HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 152
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 452/05, Beschluss v. 21.12.2005, HRRS 2006 Nr. 152
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 22. April 2005 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes, wegen gemeinschaftlichen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls in zwei Fällen und wegen gemeinschaftlicher Unterschlagung zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. 2 Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist. Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Insoweit kann auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 12. Oktober 2005 verwiesen werden.
1. Das Landgericht hat u. a. festgestellt:
Der 28-jährige Angeklagte begann im Alter von 14 Jahren, regelmäßig größere Mengen Alkohol, vor allem Bier, Wodka und Schnaps zu konsumieren und hatte alsbald den ersten Vollrausch mit "Filmriss". Im Alter von 15 Jahren begann er zudem Heroin zu konsumieren, das er zunächst rauchte, später dann intravenös spritzte. Dabei konsumierte er täglich maximale Mengen von zwei bis drei Gramm Heroin. Im Zusammenhang mit seinem zunehmenden Alkohol- und Drogenkonsum brach er eine Ausbildung zum Maler und Lackierer nach sechs Monaten ab, so dass er keine Berufsausbildung abgeschlossen hat. Der tägliche Konsum von Alkohol und Drogen setzte sich während seiner Ehe fort. Als seine Ehefrau mit Methadon substituiert wurde, stellte der Angeklagte den Konsum von illegalen Drogen ein und trank lediglich regelmäßig Alkohol. Der Alkoholkonsum steigerte sich nach der Trennung von der Ehefrau. Nach seiner Entlassung aus der Strafhaft Ende November 2003 trank er wiederum vermehrt Alkohol und nahm Oxazepam-Tabletten ein. Anlässlich seiner Inhaftierung in dieser Sache wurde der Angeklagte im Zentralkrankenhaus der Justizvollzugsanstalt stationär behandelt. Dabei wurden u. a. ein Alkoholentzugssyndrom bei bekanntem Alkoholabusus, ein toxischer Leberschaden, eine Polytoxikomanie und eine Hepatitis-C-Erkrankung diagnostiziert.
Die der Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten beging der Angeklagte in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2004. Gemeinsam mit seinen Mittätern brach er zweimal erfolglos in eine Wohnung ein, um Alkohol oder Geld dafür zu finden. Als man ein drittes Mal eindringen wollte, war der Wohnungsinhaber erwacht, stellte sich den Tätern an der Tür entgegen und wurde vom Angeklagten erwürgt, um ihn als Zeugen der vorangegangenen Straftaten zu beseitigen. Geraume Zeit nach der Tötung fand der Angeklagte eine Geldbörse mit etwa 10 € in der Wohnung des Opfers, die er einem der Mittäter aushändigte, der dafür Bier und zwei Flaschen Cola holte, welche man mit Wodka gemischt trank.
Eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit hat das sachverständig beratene Landgericht für alle vier Taten im Ergebnis rechtsfehlerfrei verneint, weil sich im Verhalten des Angeklagten, dessen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit weder anhand der Blutprobe noch seiner ungenauen Trinkmengenangaben errechnet werden konnte, keine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit durch Alkohol oder Medikamente gezeigt habe. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er infolge des vorangegangenen Alkohol- und Medikamentenkonsums enthemmt war.
2. Nach diesen Urteilsfeststellungen drängte sich dem Tatrichter eine Prüfung der Voraussetzungen für eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB auf (vgl. u. a. BGH NStZ 2005, 210; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; BGH NStZ-RR 2001, 12). Die Feststellungen legen nahe, dass der Angeklagte einen Hang zum übermäßigen Alkohol- und Medikamentenkonsum hat und dass jedenfalls die versuchten Einbruchsdiebstähle und die Unterschlagung auf diesen Hang zurückgehen. Das Landgericht hätte daher prüfen und entscheiden müssen, ob bei dem Angeklagten die Gefahr besteht, dass er auch in Zukunft infolge seines offenbar vorhandenen Hangs erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird und ob eine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs besteht.
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung einer Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 StPO; BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Maßregel nach § 64 StGB auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362).
HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 152
Bearbeiter: Ulf Buermeyer