HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 168
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 492/07, Beschluss v. 06.02.2008, HRRS 2008 Nr. 168
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 25. April 2007 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es ihn betrifft.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die mit Verfahrensrügen und mit der Sachrüge begründet worden ist. Das Rechtsmittel hat mit der Rüge einer Verletzung des § 338 Nr. 7 StPO Erfolg.
Die Verfahrensrüge, das Urteil sei verspätet zu den Akten gebracht worden (§ 275 Abs. 1, § 338 Nr. 7 StPO) greift durch. Das am 25. April 2007 nach elftägiger Hauptverhandlung verkündete Urteil hätte spätestens nach neun Wochen, also bis zum 27. Juni 2007 zu den Akten gebracht werden müssen. Ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle auf der Urteilsurkunde ist dies jedoch erst am 4. Juli 2007 geschehen.
Gemäß § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO darf die Frist nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Ein solcher Umstand liegt hier auch angesichts des vom Vorsitzenden Richter der Jugendkammer in seinem Vermerk vom 25. Juni 2007 mitgeteilten Sachverhalts nicht vor. Danach war der Berichterstatter nach Urlaubsrückkehr erkrankt und ab dem 18. Juni 2007 krankgeschrieben, seine Rückkehr und die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit waren frühestens ab dem 2. Juli 2007 zu erwarten. Zum Zeitpunkt der Erkrankung lag kein Urteilsentwurf vor, auch gab es keine Leseabschrift der Mitschriften des Berichterstatters mit Ausnahme der Zusammenstellungen, die die Kammer für die während der Hauptverhandlung getroffenen Entscheidungen verwandt hatte. Der Vorsitzende erstellte dann einen Urteilsentwurf, dessen Fertigstellung sowohl in Einzelfragen der Sachverhaltsschilderung wie auch zur Wiedergabe der Beweiswürdigung nach seiner Ansicht einen Rückgriff auf die Mitschriften des Berichterstatters unabdingbar machte.
Die geltend gemachten Umstände rechtfertigen eine Fristüberschreitung nicht. Angesichts der Erkrankung des Berichtserstatters war der Vorsitzende gehalten, das Urteil fristgemäß zu den Akten zu bringen. Wenn er nach seiner Ansicht hierzu Leseabschriften von den Mitschriften des Berichterstatters bedurfte, hätte er veranlassen müssen, dass solche umgehend angefertigt würden. Dass auf die Mitschriften selbst nicht zugegriffen werden konnte und sie auch von keiner Schreibkraft entziffert werden konnten, ist dem Vermerk nicht zu entnehmen. Angesichts des überschaubaren Tatvorwurfs - es ging um die Einfuhr von rund 15 Kilogramm Haschisch aus den Niederlanden, die auf einem Parkplatz in Erfurt in das Kraftfahrzeug eines Mitangeklagten umgeladen wurden - und der Beweislage - der bestreitende Angeklagte und die beiden teilgeständigen Mitangeklagten hatten über ihre Verteidiger schriftliche Einlassungen abgegeben, der gesondert verfolgte Fahrer hatte bei polizeilichen Vernehmungen seine Mitwirkung eingeräumt, Mobiltelefonate waren abgehört worden, die Speicher der Mobiltelefone waren ausgelesen worden, die Übergabe auf dem Parkplatz war gefilmt und observiert worden - hätte das Urteil im Übrigen aber auch ohne Leseabschriften der Mitschriften des Berichterstatters verfasst werden können und müssen. Die Fristüberschreitung beruht demgemäß nicht auf einem nicht vorhersehbaren Umstand im Einzelfall.
Das Überschreiten der in § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO bezeichneten Frist begründet einen absoluten Revisionsgrund (§ 338 Nr. 7 StPO), so dass es nicht darauf ankommt, ob das Urteil auf diesem Fehler beruhen kann.
HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 168
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2008, 181; StV 2008, 232
Bearbeiter: Ulf Buermeyer