zu zahlende monatliche Vergütung von in der Regel 550 Euro für jeden Mitarbeiter auswiesen. Mit den Beschäftigungsbetrieben hingegen vereinbarte er eine Vergütung von lediglich 50 Euro für jeden Mitarbeiter und tauschte die 2 3 erste Seite der Vertragsurkunde nach entsprechender Änderung der Vergütung am PC aus mit der Folge, dass den Beschäftigungsbetrieben Vertragsurkunden mit einem Vergütungsanspruch in Höhe von nur 50 Euro vorlagen, während die bei der "S." hinterlegten Verträge einen Vergütungsanspruch der Betriebe von 550 Euro für jeden Mitarbeiter auswiesen.
In der Folge ließ sich der Angeklagte in der Regel alle zwei Monate unter Bezeichnung der hinterlegten und jeweils zur Auszahlung anstehenden Verträge und den konkret zu erfüllenden Zahlungsverpflichtungen den benötigten Betrag von der Kasse der "S." als Vorlage auszahlen. Es war nicht aufklärbar, ob die Beträge immer genau anhand der Verträge konkret ausgerechnet waren oder ob auch überschlagene Pauschalsummen ausgezahlt wurden (UA 8 f.); möglicherweise verauslagte der Angeklagte vereinzelt auch selbst Gelder und rechnete später gegenüber der Kasse ab (UA 9). Tatsächlich zahlte er den Betrieben nur die mit diesen vereinbarten geringeren Summen, also in der Regel 100 Euro für zwei Monate, aus und ließ sich hierüber jeweils eine Quittung ausstellen. Diese Quittung veränderte er dann dergestalt, dass er vor die 100 Euro eine weitere "1" setzte, so dass die jeweilige Quittung einen Betrag von 1.100 Euro auswies. Sodann legte er die veränderten Quittungen der Kasse der "S." vor. Ausgehend von den vorgelegten Quittungen verbuchten die Mitarbeiter der Kasse die Beträge und rechneten die Vorlage ab bzw. erstatteten dem Angeklagten die von ihm selbst verauslagten angeblich höheren Beträge. Auf diese Weise entstand der "S." im Tatzeitraum ein Schaden in Höhe von mindestens 214.260 Euro.
1. Der Schuldspruch wegen Betrugs zum Nachteil der "S." jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung ist nur hinsichtlich der Anzahl der abgeurteilten Fällen zu beanstanden.
a) Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht allerdings die konkurrenzrechtliche Bewertung der betrügerischen Handlungen des Angeklagten nicht an die Platzierung der einzelnen verfälschten Verträge bei der Buchhaltung der "S." angeknüpft. Dabei kann offen bleiben, ob die Auffassung des Landgerichts zutrifft, die Hinterlegung des jeweiligen Vertrages stelle lediglich eine Vorbereitungshandlung für die späteren auf seiner Grundlage verwirklichten betrügerischen Einzelakte dar und könne diese schon deswegen nicht zur Tateinheit verbinden (vgl. BGH NStZ 1985, 70). Denn selbst wenn die Vorlage des jeweiligen Vertrages bereits als Teil der tatbestandlichen Täuschungshandlung des Angeklagten zu bewerten wäre, könnte sie die darauf aufbauenden betrügerischen Einzelakte (deshalb) nicht zur Tateinheit zusammenführen, weil deren Anzahl und damit der Umfang des auf der Basis des jeweiligen Vertrages erstrebten Gesamtschadens offen blieb und es darüber hinaus zur Realisierung der jeweiligen Einzelakte noch zahlreicher Zwischenschritte bedurfte, wie etwa der tatsächlichen Arbeitsaufnahme des Betreuten bei dem Betrieb und der Aktualisierung der Täuschung durch Verlangen der Vorschusszahlungen zur Begleichung der angeblichen Forderungen des Betriebs.
Keiner abschließenden Entscheidung bedarf es auch, ob nicht entgegen der Ansicht des Landgerichts bereits durch die Auszahlung des Vorschusses der Betrugsschaden jeweils eingetreten war und es sich bei der Vorlage der verfälschten Quittungen durch den Angeklagten zur Abrechnung des Vorschusses nicht lediglich um einen für sich nicht gesondert strafbaren Sicherungsbetrug handelte. Denn selbst wenn das der Fall wäre, würde dies nichts an der Zahl der vom Angeklagten tatmehrheitlich begangenen Betrugstaten ändern, da nach den Feststellungen nichts dafür spricht, dass es mehr Vorschusszahlungen als dazu vorgenommene Abrechnungen gab.
b) Auf dieser Grundlage rechtfertigen die Feststellungen indes nur einen Schuldspruch wegen 186 Einzeltaten. Der Angeklagte hat teilweise an einem Tag mehrere Beträge unter Vorlage der jeweiligen Quittungen abgerechnet. Es war nicht aufklärbar, ob dies zu verschiedenen Zeitpunkten im Laufe des Tages geschah. Bei gleichzeitiger Vorlage mehrerer Quittungen aufgrund einer einheitlichen Willensentschließung wäre aber eine natürliche Handlungseinheit und damit nur eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne anzunehmen (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 375). Hiervon ist zu Gunsten des Angeklagten auszugehen und ebenso davon, dass die gleichzeitige Vorlage mehrerer Quittungen der Abrechnung je gleichzeitig ausbezahlter Vorschüsse diente.
Danach ergeben sich nur 186 Betrugstaten (je in Tateinheit mit Urkundenfälschung). Da weitere Feststellungen, die eine abweichende konkurrenzrechtliche Bewertung rechtfertigen könnten, nicht zu erwarten sind, hat der Senat den Schuldspruch entsprechend abgeändert.
2. Der Strafausspruch ist - ausgenommen die Festsetzung der Tagessatzhöhe - wie vom Generalbundesanwalt im einzelnen dargelegt rechtsfehlerfrei und kann bestehen bleiben. Der Erörterung bedarf nur folgendes:
a) Bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe zu den verhängten Einzelgeldstrafen ist dem Landgericht offenkundig ein Rechenfehler unterlaufen. Die festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten rechtfertigen unter Berücksichtigung zu zahlender Unterhaltsleistungen eine Tagessatzhöhe nicht von 90, sondern von nur 29 Euro, die der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst festsetzt.
b) Die Schuldspruchänderung bedingt zwar auch den Wegfall der für die entfallenen Taten jeweils verhängten Einzelstrafen; einer Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs bedarf es gleichwohl nicht, da durch die Zusammenfassung mehrerer Taten zu jeweils einer einheitlichen Tat der Schuldgehalt hier insgesamt unverändert bleibt (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2011 - 4 StR 409/10 mwN.). Im Hinblick auf den unverändert gebliebenen Gesamtschaden und die hohe Anzahl der verbliebenen Einzelstrafen schließt der Senat aus, dass die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe bei zutreffender Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses niedriger ausgefallen wäre.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Der nur geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 761
Bearbeiter: Karsten Gaede