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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 900

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 181/11, Beschluss v. 13.07.2011, HRRS 2011 Nr. 900


BGH 2 StR 181/11 - Beschluss vom 13. Juli 2011 (LG Limburg)

Konkurrenzverhältnis zwischen Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung (Strafzumessung bei der Vergewaltigung in der Ehe: ungeschützter Geschlechtsverkehr; rechtsfehlerhafte Einbeziehung einer tatmehrheitlichen Körperverletzung).

§ 177 Abs. 2 StGB; § 223 StGB; § 224 StGB; § 52 StGB; § 53 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg a.d. Lahn vom 3. Dezember 2010

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist der Vergewaltigung und der vorsätzlichen Körperverletzung in zwei Fällen;

b) im Strafausspruch zu Fall II. 1 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II. 1 der Urteilsgründe vollzog der Angeklagte mit der Nebenklägerin, seiner Ehefrau, gegen deren Willen unter Beschimpfungen gewaltsam ungeschützten Vaginalverkehr bis zum Samenerguss. Anschließend flüchtete die Nebenklägerin bekleidet mit Jogginghose und T-Shirt aus der Wohnung, wurde aber von dem Angeklagten im Treppenhaus eingeholt und zurück in die Wohnung gezerrt. Dort zerstörte er ihr Mobiltelefon und holte die gemeinsame 4-jährige Tochter aus dem Schlafzimmer.

Dieser erklärte er nun, ihr zeigen zu wollen "was sie für eine 'Rabenmutter' und 'Dreckshurenmutter' habe. Er drückte die Nebenklägerin im Wohnzimmer im Bereich der Eingangstür zum Flur hin auf den Boden, kniete sich mit einem Bein auf den Brustkorb der Nebenklägerin und hielt die Tochter dabei so auf dem Arm, dass sie nach vorne ihrer Mutter ins Gesicht blickte. In dieser Stellung schlug der Angeklagte mehrmals auf die Nebenklägerin ein, wobei er sie einmal im Gesicht und mehrfach im Bereich der Hände traf. Die Nebenklägerin schaute währenddessen in die Angst erstarrten Augen ihrer Tochter M., welche weder schrie noch weinte. Die Nebenklägerin, die den Angeklagten zunächst angeschrien hatte, mit den Schlägen aufzuhören, ging dazu über, auf ihn einzureden. Der Angeklagte beruhigte sich nach und nach, ließ von der Nebenklägerin ab und verfiel in einen weinerlichen Gemütszustand. Er brachte die Tochter M. wieder ins Schlafzimmer, strich der Tochter über den Kopf und sagte ihr, dass sie doch einschlafen solle, es werde alles gut. Der Angeklagte und die Nebenklägerin legten sich dann ebenfalls wieder schlafen."

2. Das Landgericht hat angenommen, die Vergewaltigung und die im Nachgang erfolgte Körperverletzung stünden im Verhältnis der Tateinheit und hat insoweit die Einsatzstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verhängt. Bei der vorangegangenen Prüfung, ob die Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB entfällt und deshalb der Normalstrafrahmen des Abs. 1 Anwendung findet, hat die Strafkammer entscheidend auf die im Anschluss an die Vergewaltigung begangene Körperverletzung abgestellt: "Über die mit einer Vergewaltigung allgemein verbundene erniedrigende Behandlung hinaus demütigte der Angeklagte die Nebenklägerin in besonderer Weise und fügte ihr durch sein Verhalten nach dem erzwungenen Geschlechtsverkehr eine noch heute andauernde psychische Belastung zu. Er demütigte sie, indem er auf sie einschlug, während er ihr Kind M. in Händen hatte. Zugleich beschimpfte er sie als 'Rabenmutter' und 'Dreckshurenmutter'. Mit der Einbeziehung der Tochter, die er zwang, die Schläge unmittelbar mit anzusehen, machte er darüber hin aus auch die Tochter M. zu einem Opfer seiner Handlungen, auch wenn eingetretene Verhaltensauffälligkeiten von M. nicht auf diese Tat allein zurückgeführt werden können" (UA 38).

II.

Die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses durch das Landgericht im Fall II. 1 der Urteilsgründe ist rechtsfehlerhaft. Die Vergewaltigung und die nach einer Zäsur - der Flucht aus der Wohnung, dem Zurückholen der Nebenklägerin und dem Wecken der gemeinsamen Tochter - aufgrund eines neuen Tatentschlusses begangene Körperverletzung stehen im Verhältnis der Tatmehrheit. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend berichtigt. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, zumal auch die Anklage zutreffend von zwei selbständigen Taten im materiell-rechtlichen Sinne ausgegangen ist. Durch die fehlerhafte Annahme von Tateinheit statt Tatmehrheit ist der Angeklagte nicht ausschließbar beschwert.

Sowohl für die Vergewaltigung wie auch für die im Nachgang verübte Körperverletzung sind unter Beachtung des Verschlechterungsverbots jeweils Einzelstrafen zu verhängen. Das kann für den Angeklagten zu einem günstigeren Ergebnis führen, weil der neue Tatrichter bei der Prüfung des Absehens von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB - anders als im angefochtenen Urteil - jedenfalls nicht entscheidend auf die besonderen Umstände der gesondert zu ahndenden Körperverletzung wird abstellen können. Was die strafschärfende Berücksichtigung der Vornahme solcher Sexualpraktiken - hier ungeschützter Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss - anbelangt, die zuvor während der Ehe einvernehmlich praktiziert worden sind, wird der neue Tatrichter die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zu berücksichtigen haben (vgl. BGH NStZ 1999, 505; BGHR StGB § 177 Abs. 1 Strafzumessung 10).

Die Aufhebung der für den Fall II. 1 verhängten Einsatzstrafe führt auch zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 900

Bearbeiter: Karsten Gaede