HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 362
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 569/10, Beschluss v. 22.12.2010, HRRS 2011 Nr. 362
I. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Marburg vom 2. Juli 2010 wird
1. das Verfahren in den Fällen 22 und 23 der Urteilsgründe eingestellt,
2. der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte
a) der Misshandlung von Schutzbefohlenen in sechs Fällen,
b) der gefährlichen Körperverletzung in drei Fällen,
c) der sexuellen Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen,
d) der Vergewaltigung in elf Fällen, davon
aa) in vier Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen,
bb) in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und vorsätzlicher Körperverletzung,
cc) in zwei Fällen in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten und in weiterer Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen,
dd) in zwei Fällen in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten und in weiterer Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie vorsätzlicher Körperverletzung, und
e) der Nötigung schuldig ist.
II. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
III. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in sechs Fällen, wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen, wegen Vergewaltigung in neun Fällen, davon in acht Fällen tateinheitlich mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, in vier Fällen tateinheitlich mit Beischlaf zwischen Verwandten und in vier Fällen tateinheitlich mit vorsätzlicher Körperverletzung, ferner wegen sexueller Nötigung in fünf Fällen, davon in vier Fällen tateinheitlich mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und in einem Fall mit vorsätzlicher Körperverletzung, sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Dagegen richtet sich die auf die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. In den Fällen 22 und 23 der Urteilsgründe, die das Landgericht nach § 182 Abs. 1 StGB beurteilt hat, ist Strafverfolgungsverjährung eingetreten. Die Taten wurden im Mai 2000 beziehungsweise in der ersten Hälfte des Jahres 2001 begangen. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Verfolgt wurden die Taten erst aufgrund einer Strafanzeige vom 7. Juli 2009. Deshalb liegt ein Verfahrenshindernis vor, das von Amts wegen zur Einstellung des Verfahrens hinsichtlich dieser Taten durch das Revisionsgericht führt.
Im Fall 20 wurde die Tat im Februar oder März 2000 begangen. Insoweit entfällt die tateinheitlich mit Vergewaltigung begangene vorsätzliche Körperverletzung wegen Strafverfolgungsverjährung. Einer Verfahrenseinstellung bedarf es hier nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Dezember 2010 - 2 StR 469/10).
In den Fällen 16 und 18 liegt, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, jeweils Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen vor. Auch in diesem Punkt ändert der Senat den Schuldspruch, um zutreffende Tatbezeichnungen herbeizuführen.
Die Änderung zum Nachteil des Angeklagten wird durch § 358 Abs. 2 StPO nicht gehindert. Ebenfalls steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht anders als geschehen verteidigen könnte.
Im Fall 24 liegt lediglich eine Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB vor. Die Berührung der Beine des Opfers während der Autofahrt unter der Drohung des Angeklagten, er werde es "auf der Autobahn aussetzen", wenn seine sexuellen Handlungen nicht geduldet würden, ist weder eine sexuelle Nötigung unter Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben des Opfers (§ 177 Abs. 1 5 Nr. 2 StGB) noch wurde die Tathandlung unter Ausnutzung einer schutzlosen Handlung des Opfers begangen (§ 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Letzteres würde voraussetzen, dass das Opfer unter dem Eindruck seines schutzlosen Ausgeliefertseins aus Furcht vor möglichen Einwirkungen des Täters auf einen ihm grundsätzlich möglichen Widerstand verzichtet und der Täter dies in seinen Vorsatz aufgenommen hatte (BGHSt 50, 359, 363 ff.). Dies hat das Landgericht nicht festgestellt.
Mit Blick auf die genannten Änderungen hat der Senat den Schuldspruch insgesamt neu gefasst. Es ist ausgeschlossen, dass der Ausspruch über die verbleibenden Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe durch die Änderung des Schuldspruchs und den Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen 22 und 23 beeinflusst werden.
HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 362
Bearbeiter: Karsten Gaede