HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 820
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 268/06, Urteil v. 13.09.2006, HRRS 2006 Nr. 820
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 16. Dezember 2005 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung, schwerer Brandstiftung und Sachbeschädigung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhr der Angeklagte in der Nacht vom 6. auf 7. Januar 2005 etwa um Mitternacht vom Haus seiner Lebensgefährtin in Untergruppenbach zum Haus seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau in Elsdorf, drang dort ein und würgte seine im Schlaf überraschte Ehefrau in Tötungsabsicht. Grund für sein Tötungsvorhaben war der bei ihm aufgrund der Trennung und der Streitigkeiten aufgestaute Hass und insbesondere die Rache dafür, dass seine Ehefrau das Jugendamt eingeschaltet hatte, um die Rückkehr der gemeinsamen Kinder zu erreichen. Als er das Opfer für tot hielt, zündete er dessen Bett an, um die Spuren der Tat zu verdecken. Anschließend fuhr er zurück nach Untergruppenbach und legte sich neben seine Lebensgefährtin, die Zeugin B., ins Bett. Diese wachte um 5.45 Uhr auf und bemerkte den Angeklagten.
Das Opfer war aber nicht tot, sondern erlangte schwer verletzt das Bewusstsein wieder. Es hat erhebliche bleibende körperliche Schäden.
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung nicht eingelassen; im Ermittlungsverfahren hat er den Tatvorwurf bestritten und angegeben, er habe in der Tatnacht neben seiner Lebensgefährtin im Bett gelegen. Das Landgericht ist von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt und hat ihn des versuchten Mordes (Heimtücke und niedrige Beweggründe) in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB), schwerer Brandstiftung (§ 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB) und Sachbeschädigung schuldig gesprochen.
II. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
Der Senat hält sie nach eingehender Prüfung für unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Einer Erörterung bedarf allein die auch von der Generalbundesanwältin in ihrem Terminsantrag zur Diskussion gestellte und in der Hauptverhandlung erörterte Rüge der alternativen Verletzung der §§ 261, 244 Abs. 2 StPO.
Die Revision beanstandet, dass sich die Urteilsausführungen nicht damit befassen, dass nach dem schriftlichen Gutachten an einem - beweiserheblichen - neben dem Bett des Tatopfers aufgefundenen Latexstück nicht nur DNA-Spuren des Opfers und des Angeklagten gesichert wurden, sondern in einigen STR-Systemen zusätzlich eine Minimalstbeimengung vorhanden war, welche für Abgleiche jedoch zu geringfügig war.
Diese Rüge hat keinen Erfolg. Widersprüche zwischen dem Inhalt des Urteils und den Akten sind, wenn sie sich nicht aus den Urteilsgründen selbst ergeben, für sich allein revisionsrechtlich unerheblich. Die Rüge kann nicht alternativ darauf gestützt werden, entweder habe der Tatrichter den Widerspruch unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht nicht in die Hauptverhandlung eingeführt, oder aber er habe es unterlassen, ihn in den Urteilsgründen zu erörtern (seit BGH NStZ 1992, 506 st. Rspr.; vgl. auch u.a. BGH, Beschluss vom 9. März 1995 - 4 StR 60/95 und BGH, Urteil vom 12. Dezember 1996 - 4 StR 499/96). Die Entscheidung des Senats vom 29. Mai 1991 (NStZ 1991, 448) betraf zum einen eine etwas andere Fallkonstellation, zum anderen ist sie durch die Änderung der Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Alternativrüge überholt. Gerade im vorliegenden Fall würde die Rüge auf eine unzulässige Rekonstruktion der Hauptverhandlung hinauslaufen. Denn das Revisionsgericht erfährt hier ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht, wie die Sachverständige sich mündlich geäußert hat. Möglicherweise hat sie - wie die Revision im Übrigen selbst in den Raum stellt (Revisionsrechtfertigungsschrift vom 19. April 2006 S. 41) erklärt, dass doch "Spuren von ausschließlich zwei Personen an dem Beweisstück detektiert werden konnten" und damit die vermeintlichen Unklarheiten beseitigt.
Der Senat kann im vorliegenden Fall zudem ausschließen, dass der Tatrichter, wenn er diesen Punkt ausdrücklich in den Urteilsgründen erörtert hätte, zu einem anderen Beweisergebnis gekommen wäre. Denn für seine Überzeugungsbildung, dass der Angeklagte zur Tatzeit am Tatort war, war entscheidend, dass sich DNA-Spuren gerade des Angeklagten an dem Latexstück fanden, und nicht, ob zusätzlich eine Minimalstbeimengung anderen Spurenmaterials vorhanden war.
III. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Revision zeigt keinen Rechtsfehler auf, sondern erschöpft sich im Wesentlichen in einer - für das Revisionsgericht unbeachtlichen - eigenen Beweiswürdigung.
Die tatrichterliche Beweiswürdigung beruht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage und die vom Gericht gezogenen Schlussfolgerungen erweisen sich nicht als bloße Vermutungen. Eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende, von niemandem mehr anzweifelbare Gewissheit ist nicht erforderlich.
Das Landgericht hat hier ausführlich und rechtsfehlerfrei dargelegt, weshalb es das angegebene "Zeitfenster" ohne weiteres zulässt, dass der Angeklagte der Täter ist, da er zum einen Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht beachtet haben muss und zum anderen auch mit Winterreifen die entsprechende Fahrgeschwindigkeit erreichen konnte. Auch seine Schlussfolgerungen hinsichtlich des Tatmotivs des Angeklagten sind nachvollziehbar und möglich und deshalb revisionsrechtlich nicht angreifbar.
Der Tatrichter hat eine umfassende Beweiswürdigung vorgenommen und nahe liegende Alternativen abgehandelt. Er war aber nicht gehalten, jede fern liegende - denktheoretisch mögliche - Konstellation zu erörtern. Es ist deshalb auch nicht rechtsfehlerhaft, dass er in den Urteilsgründen nicht auf die von der Revision angesprochene - fern liegende - Möglichkeit eingegangen ist, dass das tatrelevante Latexstück von der Decke vom Dach auf den Boden neben das Bett des Tatopfers gefallen sein könnte.
IV. Der Schuldspruch lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Insbesondere ist der Tatrichter mit rechtsfehlerfreien Erwägungen davon ausgegangen, dass der Angeklagte zwei Mordmerkmale (Heimtücke und niedrige Beweggründe) verwirklicht hat.
V. Der Strafausspruch hat ebenfalls Bestand. Das Landgericht hat entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung (vgl. BGH NStZ 2004, 620 m.w.N.) ausführlich begründet, weshalb es im vorliegenden Fall von der Minderungsmöglichkeit wegen Versuchs (§§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB) keinen Gebrauch gemacht hat. Es hat hierbei entscheidend auf versuchsbezogene Umstände, nämlich die Nähe zur Tatvollendung und die sehr schweren bleibenden Folgen beim Opfer abgestellt (UA S. 108).
Danach erweist sich die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als rechtsfehlerfrei.
HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 820
Externe Fundstellen: NStZ 2007, 115
Bearbeiter: Ulf Buermeyer