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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 356

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 433/10, Beschluss v. 12.01.2011, HRRS 2011 Nr. 356


BGH 2 StR 433/10 - Beschluss vom 12. Januar 2011 (LG Frankfurt am Main)

Betrug (Vorsatz; Täuschung; Vermögensschaden; Betrug einer Versicherung; Betrug durch Unterlassen: Aufklärungspflicht gegenüber einer Versicherung); Beweisantragsrecht (Bedeutungslosigkeit).

§ 263 StGB; § 244 Abs. 3 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Wenn der Angeklagte infolge einer falschen Information darauf vertraut, dass ein objektiv falscher Eintrag in einem Versicherungsvertrag für die Versicherung richtig ist, fehlt es am Täuschungsvorsatz. Es kommt nicht darauf an, dass der Angeklagte auf die falsche Information nicht vertrauen durfte.

2. Aufwendungen bei Vertragsschluss, die ohne diesen nicht entstanden wären, vermögen einen Vermögensschaden im Sinne von § 263 StGB nicht zu begründen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. April 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in den Fällen 1 und 3 mit der Sachrüge, im Fall 2 mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts im Fall 1 war der Angeklagte zur Tatzeit alleiniger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der K GmbH (K.), die sich vor allem mit der Vermietung höherwertiger Kraftfahrzeuge befasste. Nachdem zum Ende des Jahres 2005 der Versicherungsschutz wegen hohen Schadensanfalls der Mietfahrzeuge gekündigt worden war, beantragte der Angeklagte für 55 Mietfahrzeuge seines Unternehmens zum 1. Januar 2006 eine neue Kraftfahrzeug haftpflicht- und Vollkaskoversicherung bei der Versicherungsgesellschaft H. In den vom Angeklagten unterschriebenen Versicherungsanträgen war unter Verwendungszweck "Eigenverwendung ohne Vermietung" angekreuzt, obwohl der Angeklagte wusste, dass es sich um Fahrzeuge handelte, die er im Rahmen seines Unternehmens vermietete. Die Versicherungsverträge kamen in der Folge zu Konditionen zustande, die für "eigengenutzte" Fahrzeuge gelten und deshalb günstiger waren. Nach Bekanntwerden der falschen Angaben erklärte die H. Versicherung mit Schreiben vom 6. Mai 2006 den Rücktritt vom Vertrag und focht ihn zugleich wegen arglistiger Täuschung an.

Die Einlassung des Angeklagten, es habe sich bei den Vermietungen um so genannte Langzeitvermietungen gehandelt, die nach der Auskunft der beiden die Antragstellung vorbereitenden Mitarbeiter der Generalagentur der H. versicherungstechnisch wie eine "Eigenverwendung" zu behandeln seien, hielt das Landgericht als Schutzbehauptung für widerlegt. Zwar habe einer der beiden Berater die Auskunft nach § 55 StPO verweigert, doch habe der andere, der Zeuge R., angegeben, er sei zu keinem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass es sich bei der K. um eine Autovermietung handele, vielmehr habe er bei der Vorbereitung der Anträge gedacht, die K. sei eine Unternehmensberatung und dementsprechend ginge es um eigengenutzte Fahrzeuge. Im Übrigen hätte sich der Angeklagte nicht auf eine von ihm behauptete Erklärung, eine Langzeitvermietung sei versicherungstechnisch einer Eigenvermietung gleichzusetzen, verlassen dürfen. Er habe aus früheren Erfahrungen beim Abschluß der Verträge gewusst, dass das Thema des "Selbstfahrervermietfahrzeugs" immer ein Problem gewesen sei.

Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Betruges nicht. Zwar liegt in den von dem Angeklagten unterschriebenen Anträgen eine Täuschungshandlung, die zum Zustandekommen eines ansonsten nicht oder nicht zu diesen Konditionen geschlossenen Vertrags und damit zu einem - allerdings der Höhe nach - nicht quantifizierten Schadens geführt hat. Ob der Angeklagte dabei vorsätzlich gehandelt hat, lässt sich den bisher getroffenen Feststellungen des Landgerichts nicht zweifelsfrei entnehmen. Hätten ihm - wie behauptet - die beiden Berater der H. Versicherung mitgeteilt, "Langzeitvermietung" sei versicherungsrechtlich wie Eigennutzung zu behandeln, könnte es - sofern der Angeklagte darauf vertraut haben sollte - an einem Täuschungsvorsatz fehlen, zumal es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommt, ob er - worauf das Landgericht weiter abhebt - auf eine entsprechende Auskunft nicht hätte vertrauen dürfen. Ob ihm eine solche Auskunft erteilt worden ist oder nicht, lässt das Landgericht aber offen, obwohl der Zeuge R. zum Zustandekommen der Anträge in der Hauptverhandlung gehört worden ist. Die in diesem Zusammenhang wiedergegebenen Angaben des Zeugen, er sei davon ausgegangen, dass es sich bei der K. nicht um eine Autovermietung, sondern um eine Unternehmensberatung handele und es deshalb bei den zu versichernden Fahrzeugen um selbstgenutzte Pkw's gehe, beschreiben nur die Vorstellung des Zeugen selbst, besagen aber letztlich noch nichts darüber, ob er und/oder der andere Mitarbeiter der H. - wie vom Angeklagten vorgetragen - eine entsprechende Auskunft erteilt haben. Allein mit Blick auf die Vorstellungen des Zeugen R. durfte die Einlassung des Angeklagten nicht als widerlegt angesehen werden.

2. Nach den Feststellungen zum Fall 2 schloss der Angeklagte nach der Kündigung durch die H. Versicherung für 66 Mietfahrzeuge der K. neue Versicherungsverträge mit der G. Versicherung ab. Auch hierbei enthielten die durch den Zeugen N. elektronisch versandten Versicherungsanträge den unzutreffenden Verwendungszweck "Eigenverwendung". Dementsprechend wiesen die Versicherungsverträge den Verwendungszweck "Personalkraftwagen ohne Vermietung" auf. Der Angeklagte unterließ es, die Versicherungsscheine zu berichtigen. Angaben darüber, dass gegenüber der H. zuvor keinerlei Beiträge gezahlt worden waren, machte er der Versicherung gegenüber nicht. Da der Angeklagte auf die überwiegende Zahl der Verträge keine Zahlungen an die G. Versicherung leistete, wurden diese in der Folgezeit storniert.

Auch insoweit hat sich der Angeklagte dahingehend eingelassen, er habe von dem die Versicherungen vermittelnden Zeugen N. die Auskunft erhalten, versicherungstechnisch sei in Fällen von Langzeitvermietung die Angabe "Eigenverwendung" möglich und nicht zu beanstanden. Er hat in der Hauptverhandlung am 14. April 2008 einen Beweisantrag auf Vernehmung dieses Zeugen zum Beweis der Tatsache gestellt, dieser habe ihn beraten, dass die Langzeitvermietung von Fahrzeugen wie die Versicherung eines in Eigengebrauch stehenden Fahrzeuges zu behandeln und deshalb gegenüber der Versicherung die Nutzung des Fahrzeugs als "Eigengebrauch" anzugeben sei.

Das Landgericht hat den Beweisantrag abgelehnt; es war der Meinung, die unter Beweis gestellte Tatsache sei aus tatsächlichen Gründen völlig ohne Bedeutung und nahm zur Begründung auf die Ablehnung eines vorangegangenen Beweisantrages und dort insbesondere auf die Ausführungen über die Kontrollerfordernisse der Policen seitens des Angeklagten, die fehlende Verlässlichkeit mündlicher Erklärungen und das Eigeninteresse eines Versicherungsmaklers Bezug. Wesentlicher Grund für die Ablehnung ist danach die Erwägung, der Angeklagte hätte die Versicherungsscheine nach Erhalt kontrollieren und berichtigen müssen.

Diese Ablehnung des Beweisantrages war rechtsfehlerhaft und führt zur Aufhebung des Urteils im Fall 2. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen Betruges durch Unterlassen verurteilt und ist daher davon ausgegangen, dass er die Versicherungsscheine nach deren Erhalt in jedem Fall hätte korrigieren müssen. Dabei übersieht die Kammer allerdings, dass für den Angeklagten kein Anlass für eine Korrektur bestanden hätte, wenn ihn der Zeuge N. beim Einreichen der Versicherungsverträge tatsächlich, wie unter Beweis gestellt, beraten hätte. In diesem Falle hätte er - vorausgesetzt, er hätte dessen Angaben Glauben geschenkt - ohne Weiteres davon ausgehen können, dass der Vertrag ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Ob der Angeklagte wie im Beweisantrag behauptet beraten worden ist, durfte das Landgericht deshalb nicht als bedeutungslos ansehen, auch nicht vor dem Hintergrund der Vorerfahrungen des Angeklagten mit der Versicherung von "Langzeitmietverträgen" oder einem möglichen "offenen oder stillschweigenden Zusammenwirken mit dem Versicherungsmakler". Diese Umstände können allenfalls eine Rolle spielen, wenn es um die Beurteilung geht, ob der Angeklagte auf eine Beratung, wie sie unter Beweis gestellt worden ist, vertraut hat, sie führen aber nicht dazu, die Beweistatsache als von vornherein bedeutungslos anzusehen. Dies gilt im Übrigen auch, soweit das Landgericht die Bedeutungslosigkeit der Tatsache auch auf die mangelnde Zahlungsbereitschaft bzw. Zahlungsfähigkeit gegenüber der Vorversicherung gestützt hat. Es mag sein, dass die G. Versicherung die Verträge mit dem Angeklagten nicht abgeschlossen hätte, wenn sie von dessen Nichtleistungen erfahren hätte. Aus welchem Grund den Angeklagten insoweit allerdings eine Hinweis- oder Aufklärungspflicht trifft, erörtert das Landgericht nicht. Das versteht sich ohne Kenntnis des Versicherungsantrages bzw. -vertrages auch nicht von selbst, zumal es vielfältige Gründe dafür geben kann, warum es in der kurzen Laufzeit der Verträge nicht zu Zahlungen gekommen ist.

3. Nach den Feststellungen zum Fall 3 plante der Angeklagte Ende des Jahres 2006, die K., die sich in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befand, zu verkaufen. Er nahm deshalb Verhandlungen mit der Firma J. auf und übergab dabei u.a. eine Liste, in der der Bestand des gegenwärtigen Fuhrparks enthalten war. Am 3. Februar 2007 schloss der Angeklagte hinsichtlich 23 der zum Fuhrpark zählenden, überwiegend jedoch im Sicherungseigentum von Banken stehenden Fahrzeuge Überlassungs- und Leasing-Übernahmeverträge zwischen der K. und sich selbst für seine Einzelfirma.

Dabei vereinbarte er eine Übereignung der Fahrzeuge an sich, während sich die K. verpflichtete, die Fahrzeuge zu versichern, für die Finanzierungs- und Leasingraten und für alle Schäden in der Nutzungszeit aufzukommen. Die Genehmigungen der finanzierenden Kreditinstitute holte er nicht ein, die vereinbarten Kaufpreise beglich er nicht. Am 16. Februar 2007 verkaufte der Angeklagte für einen Euro seinen Geschäftsanteil an der K. an die J., wobei vereinbart wurde, dass dieser an der Rückführung der Fahrzeuge, für die er selbst Bürgschaften abgegeben hatte, mitwirken sollte. Weder vor noch bei Abschluss des Vertrags offenbarte er die In-sich-Verträge vom 3. Februar 2007; die J. ging davon aus, auf sämtliche Fahrzeuge des Fuhrparks Zugriff zu haben; tatsächlich standen ihr lediglich ein oder zwei Fahrzeuge zur Verfügung. Am 7. März 2007 stellte der neue von der Firma J. bestellte Geschäftsführer Insolvenzantrag. Mit Schreiben vom 26. März 2007 begehrte der Angeklagte die Herausgabe des Großteils der im Vertrag vom 3. Februar 2007 genannten Fahrzeuge.

Das Landgericht ist bei seiner Verurteilung wegen Betruges offenbar davon ausgegangen, dass die Firma J. von dem Angeklagten über die (fehlenden) Zugriffsmöglichkeiten auf die mit Vertrag vom 3. Februar 2007 übereigneten Fahrzeuge, von der sie erst durch das Herausgabeverlangen vom 26. März 2007 erfahren habe, getäuscht worden sei, diese bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände den Vertrag nicht geschlossen hätte und ihr dadurch Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss entstanden seien, die durch einen Gewinn nicht ausgeglichen worden seien (vgl. UA S. 25). Dies trägt eine Verurteilung wegen Betruges nicht. Die getroffenen Feststellungen lassen eine abschließende Beurteilung, ob sich der Angeklagte wegen Betruges zu verantworten hat, nicht zu. Es lässt sich schon nicht feststellen, ob und gegebenenfalls wann der Angeklagte eine zu einem Schaden führende Täuschungshandlung begangen hat. Die Übergabe einer Liste mit Angaben zum Bestand des Fuhrparks vor Zustandekommen der Verträge kommt als Täuschungshandlung nicht in Betracht, denn die von dem Angeklagten gemachten Angaben entsprachen zu diesem Zeitpunkt den Tatsachen, da der Angeklagte die In-sich-Geschäfte zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen hatte; im Übrigen ist auch nicht festgestellt, dass der Angeklagte schon in diesem Augenblick zu diesen Geschäften entschlossen war. Ob der Angeklagte später, bei oder im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss, eine Täuschungshandlung begangen hat, etwa indem er die durch Übergabe der Liste geschaffene irrige Vorstellung der Firma J. vom Fahrzeugbestand ausgenutzt oder es unter Verstoß gegen eine mögliche Garantenpflicht unterlassen hat, diese über die zwischenzeitliche Veräußerung in Kenntnis zu setzen, hat das Tatgericht, das nur auf weitere bei Abschluss des notariellen Vertrages übergebene Unterlagen verweist, ohne sich zum Inhalt des Vertrages und der genannten Unterlagen weiter zu äußern, nicht erläutert. Dies wird genauso nachzuholen sein wie unter genauerer Betrachtung der vertraglich übernommenen Verpflichtungen eine konkrete Darlegung des eingetretenen Schadens, zu dem bisher jegliche tragfähige Feststellungen fehlen. Auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift vom 27. Oktober 2010 wird insoweit verwiesen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Aufwendungen bei Vertragsschluss, die ohne diesen nicht entstanden wären, einen Vermögensschaden im Sinne von § 263 StGB nicht zu begründen vermögen.

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 356

Bearbeiter: Karsten Gaede