HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 520
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 206/12, Urteil v. 27.02.2013, HRRS 2013 Nr. 520
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 19. Dezember 2011 im Adhäsionsausspruch aufgehoben.
Von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge wird abgesehen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen trägt jeder Beteiligte selbst.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zehn Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, sowie wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
Von einem weiteren Tatvorwurf hat es ihn freigesprochen. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat nur im Adhäsionsausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
Nach den Feststellungen des Landgerichts lebte der Angeklagte seit Ende der neunziger Jahre mit S. M., seiner späteren Ehefrau, und ihrer im Jahr 1992 geborenen Tochter M. zusammen. Mit seiner Stieftochter verband ihn alsbald ein sehr enges Verhältnis, das von großer emotionaler und auch körperlicher Nähe geprägt war. Dem Angeklagten waren weitgehende Mitspracherechte bei ihrer Erziehung eingeräumt.
Während der beruflich bedingten Abwesenheit der Mutter kam es ab Juni 2005 zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf die zu Tatbeginn knapp 13 Jahre alte Nebenklägerin.
Kurz vor ihrem 13. Geburtstag hielten der Angeklagte und die Nebenklägerin im Schlafzimmer der Eheleute ein gemeinsames Mittagsschläfchen. Dort streichelte der Angeklagte in der Absicht, sich sexuell zu erregen, seine nur mit Unterhose und BH bekleidete Stieftochter am ganzen Körper, mit Ausnahme des Genitalbereichs und ihrer Brust. Auf eine Bemerkung des Angeklagten hin tat sie dasselbe bei ihm, wobei er allerdings nicht ausgezogen war (Fall 1).
Zwei bis drei Wochen später rieb der Angeklagte die unbekleidete Nebenklägerin mit einem Massageöl ein, wobei er ihre Brüste und auch die äußeren Schamlippen berührte (Fall 2).
Einige Wochen später, spätestens im August 2005, kam es zu einem ähnlichen Vorfall, wobei der Angeklagte nun auch die Klitoris des Mädchens streichelte und mit einem Finger in ihre Scheide eindrang (Fall 3).
Im Zeitraum von September 2005 bis März 2006 kam es regelmäßig, zeitweise zwei bis drei Mal in der Woche, zu weiteren Übergriffen der geschilderten Art. Dabei kam es mindestens einmal im Monat vor, dass der Angeklagte mit dem Finger in die Scheide der Nebenklägerin eindrang (Fälle 4-10).
Ein weiterer Übergriff ereignete sich im April 2006 bei einem Familienbesuch in England. Die Nebenklägerin begab sich für eine kurze Zeit in das Schlafzimmer des Angeklagten, wo sie sich auszog, der Angeklagte sie daraufhin streichelte und erneut mit einem Finger in ihre Scheide eindrang (Fall 11).
Im Mai 2006 kam es in einem Schlafzimmer der ehelichen Wohnung zu einem weiteren Übergriff, bei dem der Angeklagte die Klitoris des Mädchens streichelte und mit einem Finger in ihre Scheide eindrang (Fall 12).
Nach dem 14. Geburtstag der Nebenklägerin setzten sich die Geschehnisse in der beschriebenen Weise fort, wobei der Angeklagte mindestens einmal im Monat mit dem Finger in die Scheide der Nebenklägerin eindrang. Bis zu ihrem 16. Geburtstag im Juni 2008 kam es insoweit zu insgesamt 24 Vorfällen (Fälle 13-36).
Der letzte Übergriff erfolgte am 2. Januar 2010. Dabei streichelte der Angeklagte das Geschlechtsteil der Nebenklägerin, bis sie zum Höhepunkt kam. Diese sowie die weiteren ab Juni 2008 begangenen Taten hat die Kammer nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
Auf Geheiß des Angeklagten befriedigte das Mädchen den Angeklagten auch mehrmals manuell bis zum Samenerguss. Er übte des Weiteren bei M. wiederholt Oralverkehr aus, verlangte dies auch von ihr, wozu es aber nicht kam, weil sie dies wie auch seinen Wunsch nach Geschlechtsverkehr ablehnte. Zu einer Verurteilung dieser Fälle sah sich das Landgericht außerstande, weil nicht auszuschließen war, dass es sich um eingestellte Vorfälle im Juni 2008 handelte.
Hinsichtlich eines weiteren Vorfalls in England hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil sich die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung lediglich noch an ein einziges Geschehen dort erinnern konnte.
Die Revision des Angeklagten führt lediglich zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Adhäsionsausspruch; insoweit war von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen.
1. Die Verfahrensrügen greifen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen nicht durch.
2. Die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs hat Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben. Insbesondere hält die Beweiswürdigung, aufgrund derer sich die Strafkammer die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten verschafft hat, revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Insoweit sind durchgreifende Rechtsfehler nicht zu erkennen.
Die Beweiswürdigung entspricht den Anforderungen, die in der vorliegenden Beweiskonstellation, in der der Einlassung des Angeklagten allein die Aussage der Nebenklägerin gegenübersteht, zu erfüllen sind. Das Landgericht hat ihre Angaben einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung unterzogen und dabei erkennen lassen, dass es alle Umstände, welche die Entscheidung beeinflussen können, gesehen und in seine Überlegungen einbezogen hat. Es genügt mit seiner hypothesengestützten Glaubhaftigkeitsprüfung den methodischen Qualitätsanforderungen, die der Bundesgerichtshof insoweit den Tatgerichten abverlangt. Dass die Strafkammer dabei vor allem im Rahmen der Prüfung der Aussagekonstanz immer wieder (allgemein) auf "natürliche Vergessens-, Vermengungs- und Verschmelzungsprozesse" sowie (irreführend) auf das "Inkadenzphänomen" abgestellt hat, lässt vorliegend noch nicht besorgen, das ihr dabei die Bedeutung des Prüfungskriteriums "Aussagekonstanz" in rechtlich bedenklicher Weise aus dem Blick geraten sein könnte.
3. Der Adhäsionsausspruch hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Soweit das Landgericht der Nebenklägerin Schmerzensgeld zuerkannt hat, ist diese Entscheidung schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Strafkammer, wie es regelmäßig erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 - 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344), die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Nebenklägerin nicht erörtert hat.
Im Hinblick auf die getroffene Feststellung der Strafkammer, der Angeklagte habe der Nebenklägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die ihr in Zukunft infolge der abgeurteilten Taten entstehen würden, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen seien oder übergehen würden, sind Verletzungen der Nebenklägerin, die einen Dauer- oder Zukunftsschaden wahrscheinlich machen, den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Insoweit ist für ein Feststellungsurteil kein Raum (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 4 StR 222/03).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, § 472a Abs. 2 StPO. Eine Entscheidung gemäß § 473 Abs. 4 StPO kam angesichts des nur geringfügigen Erfolges des Rechtsmittels nicht in Betracht.
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 520
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel