HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 151
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 68/05, Urteil v. 25.01.2006, HRRS 2006 Nr. 151
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 24. September 2004 wird verworfen.
2. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ihre auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision hat keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützte die Angeklagte im Sommer 2001 den Verkauf von 4 kg Heroin durch den Hintermann ihres wegen täterschaftlicher Beteiligung hieran rechtskräftig verurteilten Ehemanns an einen aus der Schweiz angereisten Abnehmer in B., indem sie von Mittelsmännern des Abnehmers übergebene Geldbeträge auf Bitten ihres Ehemanns mehrfach an den Verkäufer in der Türkei übermittelte, obwohl sie wusste, dass es sich um Teile des Kaufpreises aus einem Drogengeschäft handelte.
Zu diesem Zweck wechselte sie am 6. Juli 2001 Bargeld in Höhe von 13.000 DM bei verschiedenen Banken in große Scheine ein. Am 21. Juli 2001 flog sie allein in die Türkei und überbrachte dem Verkäufer K. 28.000 DM in bar, die der Mittelsmann C. ihrem Ehemann als Kaufpreisrate übergeben hatte. Am 1. August 2001 überwies sie eine weitere Kaufpreisrate von 6.390 DM, die sie bar einzahlte, an einen Strohmann des Verkäufers K. in der Türkei. Am 10. August 2001 flog sie mit ihrem Ehemann nach Rumänien, um dort die Kinder ihres Ehemanns zu treffen, der wegen seiner PKK-Aktivitäten aus politischen Gründen nicht in die Türkei einreisen konnte; zugleich sollte K. eine weitere Rate von 50.000 DM überbracht werden. Da dem Ehemann der Angeklagten die Einreise nach Rumänien verweigert wurde, flog man unverrichteter Dinge nach K. zurück. Am 17. August 2001 flog die Angeklagte auf Bitten ihres Ehemanns allein in die Türkei, überbrachte den Kindern des Angeklagten Geschenke und dem Verkäufer K. einen Bargeldbetrag von 55.900 DM. Bei einer Zollkontrolle gab sie wahrheitswidrig an, Bargeld in Höhe von 40.000 DM für einen Hauskauf in der Türkei bei sich zu führen.
Die Angeklagte hat den äußeren Sachverhalt weitgehend eingeräumt, jedoch bestritten, von der Herkunft der Geldbeträge aus Drogengeschäften Kenntnis gehabt zu haben. Nach ihrer Einlassung nahm sie auf Grund entsprechender Mitteilungen ihres Ehemanns vielmehr an, es handle sich bei den von ihr übermittelten Beträgen um Geld aus Goldgeschäften zwischen den kurdischen Bekannten des Ehemanns, das "schwarz", das heißt ohne Kenntnis der Zollbehörden, in die Türkei überbracht werden sollte. Das Landgericht hat diese Einlassung auf Grund einer Gesamtschau von Umständen als widerlegt angesehen (UA S. 58).
2. a) Die Verfahrensrügen sind, soweit sie zulässig erhoben sind, aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen unbegründet.
b) Auch die Sachrüge hat keinen Erfolg. Zwar ist die Erwägung des Landgerichts, die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen C. über das als Haupttat zugrunde liegende Heroingeschäft werde auch durch die Konstanz seiner Schilderungen gestützt (UA S. 35), angesichts der im Einzelnen aufgeführten zahlreichen Widersprüche und Änderungen in den Aussagen des Zeugen (UA S. 36 ff.) schwer nachvollziehbar. Im Zusammenhang mit den sonstigen Beweisergebnissen, insbesondere auch den Protokollen der Telefonüberwachungen, ist jedoch die Beweiswürdigung des Landgerichts zum objektiven Ablauf des Heroingeschäfts zwischen K., C., D. und dem Ehemann der Angeklagten im Ergebnis hinzunehmen, zumal die Angeklagte den äußeren Hergang selbst glaubhaft eingeräumt hat.
c) Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts zur Feststellung des Gehilfenvorsatzes der Angeklagten hält im Ergebnis der rechtlichen Prüfung stand.
Die Überzeugung, die Angeklagte habe beim Übermitteln der Geldbeträge an den Verkäufer K. jeweils gewusst, dass es sich um Teile des Kaufpreises für eine Heroinlieferung handelte, hat das Landgericht wesentlich auf die Indizwirkung des Umstands gestützt, dass die Angeklagte am 24. Juni 2001 ihren Ehemann auf dessen Bitte mit dem PKW von K. nach B. fuhr. Auf dieser Fahrt führte der Ehemann der Angeklagten eine Tasche mit 4 kg Heroin bei sich, die der Verkäufer K. bei ihm gelassen hatte, als er selbst am 22. Juni 2001 auf unbekannte Weise von K. nach B. reiste (UA S. 8). In B. traf sich K. mit dem Vermittler C. und dem möglicherweise aus der Schweiz angereisten Käufer D.; nach der Einigung über den Verkauf bat er den Ehemann der Angeklagten, das Heroin nach B. zu transportieren. Dieser entnahm am 24. Juni 2001 in B. das Heroin aus dem Kofferraum des Fahrzeugs, während die Angeklagte auf dem Fahrersitz saß, und übergab es an C., der es an D. weitergab und von diesem eine Kaufpreisrate von 50.000 DM erhielt. Später suchte die Angeklagte mit ihrem Ehemann und K. ein Restaurant auf. Nachdem sich die Angeklagte, ihr Ehemann, K. und C. wieder zum PKW begeben hatten, übergab C. dort in Anwesenheit der Angeklagten das Geld an deren Ehemann. Sodann fuhren das Ehepaar De. und K. nach K. zurück. Sämtliche Gespräche zwischen den beteiligten Männern wurden in kurdischer Sprache geführt, die die Angeklagte nicht verstand.
Das Landgericht hat festgestellt, der Angeklagten sei spätestens bei der Rückkehr nach K. am Abend des 24. Juni 2001 durch Mitteilung ihres Ehemanns bekannt geworden, dass an diesem Tag Heroin im Kilobereich nach B. und hierfür erhaltenes Bargeld nach K. gebracht worden waren (UA S. 10). Die Schlussfolgerungen, auf welche diese Feststellung gestützt ist (UA S. 588 ff.), sind nicht nur möglich, sondern nahe liegend. Das gilt namentlich auch für die Erwägungen, es sei nicht verständlich, warum der Aufwand der Fahrt nach B. unternommen worden sei, nur um K. abzuholen, der ebenso gut ein anderes Verkehrsmittel hätte benutzen können; der Aufenthalt in B. sei überdies nur kurz gewesen und nicht für Besichtigungen genutzt worden. Bei der Übergabe des Geldes an ihren Ehemann sei die Angeklagte zugegen gewesen.
Entsprechendes gilt für die Erwägungen, auf Grund derer das Landgericht die Einlassungen der Angeklagten zu den Geldübermittlungen als widerlegt angesehen hat.
Die Beweiswürdigung, auf welche das Landgericht seine Überzeugung vom Vorsatz der Angeklagten gestützt hat, ist daher insgesamt tragfähig. Die Feststellung, die Angeklagte habe von dem zugrunde liegenden Rauschgiftgeschäfts ihres Ehemanns und seiner Mittäter gewusst, stellt sich nicht als bloße Vermutung des Tatrichters dar, sondern ist auf eine Vielzahl indizieller Tatsachen gestützt. Eine erschöpfende Erörterung sämtlicher Erwägungen zur Beweiswürdigung sowie das ausdrückliche Ausräumen aller theoretisch denkbaren Einwendungen hiergegen kann vom Tatrichter nicht verlangt werden; das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Beweiswürdigung hinzunehmen, wenn sie nicht rechtsfehlerhaft ist. Dass auch eine abweichende Beurteilung möglich gewesen wäre, begründet für sich keinen Rechtsfehler.
3. Auch die Strafbemessung hält, auch unter Berücksichtigung des seit der Tatbegehung verstrichenen Zeitraums sowie der Verfahrensdauer bis zur Entscheidung des Senats, im Ergebnis der Prüfung stand.
Das Landgericht hat den Zeitraum von drei Jahren zwischen der Tatbegehung im August 2001 und der erstinstanzlichen Entscheidung am 24. September 2004 sowie die relativ lange Verfahrensdauer bis zu diesem Zeitpunkt bei der Strafzumessung nicht ausdrücklich erörtert. Ob hieraus zu schließen ist, es habe diesen Strafzumessungsgesichtspunkt gänzlich übersehen, kann offen bleiben. Der Senat kann ausschließen, dass ihm bei Berücksichtigung durch den Tatrichter erhebliches Gewicht beigemessen und dass eine noch mildere Strafe verhängt worden wäre.
Soweit das Verfahren nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils eine Verzögerung erfahren hat, konnte dies vom Landgericht nicht berücksichtigt werden. Entgegen der vom Generalbundesanwalt in der Hauptverhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht ist insoweit allerdings weder auf Grund der Dauer des Revisionsverfahrens noch im Hinblick auf die Gesamtverfahrensdauer eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK festzustellen.
Nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils vom 24. September 2004 am 5. Dezember 2004 und Eingang der vollständigen Revisionsbegründung am 3. Januar 2005 ist die Sache am 15. Februar 2005 beim Generalbundesanwalt eingegangen, der sie mit seiner Stellungnahme und einem Antrag gemäß § 349 Abs. 2 StPO am 16. März 2005 dem Senat zugeleitet hat. Bis zu diesem Zeitpunkt ist eine unangemessene Verfahrensdauer ersichtlich nicht gegeben.
Wegen Wechsels des Berichterstatters auf Grund des Eintritts des Erstberichterstatters des Senats in den Ruhestand und wegen längerfristiger Erkrankung der Vorsitzenden des Senats im Herbst 2005 konnte die Sache, nachdem sie am 26. August 2005 anberaten worden war, als Nicht-Haftsache nicht vor dem 25. Januar 2006 terminiert werden; namentlich auch, weil die für die zuständige Sitzgruppe freien Verhandlungstermine unter Berücksichtigung von Urlaubsverhinderungen bis zum Jahresende 2005 durch Haftsachen weitgehend besetzt waren. Etwa 80 % der beim Senat im Jahr 2005 eingegangenen 622 Revisionssachen waren Haftsachen, welche seit jeher nach der Praxis der Strafsenate des Bundesgerichtshofs einer besonders zügigen und vordringlichen Bearbeitung zuzuführen sind. Auch das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach Anlass gesehen, auf das Erfordernis einer vordringlichen Bearbeitung von Haftsachen hinzuweisen. Eine frühere Terminierung der vorliegenden Sache, in welcher die Angeklagte sich nicht in Haft befindet, hätte hier zur Zurückstellung eiliger Haftsachen führen müssen und war daher nicht vertretbar.
Unter diesen konkreten Umständen kann nicht davon gesprochen werden, schon die nach Eingang der Sache verstrichene Verfahrensdauer von 10 Monaten bis zur Entscheidung des Senats habe einen Verstoß gegen die Anforderungen einer rechtsstaatlichen Verfahrensweise begründet und die Angeklagte in ihrem Menschenrecht aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verletzt. Zwar mag in extremen Ausnahmefällen ein bloßer Zeitablauf auch ohne vorwerfbare Versäumnisse im Bereich der Justiz einen solchen Verstoß begründen können. Hiervon kann vorliegend aber keine Rede sein. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ist hier weder auf Grund der Verfahrensdauer beim Senat noch im Hinblick auf die Gesamtverfahrensdauer gegeben.
Zu Gunsten der Angeklagten wirkt freilich unabhängig hiervon der selbstständige Strafzumessungsgrund der langen Verfahrensdauer, die auch den Zeitraum nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils umfasst. Der Senat hat auch insoweit, entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts, in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 a S. 1 StPO von einer Aufhebung oder Herabsetzung der Strafe abgesehen, weil die vom Landgericht verhängte Strafe angemessen ist. Dem strafmildernden Gesichtspunkt der durch die lange Verfahrensdauer bewirkten Belastung standen hier namentlich die vom Landgericht nicht ersichtlich berücksichtigten Umstände gegenüber, dass der Tatbeitrag der Angeklagten sich der täterschaftlichen Begehung annäherte, dass sie die Haupttat in einer Mehrzahl - auch selbstständig durchgeführter - Teilakte mit erheblicher krimineller Energie förderte und dass sie wichtige Unterstützungshandlungen für ein Rauschgiftgeschäft erheblichen Umfangs erbrachte. Die auf der Grundlage der rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Feststellungen verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren ist daher auch unter Berücksichtigung der weiteren Verfahrensdauer jedenfalls angemessen.
HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 151
Bearbeiter: Ulf Buermeyer