HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 767
Bearbeiter: Ulf Buermeyer
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 174/04, Beschluss v. 02.07.2004, HRRS 2004 Nr. 767
1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 20. November 2003 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden sind; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil dahin geändert, daß der Angeklagte G. wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt ist und der Angeklagte Gi. wegen Mordes unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Offenbach/Main vom 2. August 2002 und Einbeziehung der dortigen Einzelfreiheitsstrafen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt ist.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
3. Die Angeklagten haben die übrigen Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Mordes und wegen gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, den Angeklagten Gi. unter Einbeziehung der Einzelfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Offenbach/Main vom 2. August 2002. Die Revisionen der Angeklagten führen zur Einstellung des Verfahrens wegen gefährlicher Körperverletzung; im übrigen sind sie aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 3. Mai 2004 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die gefährliche Körperverletzung zum Nachteil des später getöteten C. ist in der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage nicht erwähnt. Die Anklage enthält lediglich den Tatvorwurf der Tötung "aus bislang unbekannten Gründen" und gibt hierfür einen Tatzeitraum an. Beide Taten sind nach den Feststellungen sachlichrechtlich selbständig. Auch eine prozessuale Tatidentität (vgl. Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 264 Rdn. 6) besteht nicht. Die sich über mehrere Tage erstreckenden Mißhandlungen bilden mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis der Tötung nach der Auffassung des Lebens keinen einheitlichen Vorgang. Da Nachtragsanklage nicht erhoben worden ist, fehlt es insoweit an der Prozeßvoraussetzung der Anklage. Dieser Mangel ist durch den rechtlichen Hinweis der Strafkammer nicht geheilt worden (vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 S. 1 - Tat 1, 8). Dies nötigt zur Einstellung des Verfahrens hinsichtlich des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung.
2. Die Einstellung hat die Änderung des Schuldspruchs und den Wegfall der für die gefährliche Körperverletzung verhängten Einzelstrafen bei beiden Angeklagten zur Folge. Die lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes hingegen wird von dem Rechtsfehler nicht berührt; insofern bleibt auch der Gesamtstrafenausspruch bei dem Angeklagten Gi. im Ergebnis bestehen.
In Verdeckungsabsicht handelt, wer verhindern will, daß eine andere Straftat oder ihr Täter bekannt wird oder wer die Aufdeckung erschweren will. Die andere Straftat muß sich objektiv und im subjektiven Tatbestand als ein Verbrechen oder Vergehen darstellen. Ob sie überhaupt verfolgbar ist, ist hingegen ohne Bedeutung (Jähnke in LK 11. Aufl. § 211 Rdn. 14, 19). So hindert auch eine vorläufige Einstellung des Verfahrens wegen der Vortat gemäß § 154 StPO nicht eine Verurteilung wegen eines Verdeckungsmordes (vgl. BGH bei Holtz, MDR 1983, 622). Der Tatrichter muß in prozeßordnungsmäßiger Weise aufklären, ob die Voraussetzungen des Mordmerkmals vorliegen. Daß die Vortat angeklagt ist und zu einer Verurteilung führt, ist hingegen nicht Voraussetzung der Verurteilung wegen Verdeckungsmordes.
Das Landgericht hat hier aufgrund nicht zu beanstandender Beweiswürdigung bejaht, daß die Angeklagten gehandelt haben, um vorangegangene Mißhandlungen des Tatopfers, die den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB erfüllten, zu verdecken. Es war berechtigt und verpflichtet, diese Feststellungen zu treffen, auch wenn die Anklage keine Angaben zu Art und Weise der Tötung und dem Motiv der Angeklagten enthielt, weil beides zu jenem Zeitpunkt nicht bekannt war und sich erst im Verlauf der Hauptverhandlung herausgestellt hat. Eine Anklage wegen Körperverletzung setzten die Feststellungen zur Vorgeschichte der Tat aber nicht voraus.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO. Die Rechtsmittel der Angeklagten richteten sich in erster Linie erfolglos gegen die Verurteilung wegen Mordes. Die Schuldspruchänderung ist daher nicht als Teilerfolg im Sinne von § 473 Abs. 4 StPO zu werten.
HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 767
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2004, 333
Bearbeiter: Ulf Buermeyer