HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 39
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 442/08, Beschluss v. 15.10.2008, HRRS 2009 Nr. 39
1. Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 29. April 2008 wirksam zurückgenommen ist.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Revision zu tragen.
1. Das Landgericht hat den Angeklagten am 29. April 2008 wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil legte die Pflichtverteidigerin am 5. Mai 2008 Revision ein. Am 12. Juni 2006 wurde der Verteidigerin das Urteil zugestellt. Nachdem der Vorsitzende ihr am 22. Juli 2008 mitgeteilt hatte, dass die Revision zu verwerfen sein werde, da eine Revisionsbegründung nicht innerhalb der Frist vorgelegt worden sei, kündigte sie gegenüber dem Vorsitzenden am 25. Juli 2008 die Rücknahme der Revision an. Dies sei "mit dem Angeklagten besprochen". Mit beim Landgericht am 31. Juli 2008 eingegangenem Schreiben vom 25. Juli 2008 nahm die Verteidigerin "nach erneuter Besprechung mit meinem Mandanten" die Revision zurück.
Mit beim Landgericht am 19. August 2008 eingegangenen Schreiben vom "18.09.2008" beantragte die Verteidigerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "vor Revisionsrücknahme und -begründung" und rechtfertigte das Rechtsmittel mit der allgemeinen Sachrüge. Sie habe das Rechtsmittel unbegründet zurückgenommen, weil sie bei ihrem letzten Besuch die Ausführungen des Angeklagten, dass er "keinen Sinn mehr sieht" dahin missverstanden habe, dass die Revision keinen Sinn mache. Der Angeklagte habe ihr jedoch zwischenzeitlich mitgeteilt, er habe die Revision nicht zurücknehmen wollen und er wolle diese auch begründet haben.
2. Damit ist eine feststellende Klärung der Wirksamkeit der Revisionsrücknahme durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts angezeigt (vgl. Senat BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 11; BGH NStZ 2001, 104). Die Rücknahme der Revision durch die Pflichtverteidigerin ist wirksam. Die hierzu gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung lag zum Zeitpunkt der Rücknahme vor. Für die Ermächtigung ist eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben, so dass sie auch mündlich erteilt werden kann (vgl. BGH NStZ 2005, 583; NStZ-RR 2007, 151).
Aus der Erklärung der Pflichtverteidigerin gegenüber dem Vorsitzenden und ihrem Schreiben vom 25. Juli 2008 ergibt sich, dass der Angeklagte sie wirksam zur Rücknahme ermächtigt hat. Seine bei der Besprechung in der Justizvollzugsanstalt mit dem Pflichtverteidiger mündlich erklärte Zustimmung reicht hierfür aus. Dass ihn die Verteidigerin missverstanden haben könnte, liegt schon angesichts ihrer Sprachkenntnisse und der zusätzlichen Anwesenheit eines Dolmetschers fern. Hinzu kommt, dass die Besprechung - und die anschließende Rücknahme - nach der Mitteilung des Vorsitzenden erfolgte, dass die Revision wegen nicht fristgerechter Begründung als unzulässig zu verwerfen sein werde und es bei dem Gespräch mit dem Angeklagten nach den Angaben der Pflichtverteidigerin gerade auch um die Revisionsbegründung ging. Vor diesem Hintergrund hat die Pflichtverteidigerin ihren Mandanten und seine mitgeteilte Formulierung, dass er "keinen Sinn mehr sieht", zutreffend dahin verstanden, dass die Revision zurückgenommen werden solle. Ein nach den Ausführungen der Verteidigerin im Schriftsatz vom 18. September 2008 nicht ausgeschlossener möglicher Irrtum des Angeklagten über die Tragweite einer Revisionsrücknahme führt hingegen nicht zur Unwirksamkeit der Ermächtigung (vgl. Senat BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 11). Eine Anfechtung der Ermächtigung wegen Irrtums kommt im Interesse der Rechtssicherheit ebenfalls nicht in Betracht (vgl. BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 8; Senat BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 11).
3. Da die Revision des Angeklagten wirksam zurückgenommen ist, ist der von der Pflichtverteidigerin gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist gegenstandslos. Im Übrigen wäre der Antrag auch unzulässig, weil es an - nach § 45 Abs. 1 StPO erforderlichen (BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 4) - Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses fehlt. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts Bezug.
HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 39
Bearbeiter: Ulf Buermeyer