HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 78
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 190/12, Urteil v. 15.11.2012, HRRS 2013 Nr. 78
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. Dezember 2011 mit den Feststellungen aufgehoben. Der ausgeschiedene Vorwurf des Betrugs wird gemäß § 154a Abs. 3 StPO wieder in das Verfahren einbezogen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Anordnung des Wertersatzverfalls bzw. die Feststellung, dass einer Verfallsanordnung Ansprüche Verletzter entgegenstehen, unterblieben ist. 3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten W. in 20 Fällen, den Angeklagten C. in 15 Fällen, den Angeklagten D. in 12 Fällen und den Angeklagten P. in 7 Fällen wegen Geldfälschung schuldig gesprochen. Gegen die Angeklagten W. und C. hat es jeweils eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und gegen die Angeklagten D. und P. jeweils eine solche von drei Jahren und zwei Monaten verhängt. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die zum Teil auch erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr ankommt; auch die zuungunsten der Angeklagten eingelegte, auf die Nichtanordnung von Wertersatzverfall beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten D., W. und C. als Flugbegleiter bei der Lufthansa auf der Strecke Peking - Frankfurt am Main tätig; der Angeklagte P. war Informatikstudent, der regelmäßig nach China flog. In China erwarben sie jeweils beschädigte 1-Euround 2-EuroMünzen, wobei mindestens 70% dieser Bicolormünzen für jedermann erkennbar aus getrennten Münzteilen ("Ring" und "Pille") nachträglich wieder zusammengesetzt waren. Die Münzen stammten überwiegend aus Frankreich, Belgien, Österreich oder Spanien und waren von oder im Auftrag europäischer Zentralbanken durch Münztrennung entwertet, als Metallschrott weiterveräußert und unautorisiert nachträglich wieder zusammengesetzt worden. Die Münzteile waren meist nur teilweise miteinander verbunden; zwischen Ring und Pille lagen Spalten, teils befand sich Klebstoff zwischen beiden. Überwiegend passte die Prägung auf der Pille nicht zu der auf dem Ring; auch gab es eine Reihe von Münzen, bei denen Pille und Ring vollständig getrennt waren.
Die Angeklagten brachten die Münzen auf dem Luftweg nach Deutschland und reichten sie in Kenntnis ihrer Herkunft als echte, lediglich beschädigte Münzen in normierten, durchsichtigen "Safebags" bei der Kleinkundenkasse der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main ein. Hierbei gaben sie vor, die Münzen seien in China beim Verarbeiten von Müll, Schrottautos und Altkleidern angefallen. Seitens der Bundesbank wurden die Münzen durch Wiegen und eine stichprobenartige Sichtprobe kontrolliert. Nach beanstandungsloser Annahme wurde den Angeklagten jeweils der volle Nennwert der Münzen auf ihrem Kundenkonto gutgeschrieben.
Insgesamt reichte der Angeklagte D. bei der Bundesbank Münzen mit einem Gesamtwert von 112.000 € ein, die er in der Zeit vom 12. Dezember 2009 bis 30. Juli 2010 auf mindestens 12 Flügen von China nach Deutschland transportiert hatte; der Angeklagte W. reichte entsprechend in der Zeit vom 5. Juni 2010 bis 9. Dezember 2010 auf mindestens 20 Flügen transportierte Münzen mit einem Gesamtwert von 336.000 € ein, der Angeklagte C. in der Zeit vom 9. Dezember 2009 bis 7. Januar 2011 auf mindestens 15 Flügen transportierte Münzen mit einem Gesamtwert von 341.000 € und der Angeklagte P. in der Zeit vom 9. April 2010 bis 28. Oktober 2010 auf mindestens 7 Flügen transportierte Münzen mit einem Gesamtwert von 77.000 €.
2. Die Strafkammer hat das Handeln der Angeklagten als Geldfälschung in Form des Sichverschaffens und Inverkehrbringens von falschem Geld (§ 146 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB) gewertet. Aufgrund der vorgegangenen Entwertung der Münzen stammten diese nicht von demjenigen, der aus ihnen als Aussteller hervorgehe (vgl. Erb in MünchKomm-StGB, 2. Aufl., § 146 Rn. 12; Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder StGB, 28. Aufl., § 146 Rn. 14; Rudolphi/Stein in SK-StGB, 67. Lfg. - Oktober 2006 - § 146 Rn. 6). Es hat auf der Grundlage eines Anteils von mindestens 70% gefälschter Münzen angenommen, dass die Bundesbank durch die Angeklagten C. und W. um Beträge von jeweils 200.000 €, durch den Angeklagten D. um 70.000 € und durch den Angeklagten P. um 40.000 € geschädigt wurde. Hinsichtlich der tateinheitlich zu den Geldfälschungsfällen angeklagten Betrugstaten hat das Landgericht gemäß § 154a Abs. 2 StPO die Strafverfolgung beschränkt.
II. Revisionen der Angeklagten
Die Revisionen der Angeklagten sind mit der Sachrüge begründet.
1. Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch nicht.
a) Die Angeklagten haben die Münzen nicht im Sinne von § 146 Abs. 1 Nr. 3 StGB in Verkehr gebracht. In Verkehr gebracht wird falsches Geld, wenn es so aus dem Gewahrsam entlassen wird, dass ein anderer tatsächlich in die Lage versetzt wird, sich des falschen Geldes zu bemächtigen und nach Belieben damit umzugehen, es insbesondere weiterzuleiten (vgl. RG, Urteil vom 16. März 1933 - II 208/33, RGSt 67, 167, 168; BGH, Urteil vom 17. April 1951 - 1 StR 99/51, BGHSt 1, 143, 144; BGH, Beschluss vom 17. Mai 1996 - 3 StR 631/95, BGHSt 42, 162, 168; BGH, Beschluss vom 28. März 2003 - 3 StR 471/02, NStZ 2003, 423). Dies kann auch durch Einzahlung von Falschgeld bei der Bank im Rahmen des allgemeinen Zahlungsverkehrs erfolgen (OLG Schleswig, Urteil vom 20. Februar 1962 - 1 Ss 607/62, NJW 1963, 1560, 1561), selbst dann, wenn die betreffende Notensorte zur Einziehung aufgerufen, die Umlaufzeit jedoch noch nicht abgelaufen ist (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1951 - 2 StR 246/51). Durch das Handeln des Täters muss aber auch tatsächlich eine Gefahr des Umlaufs des falschen Geldes begründet sein, was sich anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 1987 - 1 StR 2/87, BGHSt 35, 21, 25). Entsprechend kann ein Inverkehrbringen auch dann gegeben sein, wenn falsches Geld weggeworfen wird, sofern die naheliegende Gefahr besteht, dass es gefunden wird und wieder in den Zahlungsverkehr gelangt (BGH aaO). Der Tatbestand des Inverkehrbringens ist demgegenüber nicht erfüllt, wenn der Bundesbank ein Geldschein von vorne herein mit dem Ersuchen um Einziehung und Ersatz übergeben wird, da in einem solchen Fall das Geld außerhalb des allgemeinen Zahlungsverkehrs eingeliefert wird (vgl. OLG Schleswig aaO).
Vorliegend bestand keine Gefahr, dass die Münzen wieder in den Umlauf gelangten, da diese nicht nur erkennbar unfachmännisch zusammengesetzt, sondern auch stark beschädigt und von daher nicht mehr umlauffähig waren. Bereits die Abgabe der Münzen - unter Angabe des Namens, der Adresse und der Kontoverbindung des Einreichenden - in normierten, durchsichtigen "Safebags", die einer Sichtkontrolle unterzogen wurden, belegt, dass diese lediglich zum Zwecke der Erstattung des Nennwerts der Münzen und nicht im Rahmen des allgemeinen Zahlungsverkehrs eingereicht wurden. Da es sich bei der Bundesbank um diejenige Behörde handelt, die beschädigtes Geld zwecks Entwertung und Vernichtung auch selbst aus dem Verkehr zieht, bestand keine Gefahr, dass die Münzen noch an Dritte weitergegeben und wieder in den Zahlungsverkehr gelangen konnten. Die Entscheidung des Senats vom 26. Oktober 1951 - 2 StR 246/51, der die geplante Einreichung von belgischen, zur Außerkurssetzung anstehenden 1.000-Frankennoten bei der belgischen Zentralbank zugrunde lag, steht dem nicht entgegen, da in diesem Fall die Frankenscheine noch innerhalb der Umlaufzeit bei der Zentralbank eingereicht werden sollten.
Es handelte sich damit - anders als bei stark beschädigten und erkennbar unfachmännisch zusammengesetzten Münzen - nicht um notwendig einzuziehendes Geld.
b) Die Angeklagten haben sich die Münzen auch nicht im Sinne von § 146 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 StGB in der Absicht verschafft, sie als echt in Verkehr zu bringen oder ein solches Inverkehrbringen zu ermöglichen. Es muss dem Täter auf das Inverkehrbringen oder das Ermöglichen des Inverkehrbringens von Falschgeld als echtem Geld ankommen, ohne dass diese Zielvorstellung Endzweck seines Handelns zu sein braucht (BGH, Urteil vom 4. Oktober 1951 - 3 StR 460/51, NJW 1952, 311, 312; Ruß in LK StGB, 12. Aufl., § 146 Rn. 15; Erb in MünchKomm-StGB, § 146 Rn. 24; Sternberg-Lieben in Schönke/ Schröder StGB, 28. Aufl., § 146 Rn. 7). Die Angeklagten wollten auch nicht nur mittelbar die Weitergabe der Münzen in den Umlauf ermöglichen, sondern für jedermann erkennbar nicht mehr umlauffähige Münzen bei der dafür zuständigen Stelle zur Erstattung des Nennwerts einreichen.
2. Wenngleich danach eine Strafbarkeit wegen Geldfälschung gemäß § 146 Abs. 1 StGB nicht besteht, kam ein Freispruch der Angeklagten durch den Senat nicht in Betracht, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass in einer neuen Hauptverhandlung nach der auf Antrag des Generalbundesanwalts durch den Senat erfolgten Wiedereinbeziehung (§ 154a Abs. 3 Satz 2 StPO) der ausgeschiedenen Betrugsvorwürfe eine entsprechende Verurteilung möglich ist.
Eine Strafbarkeit wegen Betrugs käme hier jedenfalls dann in Betracht, wenn die eingereichten Münzen aus amtlich entwertetem Münzmaterial zusammengesetzt wären und die Angeklagten über diesen Umstand bei Einreichung der Münzen getäuscht hätten. Der Senat weist jedoch insoweit darauf hin, dass die Feststellung des Landgerichts, es handele sich vorliegend um amtlich entwertetes Münzmaterial, nicht hinreichend tatsachengestützt ist. Die Strafkammer hat keine Erkenntnisse über das Entwertungsverfahren bei Euro-Münzen in anderen Euro-Ländern gewinnen können. Sämtliche Anfragen der Ermittlungsbehörden an die jeweiligen Landeszentralbanken der Euro-Länder Frankreich, Belgien, Österreich und Spanien sind unbeantwortet geblieben; weitere Ermittlungen wurden nicht angestellt. Das Landgericht hat sich auch nicht damit auseinander gesetzt, dass die Deutsche Bundesbank über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr mehrere hundert durchsichtige "Safebags" mit erkennbar stark beschädigten und nachträglich zusammengesetzten Münzen beanstandungsfrei angenommen und deren Nennwert dem Konto des jeweiligen Angeklagten gutgeschrieben hat. Diese Praxis der Bundesbank spricht eher gegen die Annahme, die amtliche Entwertung von Bicolormünzen erfolge im Wege der Trennung von Ring und Pille, da in diesem Fall kaum erklärlich ist, dass die Mitarbeiter der Bundesbank trotz der Kontrollen und über einen langen Zeitraum hinweg den Nennwert des erkennbar nachträglich zusammengesetzten Münzmaterials, ohne eine Entwertung zu bemerken, beanstandungslos erstattet haben.
3. Die Aufhebung hat sich auch auf die Feststellungen zu erstrecken, da das Landgericht diese allein mit Blick auf § 146 Abs. 1 StGB getroffen und daher den tatsächlichen Umständen keine besondere Aufmerksamkeit zugewendet hat, die für eine Aburteilung der Tat als Betrug bedeutsam sein können. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
III. Revision der Staatsanwaltschaft
Die auf die Nichtanordnung von Wertersatzverfall wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
Nach den Feststellungen des Landgerichts haben die Angeklagten C. und W. jeweils 200.000 €, der Angeklagte D. 70.000 € und der Angeklagte P. 40.000 € erlangt, wobei diese Beträge ihren jeweiligen Konten gutgeschrieben wurden. Das Landgericht hätte sich deshalb mit den Voraussetzungen des Wertersatzverfalls gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB auseinandersetzen müssen. Zwar kommt nach den Feststellungen auch die tateinheitliche Verwirklichung eines Betrugs zum Nachteil der Bundesbank in Betracht, weshalb hier der Anordnung von Wertersatzverfall entgegenstehende Schadenersatzansprüche der Bundesbank bestehen könnten (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB). In diesem Fall aber hätte das Landgericht prüfen müssen, ob Feststellungen gemäß § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO zu treffen waren. Dem steht nicht entgegen, dass die Strafkammer die Strafverfolgung hinsichtlich des tateinheitlich angeklagten Betrugs gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Geldfälschung beschränkt hat, da es lediglich auf die rechtliche Existenz des Anspruchs als Folge der Tat im Sinne des § 264 StPO ankommt (Fischer StGB, 59. Aufl., § 73 Rn. 18 und 21 mwN).
Zu alledem verhält sich die Strafkammer nicht, so dass das Revisionsgericht nicht überprüfen kann, ob sie zu Recht von der Anordnung von Wertersatzverfall gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73a Satz 1 StGB bzw. einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO abgesehen hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Anordnung des Wertersatzverfalls bzw. eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO im Hinblick auf die Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB in jedem Fall ausgeschlossen wäre und eine Erörterung schon deshalb unterbleiben konnte, sind mangels Feststellungen insbesondere zum Verbleib des Geldes und den aktuellen Vermögensverhältnissen der Angeklagten nicht ersichtlich.
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 78
Externe Fundstellen: NStZ 2013, 465
Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel