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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 315/01, Urteil v. 31.10.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 315/01 - Urteil vom 31. Oktober 2001 (LG Erfurt)

Mittäterschaft und Beihilfe (Abgrenzungskriterien, Beurteilungsspielraum des Tatgerichts); Verabredung zu einem Verbrechen (schwere räuberische Erpressung)

§ 25 Abs. 2 StGB; § 27 StGB; § 30 Abs. 2 StGB; § 255 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Verurteilung nach § 30 Abs. 2 StGB (Verabredung zu einem Verbrechen) kommt nur in Betracht, wenn der in Aussicht genommene Tatbeitrag des Angeklagten täterschaftliche Qualität erreichen sollte (vgl. u. a. BGH NStZ 1993, 137, 138).

2. Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Täter begeht, ist in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (BGHSt 37, 289, 291; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13, 14 und 18). Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend auch eine Mitwirkung am Kerngeschehen. Für eine Tatbeteiligung als Mittäter reicht ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann (vgl. BGHSt 40, 299, 301; BGH NStZ 1995, 120; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 und Tatinteresse 2).

3. Für die Frage, ob ein Tatbeitrag nur untergeordnete Bedeutung hat, ist nicht allein vom Verhältnis des Tatbeitrages des Angeklagten gegenüber dem der anderen Beteiligten auszugehen. Entscheidend ist die Gewichtigkeit des Tatbeitrages für die gesamte Tat.

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23. Februar 2001 wird verworfen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 50 DM verurteilt. Von weiteren Tatvorwürfen (Diebstahl eines Kennzeichens, Verabredung zu einem Verbrechen der schweren räuberischen Erpressung) hat es ihn freigesprochen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten wegen Verabredung zu einem Verbrechen der schweren räuberischen Erpressung und greift die Strafzumessung an.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

1. Das Landgericht hat festgestellt:

Die Mitangeklagten des Angeklagten überfielen in wechselnder Beteiligung im Jahre 2000 mehrere Banken. R. und B. sowie der gesondert verfolgte E. planten im Juli 2000 einen neuen Überfall. Dafür sollte wie bei den vorherigen Überfällen ein Auto als Fluchtfahrzeug angemietet werden. Da keiner der bisher Beteiligten über eine gültige ec-Karte verfügte, sprachen sie den Angeklagten an, ob dieser bereit wäre, mit seiner ec-Karte einen Pkw anzumieten. Dieser willigte ein, wobei er ahnte, wofür das Fahrzeug benötigt wurde. Später wurde ihm dann in groben Zügen der geplante Ablauf des Banküberfalls geschildert. Er sollte die Auslagen für das Anmieten des PKWs sowie einen noch nicht festgelegten Anteil an der Beute, den er mit E. teilen mußte, erhalten. Den Pkw mietete er dann am 18. Juli 2000 an. Von den anderen Beteiligten wurde er am Morgen des 20. Juli 2000 in die Einzelheiten des für diesen Tag geplanten Überfalls eingeweiht. Danach sollten er und E. auf einem Feldweg warten, während die anderen den Überfall ausführen wollten. Er sollte das angemietete Auto, an dem zwischenzeitlich ein gestohlenes amtliches Kennzeichen angebracht worden war, bei der Flucht steuern. Dabei erfuhr der Angeklagte erstmals, daß die Volksbank in Ro. überfallen werden sollte. Zusammen mit E. wartete er dann, wie vereinbart, auf einem Feldweg in der Nähe der Bank, als die anderen sich dorthin begaben. Diese kehrten aber bald wieder zurück, da sie zu viele Personen vor der Bank bemerkten. Die Beteiligten trafen sich dann etwa eine Stunde später, nunmehr war auch der Mitangeklagte A. dabei, der sich ausdrücklich gegen eine Beteiligung des Angeklagten aussprach, da seiner Meinung nach damit die Gefahr steigen und sein Anteil an der möglichen Beute sinken würde. Als dann R., A. und B. sich erneut zur Bank begaben, wurden sie unmittelbar bei ihrem Eintreffen vor der Bank - bevor sie wie geplant die Mützen über das Gesicht ziehen und A. die Waffe an sich nehmen konnte - noch im Auto sitzend festgenommen.

2. Das Landgericht hat eine Verurteilung des Angeklagten wegen Verabredung zu einer schweren räuberischen Erpressung abgelehnt, da dieser nur als Gehilfe bei der verabredeten Tat, nicht - wie nach § 30 Abs. 2 StGB erforderlich - als Mittäter anzusehen sei.

Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Eine Verurteilung nach § 30 Abs. 2 StGB (Verabredung zu einem Verbrechen) käme nach der Rechtsprechung (vgl. u. a. BGH NStZ 1993, 137, 138) und der einhelligen Meinung im Schrifttum (vgl. Roxin in LK 11. Aufl. § 30 Rdn. 71 und 72) nur in Betracht, wenn der in Aussicht genommene Tatbeitrag des Angeklagten täterschaftliche Qualität erreichen sollte. Wäre seine Mitwirkung im Falle der Durchführung des Banküberfalls nur als die eines Gehilfen zu werten, bleibt er insoweit straffrei. Dies hat das Landgericht zutreffend erkannt; seine Würdigung des Geschehens als beabsichtigte Beihilfe leidet auch nicht unter Rechtsfehlern.

Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Täter begeht, ist in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (BGHSt 37, 289, 291; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13, 14 und 18). Die Annahme von Mittäterschaft erfordert nicht zwingend auch eine Mitwirkung am Kerngeschehen. Für eine Tatbeteiligung als Mittäter reicht ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann (vgl. BGHSt 40, 299, 301; BGH NStZ 1995, 120; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 26 und Tatinteresse 2; BGH NStZ-RR 2000, 327, 328; 2001, 148).

Das Landgericht hat das Beweisergebnis umfassend gewürdigt, es hat bei der Einordnung der Beteiligung des Angeklagten als "Beihilfe" den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum (vgl. BGH StV 1998, 540; NStZ-RR 2000, 366; zuletzt BGH, Urt. vom 26. Juni 2001 - 5 StR 69/01) nicht überschritten. Daß eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre, macht das gefundene Ergebnis nicht rechtsfehlerhaft.

Für eine "mittäterschaftliche" Beteiligung des Angeklagten spricht nach den getroffenen Feststellungen die Art seines Tatbeitrages. Entgegen der Meinung des Landgerichts (UA S. 45) war dieser nicht nur "von untergeordneter Bedeutung". Denn das Beschaffen und Fahren des Fluchtfahrzeuges gehört zu den wesentlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchführung des geplanten Überfalles. Dabei ist nicht allein vom Verhältnis des Tatbeitrages des Angeklagten gegenüber dem der anderen Beteiligten auszugehen. Entscheidend ist die Gewichtigkeit des Tatbeitrages für die gesamte Tat.

Es sprechen aber andere gewichtige Gründe gegen eine mittäterschaftliche Beteiligung des Angeklagten. Dieser war nicht in die Planung des Banküberfalles einbezogen, er kannte das Tatobjekt und die beabsichtigte Vorgehensweise zunächst überhaupt nicht. Bei seiner "Anwerbung" traf er auf eine Gruppe von Personen, die bereits mehrfach solche Überfälle nach gleichem Schema begangen hatten. Bei einem aus diesem Personenkreis stieß seine Einschaltung sogar auf Ablehnung. Übernehmen sollte er eine Aufgabe, die bisher ein anderer ausgeführt hatte. Sein Anteil an der Beute war unbestimmt, ein "eigener Anspruch" war ihm nicht eingeräumt, erhalten sollte er nur etwas über einen anderen Beteiligten erhalten, der mit ihm zu "teilen" hatte.

Wenn das Landgericht vor allem aus diesen Feststellungen schließt, daß der Angeklagte "weder den Willen zur Tatherrschaft hatte, noch die Tat für seine eigene hielt", ist dies ein möglicher aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Schluß, der vom Revisionsgericht hinzunehmen ist.

II.

Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Strafzumessung wendet, ist es offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2002, 74; StV 2002, 421

Bearbeiter: Karsten Gaede