HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 299
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 395/12, Beschluss v. 04.12.2012, HRRS 2013 Nr. 299
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 13. Juni 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßig begangenem Computerbetrug in drei Fällen und wegen Verabredung zur gewerbs- und bandenmäßigen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es festgestellt, dass dem Verfall von Wertersatz in Höhe von 500 Euro Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Schließlich hat es ausgesprochen, dass in Italien erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis von eins zu eins angerechnet wird. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist begründet.
Nach den Feststellungen des Landgerichts lockte der gesondert verfolgte Marius C. den Angeklagten mit dem Versprechen der Arbeitsvermittlung nach Deutschland und quartierte ihn im April oder Mai 2010 in seinem Haus ein. Er setzte den Angeklagten dann zuerst zum Sammeln von Altmetall ein, ohne ihm Lohn zu gewähren. Der Angeklagte wollte deshalb nach Hause zurückkehren, hatte aber kein Geld und wurde vor diesem Hintergrund von C. dazu veranlasst, an der Ausspähung von Kundendaten an Bankautomaten mit manipulierten Kartenlesegeräten und Minikameras mitzuwirken. Außer dem Angeklagten und C. waren noch weitere Rumänen daran beteiligt. C. erklärte dem Angeklagten die Vorgehensweise, führte ihm bei einer von ihm selbst ausgeführten Tat die Technik vor, um dann dem Angeklagten sowie weiteren Personen den Einsatz vor Ort zu überlassen. C. besorgte die Geräte und bestimmte Zeit und Ort der Einsätze. Er führte die Vorderleute zu den Bankfilialen und überwachte deren Tatbegehung. Der Angeklagte war bei den abgeurteilten Taten jeweils vor Ort, er brachte in den meisten Fällen die Skimminggeräte an oder probierte mit seiner eigenen Bankkarte die Funktionsfähigkeit der Vorrichtungen zur Datenausspähung aus. Er wusste hingegen nicht konkret, was mit den ausgespähten Daten dann weiter geschehen sollte, insbesondere wer Kartendoubletten herstellen und durch wen, wann und wo damit betrügerische Handlungen vorgenommen werden sollten. Nur die Tatsache, dass dies mit Hilfe der ausgespähten Daten geschehen sollte, war ihm bekannt. Es kam in drei Fällen zur Ausspähung von Kartendaten von Bankkunden; in vier weiteren Fällen blieb der Versuch dazu ohne Erfolg. Der Angeklagte erhielt für seine Tatbeiträge von C. freie Kost und Unterkunft, ferner kleinere Geldbeträge von insgesamt 500 Euro.
Das Landgericht hat die Mittäterschaft des Angeklagten bei den vollendeten oder im Sinne von § 30 Abs. 2 StGB verabredeten Taten nach §§ 152b, 152a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB sowie nach § 263a StGB angenommen, ohne die erforderliche Gesamtabwägung der wesentlichen Umstände des Falles zur Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe vorzunehmen. Dies ist rechtsfehlerhaft.
Ob ein Beteiligter eine Tat als Täter oder Gehilfe begeht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, zu beurteilen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291). Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr sein. Eine darauf bezogene wertende Betrachtung ist vom Tatrichter in einer vom Revisionsgericht nachprüfbaren Weise vorzunehmen. Daran fehlt es hier.
Mittäterschaft liegt auch nicht derart auf der Hand, dass eine Erörterung der Abgrenzungsfrage hier als entbehrlich angesehen werden könnte. Soweit es um Computerbetrug mit Hilfe der gefälschten Zahlungskarten mit Garantiefunktion geht, ist die zur Täterschaft des Angeklagten erforderliche Vorsatzkonkretisierung auf bestimmte Taten nicht gegeben. Bezüglich der Herstellung von falschen Zahlungskarten mit Garantiefunktion ist zu berücksichtigen, dass das Ausspähen der fremden Kartendaten im Vorfeld des Nachmachens derartiger Zahlungskarten liegt (§ 152b Abs. 5 i.V.m. § 149 Abs. 1 StGB). Der Angeklagte hat auch nicht aus den einzelnen Taten selbst Gewinn erzielt, sondern er ist nur im Ganzen und zwar in geringem Umfang entlohnt worden. Unter diesen Umständen versteht sich die Annahme seiner Mittäterschaft zumindest nicht von selbst.
Der neue Tatrichter wird ferner die Frage der Bandenmäßigkeit (vgl. zur Bandenabrede Senat, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 2 StR 529/11) und die Konkurrenzfrage in den Fällen B.2 und B.3 der Urteilsgründe unter Berücksichtigung der Ausführungen des Generalbundesanwalts neu zu prüfen haben. Die Feststellung nach § 111i StPO kann entsprechend den Darlegungen des Generalbundesanwalts entfallen.
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 299
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel