HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 877
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 94/05, Urteil v. 05.10.2005, HRRS 2005 Nr. 877
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 11. November 2004 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von sieben Monaten, den früheren Mitangeklagten wegen schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte erhebt mit seiner Revision Verfahrensrügen und die Sachrüge.
Das Landgericht hat Folgendes festgestellt: Der Angeklagte besuchte in der Nacht zum 20. Dezember 2003 zusammen mit dem mit ihm befreundeten früheren Mitangeklagten G. eine Diskothek.
Dort hielt sich der später Geschädigte C. auf, der in der Vergangenheit Auseinandersetzungen mit dem Bruder des Angeklagten gehabt hatte. C. machte eine Schlagbewegung in Richtung des G. Ob er diesen traf, konnte nicht festgestellt werden. Schmerzen oder Verletzungen erlitt G. nicht. Vor dem Lokal kam es sodann noch zu einem Wortgefecht, die Situation beruhigte sich jedoch wieder. Nachdem der Angeklagte und G. einige Zeit durch die Stadt gegangen waren, beschlossen sie in die Diskothek zurückzukehren, um den Zeugen C. zu verprügeln. Dabei sollte der Angeklagte dafür Sorge tragen, dass sich kein Dritter einmischt, während G. den Zeugen schlagen wollte. Als sie die Diskothek betraten, tanzten der Zeuge C. und die Zeugin H., die sich, als sie den Angeklagten und G. sah, mit ausgebreiteten Armen vor C. stellte. Der Angeklagte zog sie weg, während G. sich dem Zeugen C. näherte und ihm - abweichend vom Tatplan - mit einem Klappmesser erhebliche Schnittverletzungen im Gesicht und am Kopf beibrachte, die zu dauerhaft entstellenden Narben führten.
Die Strafkammer hat das Geschehen für den Angeklagten als in Mittäterschaft begangene gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4, 25 Abs. 2 StGB gewertet. Der Einsatz des Messers durch G. sei von dem Vorsatz des Angeklagten nicht umfasst gewesen und ihm nicht zuzurechnen.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. a) Die Verfahrensrüge, mit der ein Verstoß gegen § 261 StPO beanstandet wird, greift nicht durch.
Mit dem Verweis der Revision auf einen Widerspruch zwischen den Angaben des Zeugen P. bei seiner polizeilichen Vernehmung, nach denen der Angeklagte sich kaum habe auf den Beinen halten können, und den Feststellungen des Urteils, nach denen keiner der Zeugen Ausfallerscheinungen bei dem Angeklagten bemerkt habe, kann ein Verstoß gegen § 261 StPO nicht geltend gemacht werden. Der behauptete Widerspruch kann durch die Vernehmung des Zeugen P. in der Hauptverhandlung ohne Weiteres ausgeräumt worden sein. Die Rüge läuft deshalb, weil sich aus den Urteilsgründen ein Erörterungsmangel nicht ergibt, auf eine unzulässige, dem Revisionsgericht verwehrte Rekonstruktion der Hauptverhandlung hinaus. Ein in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannter Ausnahmefall liegt nicht vor, da der von der Revision vorgetragene Akteninhalt nicht durch Urkundenbeweis, sondern im Wege des Vorhalts an einen Zeugen in die Hauptverhandlung eingeführt wurde. Maßgebend ist dabei allein, was der Zeuge auf den Vorhalt bekundet hat.
b) Die Verfahrensrüge, ein in der Hauptverhandlung gestellter Antrag nach § 267 Abs. 3 Satz 2 StPO sei nicht beachtet worden, hat ebenfalls keinen Erfolg, weil die Frage eines minder schweren Falls in den Strafzumessungserwägungen des Urteils hinreichend erörtert worden ist.
c) Soweit darüber hinaus als Verletzung des § 267 StPO die Beweiswürdigung beanstandet wird, handelt es sich um sachlich-rechtliche Beanstandungen.
2. Die Sachrüge deckt ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf:
Der Schuldspruch wegen als Mittäter begangener gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte und der frühere Mitangeklagte G. hätten die Diskothek noch einmal aufgesucht, weil sie eine körperliche Auseinandersetzung mit dem Zeugen C. gesucht haben, beruht angesichts des Verlaufs des vorangegangenen Diskothekenbesuchs und der Einlassungen des Angeklagten und des G., die angegeben hatten, dass sie noch einmal mit dem Zeugen C. zusammentreffen wollten, um - so der Angeklagte - das Vorgefallene mit ihm zu klären oder - so G. - um eine etwaige Entschuldigung entgegenzunehmen, auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage.
Aus dem Wegziehen der Zeugin H., die sich vor den Geschädigten gestellt hatte, durch den Angeklagten konnte die Kammer den möglichen Schluss ziehen, dass der Angeklagte und G. eine arbeitsteilige Vorgehensweise abgesprochen hatten. Dass die Strafkammer angesichts des Gewichts, das dem Tatbeitrag des Angeklagten im Rahmen der gemeinsamen Tatausführung zukam, naheliegend von einer mittäterschaftlichen Begehung ausgegangen ist - ohne dies allerdings näher zu begründen -, ist unter Berücksichtigung des dem Tatrichter für die Abgrenzung zur Beihilfe zustehenden Ermessens hinzunehmen.
b) Die Annahme der Kammer, der Einsatz eines Messers durch G. sei nicht verabredet gewesen und habe nicht dem Willen des Angeklagten entsprochen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte auch nur wusste, dass G. ein Messer mit sich führte, sind nicht gegeben. Weder mit der Schwere der dem Zeugen beigebrachten Verletzung noch mit der Gefährlichkeit der Tatausführung war nach den Umständen des Falls zu rechnen, so dass die Kammer zu Recht insoweit von einem Exzess des früheren Mitangeklagten G. ausgegangen ist.
Dies führt dazu, dass zwar der Messereinsatz und die dadurch verursachten dauerhaften Narben dem Angeklagten nicht zur Last gelegt werden können, gleichwohl ist eine Zurechnung der Körperverletzung - anders als der Generalbundesanwalt meint - möglich. Denn körperliche Misshandlungen des Geschädigten und Verletzungen jedenfalls in der Schwere, wie sie durch Schläge verursacht werden, entsprachen dem gemeinsamen, vom Angeklagten mitgetragenen Tatplan. Eine wesentliche Abweichung von dem Tatplan liegt deshalb nicht vor, soweit der Geschädigte überhaupt misshandelt und verletzt wurde, sondern nur, soweit die Ausführungsart nicht der Vereinbarung entsprach und zu der schweren Tatfolge im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB führte. Dies steht jedoch einer Zurechnung der Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht entgegen (vgl. auch BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter Nr. 31; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 25 Rdn. 8 a; so auch schon RGSt 44, 321 f.).
c) Auch die Strafzumessung hält rechtlicher Überprüfung stand. Soweit die Strafkammer zu Lasten des Angeklagten gewertet hat, dass er sich grundlos die sinnlose Aktion des G. zu Eigen gemacht und sich an dessen Racheaktion beteiligt hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Aus der Tatvorgeschichte lässt sich entnehmen, dass dem Angeklagten hier nicht die Tatbegehung als solche strafschärfend vorgeworfen, sondern die Tatsache berücksichtigt wurde, dass er bei dem vorangegangenen Diskothekenbesuch in die Auseinandersetzung zwischen G. und dem Geschädigten nicht unmittelbar einbezogen und von dem Geschädigten nicht bedroht worden war.
HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 877
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2006, 37
Bearbeiter: Ulf Buermeyer