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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 437/97, Beschluss v. 03.09.1997, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 437/97 - Beschluss vom 3. September 1997 (LG Frankfurt/Main)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Erfolgsaussicht der Behandlung ohne Therapiebereitschaft: Gesamtwürdigung unter Einschluss der Gründe des Motivationsmangels).

§ 64 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ob es gerechtfertigt ist, von einer mangelnden Therapiebereitschaft auf das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Behandlung zu schließen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit unter Berücksichtigung aller insoweit erheblichen Umstände zu beurteilen, die namentlich die Gründe und Wurzeln des in Rede stehenden Motivationsmangels umfasst.

2. Die Unterbringung soll gegebenenfalls dazu dienen, zunächst die Ursachen eines solchen Mangels zu beheben, bei dem Untergebrachten also Therapiebereitschaft überhaupt erst zu wecken, um so die Voraussetzungen einer erfolgversprechenden Weiterbehandlung zu schaffen. Begrenzte deutsche Sprachkenntnisse des Angeklagten sind kein ausreichender Grund, um die Erfolgsaussichten einer Unterbringung nach StGB § 64 in Frage zu stellen. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Hang des Angeklagten zum Rauschmittelmissbrauch auf einem "sozialen Grundproblem" beruht.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. März 1997 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren. verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt lediglich. zur Aufhebung des Urteils, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat; im übrigen ist das Rechtsmittel im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

Das Landgericht hat die Unterbringung des Angeklagten gemäß § 64 StGB mit der Begründung abgelehnt, beim Angeklagten bestehe keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Das Grundproblem des Angeklagten sei ein soziales, das durch eine Drogentherapie nicht gelöst werden könne. Zudem erscheine seine Therapiebereitschaft generell fraglich. Seine in früheren Strafverfahren geäußerte Therapiebereitschaft habe er nach der Haftentlassung nicht umgesetzt. Schließlich bringe er wegen seiner eng begrenzten Fähigkeiten, sich in der deutschen Sprache verständlich zu machen, die sprachlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie nicht mit.

Diese Begründung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Abgesehen davon, daß eine Therapieunwilligkeit des Angeklagten nicht dargetan ist, würde diese nicht ohne weiteres gegen die Erfolgsaussichten einer Unterbringung sprechen. Ob der Schluß vom Mangel an Therapiebereitschaft auf das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Behandlung gerechtfertigt ist, läßt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit unter Berücksichtigung aller insoweit erheblichen Umstände, namentlich der Gründe und Wurzeln des in Rede stehenden, Motivationsmangels beurteilen. Die Unterbringung soll gegebenenfalls dazu dienen, zunächst die Ursachen eines solchen Mangels zu beheben, bei dem Untergebrachten also Therapiebereitschaft überhaupt erst zu wecken, um so die Voraussetzungen einer erfolgversprechenden Weiterbehandlung zu schaffen (BGHR StGB § 64 Abs. 2 Aussichtslosigkeit 4, 5; BGH, Beschl. v. 25. Oktober 1995 - 2 StR 535/95).

Begrenzte deutsche Sprachkenntnisse des Angeklagten sind ebensowenig ein ausreichender Grund, um die Erfolgsaussichten einer Unterbringung nach § 64 StGB in Frage zu stellen (vgl. BGHSt 31, 199), wie der Umstand, daß der Hang des Angeklagten zum Rauschmittelmißbrauch auf einem sozialen Grundproblem" beruht (vgl. auch BGH, Beschl. v. 20. Dezember 1996 - 2 StR 470/96 = BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1).

Das Landgericht muß über die Frage der Unterbringung neu entscheiden. Der Strafausspruch wird durch den aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt.

Externe Fundstellen: NStZ-RR 1998, 70; StV 2000, 614

Bearbeiter: Karsten Gaede