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HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 443

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 511/05, Urteil v. 03.05.2006, HRRS 2006 Nr. 443


BGH 2 StR 511/05 - Urteil vom 3. Mai 2006 (LG Frankfurt)

Betrug; Urkundenfälschung; Untreue (Berechtigung zu einer Verfügung; Tatbestandsirrtum; Verbotsirrtum).

§ 263 StGB; § 267 StGB; § 266 StGB; § 16 Abs. 1 StGB; § 17 StGB

Entscheidungstenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. Juni 2005 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte wegen Untreue verurteilt wurde

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und wegen Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner hiergegen gerichteten Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, die Strafkammer habe der Verurteilung wegen Untreue einen zu geringen Schuldumfang zugrunde gelegt und eine zu niedrige Strafe verhängt.

Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das vom Generalbundesanwalt vertretene, wirksam beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat dagegen Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen war der Angeklagte, ein italienischer Kaufmann, einer von zwei geschäftsführenden Gesellschaftern der P. GmbH, die Geschäftskonten bei der D. Bank und der V.bank M. e.G. unterhielt. Den Scheckzahlungsverkehr wickelte die GmbH über ein bei der V.bank eingerichtetes Kontokorrentkonto ab, indem sie einerseits ihr von Kunden übergebene Schecks auf dieses Konto gutschreiben ließ und andererseits Schecks für ihre Geschäftspartner zu Lasten dieses Kontos ausstellte. Gemäß einer vorher getroffenen Absprache löste die V.bank ihr von den Banken der Gläubigerin der GmbH vorgelegte Schecks auch dann ein, wenn das Konto der GmbH keine Deckung aufwies. Voraussetzung für diese Verfahrensweise war aber - wovon die Bank in einzelnen Fällen jedoch auch Ausnahmen zuließ - dass spätestens zum Mittag des Folgetages der Angeklagte Nachweise für die alsbaldige Deckung des so ins Soll geratenen Kontos lieferte und zwar durch Einreichung von Kundenschecks oder durch die Aushändigung schriftlicher Zahlungsankündigungen von Kunden. Andernfalls widerrief die Bank - was bis um 14.30 Uhr des auf die Belastung folgenden Tages möglich und in einigen Fällen auch geschehen war - die bereits erfolgte Zahlung der Schecksumme, machte die Belastung rückgängig und gab die eingereichten Schecks zurück.

Nachdem sich die finanzielle Lage der GmbH Anfang 2002 dramatisch verschlechtert hatte, war für den 23. Mai 2002 ein Gesprächstermin zwischen dem Angeklagten und dem damaligen Direktor der V.bank vereinbart worden. Da das Konto einen Tag vor dem Gesprächstermin einen bis dahin unerreichten Negativsollsaldo von über 7 Mio. € aufwies, war sich der Angeklagte bewusst, dass weitere Scheckeinlösungen nur dann erfolgen würden, wenn es ihm gelänge, bevorstehende Zahlungseingänge in namhafter Höhe nachzuweisen. Weil der GmbH zu diesem Zeitpunkt aber keine auch nur annähernd ausreichende Sicherheiten vorlagen, übersandte der Angeklagte der V.bank noch vor dem Gesprächstermin per Telefax ein ihm einzig zur Verfügung stehendes Zahlungsavis eines Kunden über 125.925,48 €. Diese hatte er zuvor durch Einfügen einer "3" so verändert, dass der Anschein einer bevorstehenden Zahlung über 3.125.925,48 € entstand. Auf das im Gesprächstermin geäußerte Verlangen des Bankdirektors veranlasste der Angeklagte die deswegen gesondert verurteilte Prokuristin der GmbH, ein Kundenschreiben zu fälschen und zu faxen, mit dem der zu erwartende Zahlungseingang von über 3 Mio. € nochmals bestätigt wurde. Infolgedessen unterließ es die Bank, eine am Morgen des 23. Mai 2002 erfolgte Scheckbelastung über 1.037.291,10 € rückgängig zu machen.

Nach dem 23. Mai 2002 verschlechterte sich die finanzielle Situation der GmbH weiter. Der Angeklagte wusste um die dauerhafte Zahlungsunfähigkeit der GmbH. Er selbst verfügte über keine Barmittel mehr, hatte aber seinerseits noch Ansprüche in Höhe von ca. 150.000 € gegen die GmbH. Am 4. Juni 2002 räumte er das bei der D. Bank geführte Geschäftskonto der GmbH leer und floh mit den abgehobenen 237.500 € nach Italien. Sein Mitgesellschafter beantragte daraufhin die Insolvenz. Bei Beendigung der Kontobeziehung im Juli 2002 belief sich der Negativsaldo des bei der V.bank geführten Kontokorrentkontos auf rund 6 Mio. €.

II. Revision des Angeklagten

Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.

1. Der Schuldspruch wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung ist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat, rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts hat es die V.bank nur auf Grund der von dem Angeklagten eingeräumten Täuschungshandlungen unterlassen, die am Morgen des 23. Mai 2002 erfolgte Scheckeinlösung rückgängig zu machen, wodurch ihr ein Schaden in Höhe von 1.037.291,10 € entstanden ist. Die Fortsetzung der Kontobeziehung bis zum Juli 2002 ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. Soweit die Revision weitere am 23. Mai 2002 angeblich erfolgte und von dem Angeklagten darüber hinaus für die Folgetage erwartete Zahlungseingänge in Millionenhöhe behauptet, entfernt sie sich von den für das Revisionsverfahren allein maßgeblichen Urteilsgründen (vgl. BGHSt 35, 238, 241).

2. Auch die Verurteilung wegen Untreue ist nicht zu beanstanden. Nach den Urteilsfeststellungen stand dem Angeklagten, der vor seiner Flucht 237.500 € von dem Geschäftskonto abgehoben hatte, lediglich ein Gegenanspruch in Höhe von 150.000 € gegen die GmbH zu, sodass zumindest die Abhebung des diese Höhe übersteigenden Betrages von 87.500 € ohne Rechtsgrund und zum Nachteil der GmbH erfolgt ist. Soweit sich der Beschwerdeführer auf darüber hinausgehende Ansprüche gegen die GmbH beruft, steht dies wiederum in Widerspruch zu den allein maßgeblichen Urteilsgründen.

III. Revision der Staatsanwaltschaft

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

Das Landgericht hat der Verurteilung wegen Untreue nicht ausschließbar einen zu geringen Schuldumfang zugrunde gelegt.

Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe nur die Abhebung des 150.000 € übersteigenden Betrages von dem Geschäftskonto der GmbH für pflichtwidrig gehalten und sich im Übrigen in einem nicht vorwerfbaren Irrtum befunden, ist nicht hinreichend belegt und hält rechtlicher Nachprüfung damit nicht stand.

So fehlen bereits Feststellungen dazu, wie sich die von dem Angeklagten behaupteten und von dem Zeugen H. bestätigten Ansprüche über insgesamt 150.000 € im Einzelnen zusammensetzten, welchem Rechtsgrund sie entstammten und wann sie fällig waren. Nur in Kenntnis dessen lässt sich beurteilen, ob auch die Abhebung des 87.500 € übersteigenden Betrages - wie von der Strafkammer angenommen - objektiv pflichtwidrig war, weil es sich insoweit um ein eigenkapitalersetzendes Darlehen i.S.d. § 32 a GmbHG handelte, was unter den hier gegebenen Umständen zu einem Rückzahlungsverbot nach § 30 GmbHG führt (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 53; zu den Pflichten eines ordentlichen Kaufmanns vgl. BGHSt 34, 379, 387).

Im Übrigen bilden die Feststellungen des Landgerichts auch keine Grundlage für die Annahme, der Angeklagte habe sich für berechtigt gehalten, zumindest 150.000 € für eigene Zwecke vom Konto der GmbH abzuheben. Welchen konkreten Fehlvorstellungen der Angeklagte hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit seines Tuns verhaftet war, wird weder dargelegt noch durch eine Beweiswürdigung belegt. Dass dem Angeklagten, einem geschäftserfahrenen Kaufmann, seine Pflichten als Gesellschafter - Geschäftsführer generell unbekannt waren, versteht sich auch keinesfalls von selbst.

Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Verurteilung wegen Untreue sowie zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die dann zur Entscheidung berufene Strafkammer, sollte sie erneut zur Feststellung einer pflichtwidrigen Geldentnahme einhergehend mit einer Fehlvorstellung über die Pflichtwidrigkeit gelangen, zu differenzieren haben wird, ob es sich insoweit um einen den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB oder um einen Verbotsirrtum nach § 17 StGB handelt (zur Abgrenzung vgl. BGH NStZ 2006, 214, 217 f. mit Anm. Rönnau; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 266 Rdn. 77 sowie Schünemann in LK StGB 11. Aufl. § 266 Rdn. 153 ff.), dessen Vermeidbarkeit gegebenenfalls zu prüfen wäre.

HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 443

Bearbeiter: Ulf Buermeyer