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HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 839

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 252/08, Beschluss v. 23.07.2008, HRRS 2008 Nr. 839


BGH 2 StR 252/08 - Beschluss vom 23. Juli 2008 (LG Frankfurt am Main)

Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (Fristbeginn).

Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK; Art. 20 Abs. 3 GG

Leitsatz des Bearbeiters

Die für Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgebende Frist für die Beurteilung eines etwaigen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung beginnt regelmäßig erst mit dem Zeitpunkt, an dem der Beschuldigte entsprechend Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a EMRK offiziell Kenntnis davon erhält, dass wegen einer Straftat gegen ihn ermittelt wird.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. Januar 2008 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat das Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Die Kammer hat sich insoweit maßgeblich auf die - ermittlungstaktisch bedingte - späte "Ausweitung der Ermittlungen" auf den Angeklagten bezogen (UA 42/43) und Erwägungen zur Zweckmäßigkeit dieser Vorgehensweise angestellt (UA 45). Dies lässt besorgen, dass sie bei ihrer Berechnung vor allem Zeiträume berücksichtigt hat, die eine der Justiz zuzurechnende konventionswidrige Verzögerung nicht begründen. Denn die für Art. 6 Abs. 1 MRK maßgebende Frist beginnt regelmäßig erst mit dem Zeitpunkt, an dem der Beschuldigte entsprechend Art. 6 Abs. 3 Buchstabe a MRK offiziell Kenntnis davon erhält, dass wegen einer Straftat gegen ihn ermittelt wird (Löwe-Rosenberg/Gollwitzer StPO, 25. Aufl. 2005, MRK Art. 6 Rdn. 81 m.N.). Dieser Rechtsfehler beschwert den Angeklagten jedoch ebenso wenig wie der unangemessen hohe Strafabschlag von einem Jahr bei einer vom Landgericht unterstellten justizbedingten Verfahrensverzögerung von einem Jahr und vier Monaten.

Angesichts dessen kann der Senat auch ausschließen, dass der Angeklagte bei der vom Landgericht für erforderlich gehaltenen Kompensation durch die Nichtanwendung der Vollstreckungslösung (siehe BGH - GSSt - NJW 2008, 860) beschwert sein könnte, ohne dass es hier auf die - vom Senat bejahte - Frage ankäme, ob in einem solchen Fall einer Aufhebung des Strafausspruchs und Zurückverweisung an das Landgericht nicht ohnehin das Verschlechterungsverbot entgegen stünde.

HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 839

Bearbeiter: Ulf Buermeyer