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HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 268

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 509/10, Urteil v. 22.12.2011, HRRS 2012 Nr. 268


BGH 2 StR 509/10 - Urteil vom 22. Dezember 2011 (BGH)

BGHSt 57, 71; verfassungsunmittelbares (selbständiges) Beweisverwertungsverbot für ein mittels akustischer Überwachung in einem Kraftfahrzeug aufgezeichnetes Selbstgespräch (Schutz für Mitangeklagte; geschützter Kernbereich; Menschenwürde; Tagebuchentscheidung).

Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 GG; § 100 f StPO

Leitsätze

1. Ein in einem Kraftfahrzeug mittels akustischer Überwachung aufgezeichnetes Selbstgespräch eines sich unbeobachtet fühlenden Beschuldigten ist im Strafverfahren - auch gegen Mitbeschuldigte - unverwertbar, da es dem durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit zuzurechnen ist (im Anschluss an BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206). (BGHSt)

2. Ob das nichtöffentlich gesprochene Wort zum absolut geschützten Kernbereich oder zu dem nur relativ geschützten Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört, ist durch Gesamtbewertung aller Umstände im Einzelfall festzustellen. Für den stärkeren Schutz spricht die Eindimensionalität der "Selbstkommunikation", die Nichtöffentlichkeit der Äußerungssituation, die mögliche Unbewusstheit der Äußerungen im Selbstgespräch, die Identität der Äußerung mit den inneren Gedanken beim Selbstgespräch und die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes. Es kommt nicht darauf an, ob die Äußerung in einer Wohnung getroffen wurde. (Bearbeiter)

3. Auf den Inhalt der Gedankenäußerung und dessen mehr oder weniger großen Sozialbezug kommt es bei Selbstgesprächen - anders als bei Tagebüchern, Zwiegesprächen oder der Erfassung des Gesprächs eines Beschuldigten mit Dritten -, die an einem nichtöffentlichen Ort geschehen, nicht entscheidend an. (Bearbeiter)

4. Der Kernbereichsschutz entfällt nur, wenn der Grundrechtsträger den Bereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt. Dies geschieht nicht ohne weiteres schon dadurch, dass er sich außerhalb des besonders geschützten Bereichs seiner Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG aufhält, sofern er einen anderen Rückzugsraum wählt, in dem er sich unbeobachtet fühlen kann. (Bearbeiter)

5. Das Beweisverbot umfasst ein Beweiserhebungsverbot für die Hauptverhandlung bezüglich der im Vorverfahren erlangten Informationen. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 11. Dezember 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richten sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

A.

Das Landgericht hat folgendes festgestellt:

Die Angeklagten S. und I. K. sind Geschwister, der Angeklagte W. K. ist der Ehemann von I. K., deren Ehe trotz Kinderwunschs kinderlos blieb. Die Angeklagten I. und W. K. verfügen über ein Haus, in dem auch der Angeklagte S. K. nach seiner Übersiedlung aus Chemnitz nach der Wiedervereinigung Deutschlands eine Wohnung erhielt. Dort nahm der Angeklagte S. K. im Jahre 2001 seine Ehefrau L. auf, die er auf den Philippinen geheiratet hatte. Am 7. Februar 2002 wurde der Sohn M. der Eheleute geboren. Die Angeklagten I. und W. K. mischten sich in deren Angelegenheiten ein, was L. zunehmend störte.

Während der Angeklagte S. K. sich wenig um sein Kind kümmerte, wurde der Junge von den Angeklagten I. und W. K. wie ihr eigenes Kind behandelt. Vor diesem Hintergrund kam es zu Spannungen zwischen den Eheleuten L. und S. K. L. zog am 28. September 2005 zusammen mit ihrem Sohn aus der Ehewohnung aus und bezog eine eigene Wohnung in K. Der Angeklagte W. K. bot ihr Geld für den Fall an, dass sie das Kind im Hause K. aufwachsen lassen werde. L. lehnte dies entschieden ab. Am 18. Januar 2006 einigten sich die Eheleute über den Unterhalt. Am 27. Januar 2006 beantragte die Angeklagte I. K. ein eigenes Umgangsrecht mit dem Kind; der Antrag blieb jedoch in allen Instanzen erfolglos. Der Angeklagte S. K. erhielt vom Familiengericht ein Umgangsrecht zugesprochen. Er befürchtete jedoch, dass seine Ehefrau nach der Scheidung weit wegziehen werde, um seinen Kontakt mit dem Sohn zu vereiteln.

Im Frühjahr 2007 beschlossen die Angeklagten, dass das Problem durch die Tötung von L. gelöst werden solle. Einzelheiten dazu waren nicht feststellbar.

Im März und April 2007 renovierte der Angeklagte S. K. das Kinderzimmer in der Wohnung von L. und führte weitere Arbeiten durch. Er wechselte auch das Schloss der Wohnungstür aus. L. hegte angesichts dieser Arbeiten die Hoffnung auf einen Neubeginn der Beziehung zu ihrem Ehemann, die sich jedoch nicht realisierte. Am Mittwoch, dem 18. April 2007 telefonierte sie zweimal mit ihrem Ehemann. Ein anschließendes Telefonat mit einer Freundin beendete sie um 14.45 Uhr mit dem Hinweis, dass ihr Ehemann erscheine. Der Angeklagte S. K. kam aber nicht alleine, sondern in Begleitung der Mitangeklagten I. und W. K. Er nahm seinen Sohn in Empfang und sagte diesem, er dürfe jetzt 50mal beim Vater schlafen. Dann fuhren die Angeklagten mit dem Kind davon.

Der Angeklagte S. K. suchte später im Einvernehmen mit den Angeklagten I. und W. K. seine Ehefrau in deren Wohnung auf und tötete sie, um zu ermöglichen, dass das Kind bei den Angeklagten aufwachsen könne. Einzelheiten der Tatausführung blieben ungeklärt, da keine Spuren auffindbar waren. Trotz umfangreicher Suche der Ermittlungsbehörden wurde die Leiche der Getöteten nicht gefunden.

Das Landgericht hat dies als Mord aus niedrigen Beweggründen bewertet und die Angeklagten jeweils als Mittäter angesehen.

B.

Die Revisionen der Angeklagten haben mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

I. Im Vorverfahren wurden verschiedene verdeckte Überwachungsmaßnahmen durchgeführt. Unter anderem fand mit ermittlungsrichterlicher Gestattung gemäß § 100f StPO in Verbindung mit §§ 100b Abs. 1, 100d Abs. 2 StPO eine elektronische Überwachung im Auto des Angeklagten S. K. statt. Dabei wurden dessen Selbstgespräche, als er sich alleine im Auto befand, an mehreren Tagen aufgezeichnet und später in die Hauptverhandlung eingeführt sowie im Urteil des Landgerichts verwertet.

Am 22. Oktober 2007 war auf den umfangreichen Aufzeichnungen neben zahlreichen unerheblichen Äußerungen auch die Bemerkung zu hören: "... die L. ist schon lange tot, die wird auch nicht wieder ... kannste natürlich nicht sagen ...". Am 23. Oktober 2007 fielen im Rahmen der Selbstgespräche die Worte: "Richter" und "wie? Mord?", ... sowie "oho I kill her ... oh yes, oh yes ... and this is my problem ...", ferner "... ich würde mal sagen, es wird jetzt wohl so sein, dass die Polizei mal auf eure Truppe kommt". Am 26. Oktober 2007 konnte den Selbstgesprächen die Anmerkung entnommen werden: "...ja, was soll ich sagen, die Situation ist kritisch ...". Am 29. Oktober 2007 erklärte der Angeklagte S. K. im Selbstgespräch unter anderem, es sei: "... langweilig, der das Gehirn rausprügeln ... kann ich dir sagen, joh und weg damit ... werde auch keine mehr wegknallen ... nö I., wir haben sie tot gemacht ...". Schließlich war aus einem weiteren Selbstgespräch am selben Tag zu späterer Stunde herauszuhören: "...ist eben lebenslang und fertig aus, lebenslang ... war nicht alt ...".

Das Landgericht hat darin ein geständnisgleiches Indiz für die Tötung von L. durch den Angeklagten S. K. gesehen. Die Bemerkung "nö I., wir haben sie tot gemacht" deute zudem auf Mittäterschaft hin. Die Schwurgerichtskammer hat angenommen, die Selbstgespräche seien verwertbar. Der unantastbare Kernbereich der privaten Lebensgestaltung werde dadurch nicht berührt, denn es liege inhaltlich ein Bezug der Äußerungen zu dem Tötungsverbrechen vor. Dadurch verliere ein Selbstgespräch den Charakter des Höchstpersönlichen. Die Revisionen der Angeklagten machen demgegenüber ein Beweisverwertungsverbot geltend.

II. Die Verfahrensrüge ist begründet.

1. Das nichtöffentlich geführte Selbstgespräch unterliegt einem selbständigen Beweisverwertungsverbot von Verfassungs wegen (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 210; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, 1988, S. 264; LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., Einl. L Rn. 88; Jahn, Gutachten C zum 67. Deutschen Juristentag 2008, C 84; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 26. Aufl., § 36 Rn. 45; SK/Wolter, StPO, 4. Aufl. 2010, § 100f Rn. 35).

a) Der absolut geschützte Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung wird aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 1973 - 2 BvR 454/71, BVerfGE 34, 238, 245; Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 373). Sein Schutzbereich wird durch heimliche Aufzeichnung des nichtöffentlich geführten Selbstgesprächs der Zielperson staatlicher Ermittlungsmaßnahmen und deren Verwertung in der Hauptverhandlung berührt (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 212). Ob das nichtöffentlich gesprochene Wort zum absolut geschützten Kernbereich oder zu dem nur relativ geschützten Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört, ist durch Gesamtbewertung aller Umstände im Einzelfall festzustellen. Aus einer Kumulation von Umständen folgt hier, dass die Selbstgespräche des Angeklagten S. K. dem Kernbereich zuzurechnen sind. Dazu zählen die Eindimensionalität der "Selbstkommunikation", die Nichtöffentlichkeit der Äußerungssituation, die mögliche Unbewusstheit der Äußerungen im Selbstgespräch, die Identität der Äußerung mit den inneren Gedanken beim Selbstgespräch und die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes.

Der Grund für den absoluten Schutz eines Kernbereichs der Persönlichkeitsentfaltung besteht in der Eröffnung einer Möglichkeit für Menschen, sich in einem letzten Rückzugsraum mit dem eigenen Ich befassen zu können, ohne Angst davor haben zu müssen, dass staatliche Stellen dies überwachen (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 1983 - 2 StR 775/82, BGHSt 31, 296, 299 f.). Die Gedanken sind grundsätzlich frei, weil Denken für Menschen eine Existenzbedingung darstellt (vgl. Mahrenholz/Böckenförde/Graßhof/Franßen in BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 381).

Den Gedanken fehlt aus sich heraus die Gemeinschaftsbezogenheit, die jenseits des Kernbereichs der Persönlichkeitsentfaltung liegt. Gleiches gilt für die Gedankenäußerung im nicht öffentlich geführten Selbstgespräch (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 213). Gedanken werden typischerweise in Form eines "inneren Sprechens" entwickelt (vgl. Tönnies, Selbstkommunikation, 1994, S. 16). Denken und Sprache, die dem Menschen als einzigem Lebewesen zur Verfügung steht, sind untrennbar miteinander verbunden. Die Gedankeninhalte des inneren Sprechens treten vor allem in Situationen, in denen der Sprechende sich unbeobachtet fühlt, durch Aussprechen hervor. Das möglicherweise unbewusste "laute Denken" beim nichtöffentlich geführten Selbstgespräch nimmt sodann an der Gedankenfreiheit teil. Bedeutung für die Zuordnung zum Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung hat dabei auch die Nichtöffentlichkeit der Äußerungssituation. Zwar fanden die hier in Rede stehenden Selbstgespräche nicht in einer Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG statt, woraus sich eine "Vermutung" hätte ergeben können, "dass der Kernbereich tangiert sein kann" (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 210); dies folgt auch aus dem Zusammenhang von § 100c Abs. 4 mit § 100f StPO. Hieraus ist aber nicht zu schließen, dass der Schutz des Kernbereichs der Persönlichkeit in Bezug auf Äußerungen sich ausschließlich auf den räumlichen Bereich von Wohnungen beschränke. Vielmehr kann auch das "Alleinsein mit sich selbst" in einem Pkw diesen Schutz begründen. Es bestand aus der Sicht des Angeklagten S. K. nicht die Gefahr, dass andere Personen den Inhalt seiner Äußerungen im Selbstgespräch erfassten. Der rechtlich geringere Schutz des Aufenthaltsorts im Auto gegenüber der Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG (zur Relativierung bei der Äußerung im Krankenzimmer BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 212) wird hier deshalb im Einzelfall dadurch kompensiert, dass tatsächlich das Risiko einer Außenwirkung der spontanen Äußerungen nahezu ausgeschlossen war; das Selbstgespräch konnte nur durch eine heimliche staatliche Überwachungsmaßnahme erfasst werden. Die Nichtöffentlichkeit der Gesprächssituation war daher bei einer Gesamtbewertung der Umstände des Einzelfalls derjenigen in einer Wohnung gleichzusetzen.

b) Auf den Inhalt der Gedankenäußerung und dessen mehr oder weniger großen Sozialbezug kommt es demgegenüber bei Selbstgesprächen nicht entscheidend an. Insoweit gilt etwas anderes als bei der Fixierung von Gedanken in einem Tagebuch oder bei der Erfassung des Gesprächs eines Beschuldigten mit Dritten.

Die Tagebuchentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 374), bei der wegen Stimmengleichheit eine Grundrechtsverletzung nicht festgestellt werden konnte, kann nicht ohne Weiteres auf die Frage der Zuordnung des heimlich abgehörten Selbstgesprächs zum Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung oder zur allgemeinen Persönlichkeitssphäre übertragen werden. War dort der Raum, in dem die Anfertigung von Notizen stattfand, für die Frage der Verwertbarkeit der schriftlich fixierten Gedanken im Strafverfahren ohne Belang, weil die Notizen freiwillig der Sicherstellung preisgegeben wurden, so erlangt im vorliegenden Fall das Kriterium der Nichtöffentlichkeit des Ortes der Gedankenäußerung erhebliche Bedeutung. Spielte in der Tagebuchentscheidung die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes keine Rolle, weil der Betroffene seine Gedanken dort im Tagebuch fixiert und bei diesem Schreibvorgang unter Umständen auch noch repetiert hatte, so erlangt die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes als Abgrenzungskriterium im vorliegenden Fall besonderes Gewicht. In der Tagebuchentscheidung waren überdies auch präventive Überlegungen für die Annahme der Verwertbarkeit von Bedeutung (aaO S. 377, 380), weil die dort fraglichen Tagebuchaufzeichnungen vor der Tatbegehung gemacht worden waren und bei rechtzeitiger Erfassung durch die Polizeibehörden theoretisch auch zur Verhinderung der Tat als Maßnahme der Gefahrenabwehr hätten genutzt werden können. Dagegen spielt die Möglichkeit der Prävention zugunsten anderer Grundrechtsträger als Frage der Grundrechtskollision hier keine Rolle (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 214).

Das "Selbstgespräch" kann auch nicht mit einem Zwiegespräch gleichgesetzt werden, das regelmäßig nicht dem absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung zuzuordnen ist, wenn es mit seinem Inhalt einen Tatbezug und damit Sozialbezug aufweist (vgl. BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98, 1084/99, BVerfGE 109, 279, 319; Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 BvR 236/08 u.a.; Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a.; vgl. auch § 100c Abs. 4 Satz 3 StPO). Es unterscheidet sich von einem solchen Gespräch schon dadurch, dass die Äußerungen nicht auf Verständlichkeit angelegt und jedenfalls auch durch unwillkürlich auftretende Bewusstseinsinhalte gekennzeichnet sind (BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 213).

c) Der somit gebotene Kernbereichsschutz entfällt nur, wenn der Grundrechtsträger den Bereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09). Dies geschieht nicht ohne weiteres schon dadurch, dass er sich außerhalb des besonders geschützten Bereichs seiner Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG aufhält, sofern er einen anderen Rückzugsraum wählt, in dem er sich unbeobachtet fühlen kann. Das war hier hinsichtlich des Pkw der Fall. Nach außen gerichtete Äußerungen in einem Pkw, in dem die betreffende Person allein ist, können nicht Äußerungen in der Öffentlichkeit gleichgestellt werden. Es bleibt deshalb bei der Zuordnung der Selbstgespräche des Angeklagten S. K. zum absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung mit der Folge ihrer Unverwertbarkeit.

2. Das Beweisverbot entfaltet wegen seiner Absolutheit, die ein Beweiserhebungsverbot für die Hauptverhandlung bezüglich der im Vorverfahren erlangten Informationen einschließt (vgl. Schwaben, Die personelle Reichweite von Beweisverwertungsverboten, 2005, S. 101 f.), seine Wirkung auch auf die nicht unmittelbar von der akustischen Überwachung im Vorverfahren betroffenen Mitangeklagten.

Die Unverwertbarkeit des Selbstgesprächs von S. K. als Indiz für und gegen alle Angeklagten (zur Frage der "Überkreuzverwertung" Jahn, Gutachten C zum 67. Deutschen Juristentag 2008, C 114 f.) entspricht den Verboten, die in §§ 100a Abs. 4 Satz 2, 100c Abs. 5 Satz 3 StPO für den Fall des Eingriffs in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung positivrechtlich geregelt sind. Der Gesetzgeber hat dort für den Fall, dass tatsächlich der Kernbereich betroffen ist, jede Verwendung der hierüber erlangten Informationen im Strafverfahren ausgeschlossen. Er ist damit nicht dem Gedanken gefolgt, dass Beweisverwertungsverbote auch mit Blick auf die Ambivalenz ihrer Beweisbedeutung als Be- oder Entlastungsbeweis ausschließlich den Bedeutungsgehalt von Belastungsverboten haben sollen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 215; Jahn aaO C 112 ff.). Zwar hat der Gesetzgeber in § 100f StPO auf eine entsprechende Kernbereichsregelung verzichtet, jedoch gilt für das unmittelbar aus der Verfassung abgeleitete Beweisverwertungsverbot in diesem Zusammenhang nichts anderes. Auch Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG spricht gegen die Verwertbarkeit der Selbstgesprächsinhalte für oder gegen Dritte, weil insoweit ein selbständiges Beweisverwertungsverbot begründet wird (vgl. zur ausnahmsweise absoluten Wirkung eines Beweisverbots im Übrigen auch §§ 136a Abs. 3, 69 Abs. 3 StPO).

3. Das Urteil beruht hinsichtlich aller Angeklagten auf der Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Selbstgespräch wurde als Indiz für die Tatbegehung überhaupt sowie für die Täterschaft des Angeklagten S. K. herangezogen. Obwohl eine Reihe von weiteren Indizien für dieses Beweisergebnis spricht, kann der Senat nicht sicher ausschließen, dass die Verurteilung des Angeklagten S. K. auf der Verwertung seiner Äußerungen in den überwachten Selbstgesprächen beruht. Das Landgericht hat daraus auch Hinweise auf die Mittäterschaft der Mitangeklagten I. und W. K. entnommen. Auch deren Verurteilung beruht auf der Verwertung der Selbstgespräche. Ob eine Verurteilung eines Angeklagten oder mehrerer Angeklagten auch ohne die Verwertung der aufgezeichneten Selbstgespräche des Angeklagten S. K. möglich ist, muss dem neuen Tatrichter vorbehalten bleiben.

HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 268

Externe Fundstellen: BGHSt 57, 71; NJW 2012, 945; NStZ 2012, 277; NStZ 2012, 399; StV 2012, 269; StV 2012, 517

Bearbeiter: Karsten Gaede